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Synopsys/GM

Qualitätsfragen sind ein signifikantes Problem der Automotive-Industrie. In der Vergangenheit resultierten etwa 60 % der Garantieansprüche nach Untersuchung des jeweiligen Problems darin, dass keine Beeinträchtigung festgestellt werden konnte: Die Ursache des Problems lag wahrscheinlich in zufälligen und nicht reproduzierbaren Interaktionen zwischen Komponenten.

Der Grund für Qualitätsprobleme sind oft Entwürfe, in denen Schwankungen wie Bausteintoleranzen, Umgebungsbedingungen, Alterungseffekte und andere Aspekte nicht berücksichtigt werden. Leider lässt sich keine statistische Analyse unter Verwendung traditioneller Ansätze wie Physical-Prototyping auf komplexe Automotive-Subsystem-Designs anwenden. Die statistische Analyse unter Verwendung realer Teile verbietet sich aus ökonomischen Gründen, weil die involvierten Systeme zu umfangreich sind. Daher ist ein neuartiger Ansatz zur Lösung dieses Problems erforderlich.

Die Qualitätsproblematik geht einher mit der Ausweitung elektrischer Subsysteme. Die Elektrifizierung von Fahrzeugen führte zu größerer Komplexität, wodurch herkömmliche Entwurfsansätze nicht die Performance- und Entwurfsziele erreichen. Dieser Trend führt zu mehr und mehr Projekten, die Simulation und Analyse erfordern.

Bild 1: Simulationstools erlauben die Erstellung mehrerer virtueller Prototypen des physikalischen Systems, um diese zu testen.

Bild 1: Simulationstools erlauben die Erstellung mehrerer virtueller Prototypen des physikalischen Systems, um diese zu testen. Synopsys/GM

Zu den genannten Herausforderungen gesellt sich schließlich noch der horrende ökonomische Druck, mit dem die Automotive-Industrie in den letzten Jahren zu kämpfen hatte. Kürzungen bei den Entwicklungsbudgets führten zu mehr Arbeitslast, welche die Teams mit derselben – oder manchmal auch verringerten – Personalausstattung bewältigen mussten. Die Konkurrenz durch globale Unternehmen wurde intensiver, was den Druck auf Entwicklungszeitpläne erhöht. Die Hersteller müssen versuchen, ihre Produkte schneller auf den Markt zu bringen. Daher müssen die Beteiligten Qualitätsprobleme so früh wie möglich identifizieren, solange sie sich noch billiger und einfacher beheben lassen.

General Motors hat erkannt, dass die eigenen Entwicklungsteams zur Lösung der geschilderten Probleme Methoden einführen müssen, die zu robusten Entwürfen führen und die Produktivität sowie die Qualität steigern. Zudem müssen alle stärker darauf vertrauen (können), dass Komponenten und Systeme alle Performance-Anforderungen unter allen Randbedingungen und für eine Palette von Fahrzeugtypen erfüllen.

Zuverlässige Entwurfsmethoden

Zuverlässige Entwurfsmethoden erfordern den Test mehrerer Subsystem-Prototypen. Mit einem manuellen Ansatz hätte GM für statistisch signifikante Ergebnisse hunderte oder sogar tausende individueller Einheiten zu testen. Die Erstellung und Prüfung derart vieler Subsysteme innerhalb eines endlichen Entwicklungszyklus‘ und -budgets ist jedoch nicht möglich. GM hat es geschafft, die durch zunehmende Elektrifizierung verursachten Probleme hinsichtlich Qualität, Wirtschaftlichkeit und Komplexität anzugehen. Dies erreichte der Automobilhersteller durch Virtual-Manufacturing, wobei er die Vorteile des Virtual-Prototypings  physikalischer Systeme mit den Vorteilen des verteilten Rechnens kombiniert, um mehrere Subsysteme effektiv zu erstellen und zu testen.

Bild 2: Das Steuerungssystem für das Wärmemanagement der Batterie sorgt für maximale Lebensdauer, Leistung und Reichweite.

Bild 2: Das Steuerungssystem für das Wärmemanagement der Batterie sorgt für maximale Lebensdauer, Leistung und Reichweite. Synopsys/GM

Mit Hilfe einer verteilten HPC-Verarbeitungsumgebung (HPC: High-Performance-Computer; Bild 1), gelang es GM, den Entwurfsprozess robuster zu machen. Diese HPC-Umgebung unterstützt den Einsatz moderner Simulationstools, die es ermöglichen, mehrere virtuelle Prototypen des physikalischen Systems zum Testen zu erstellen. Dabei unterscheiden sich die Prototypen lediglich in einigen Parameterwerten innerhalb ihres Toleranzbereichs. Diese Technik entspricht einer realen Produktionslinie und ersetzt reale Systeme durch akkurate Simulationsmodelle, die Parameteränderungen zwischen Simulationsläufen erlauben. Während Hardware-Prototyping die Erstellung und den Test lediglich einiger weniger Systeme innerhalb eines endlichen Entwicklungszyklus‘ erlaubt, macht Virtual-Manufacturing die effektive Generierung und Prüfung Tausender individueller Prototypen möglich, was einer statistisch repräsentativen Testmenge entspricht. Durch die Einführung einer virtuellen Fertigungsmethodik strebt General Motors unter Verwendung des eigenen HPC-Netzwerks eine Null-Fehler-Fertigung an.

Projekt-Beispiel VVT

Das erste Entwicklungsprojekt, bei dem HPC zum Einsatz kam, machte den Wert des virtuellen Fertigungsansatzes ersichtlich. Das VVT-Subsystem (VVT: Variable Valve Timing, auch bekannt als Cam-Phaser) verbessert die Motor-Performance durch dynamische Anpassung des Timings für die Ein- und Auslassventile des Motors.

Das Subsystem ist relativ komplex, weshalb auch schon die Ausführung einer moderaten statistischen Analyse auf einer einzelnen CPU mehrere Stunden oder Tage in Anspruch nehmen kann. Die Dauer ist dabei abhängig von der Designkomplexität, der Anzahl statistischer Simulationsläufe, dem Analysebereich und der CPU-Konfiguration. Eine sauber konfigurierte, verteilte Verarbeitungsumgebung ermöglicht es GM, dieselbe statistische Analyse in einem Bruchteil der von einer einzelnen CPU erzielten Zeit durchzuführen. Folglich konnte der OEM Probleme, die mit Parameterschwankungen zusammenhängen, frühzeitig im Entwurfsprozess identifizieren und korrigieren. Das Subsystem funktionierte auf Anhieb und es wurden wesentlich weniger Garantieansprüche geltend gemacht.

Steigerung von Qualität und Produktivität

GM hatte das Virtual-Prototyping physikalischer Systeme bereits vor Jahren eingeführt und nutzte auch Simulation oder virtuelle, robuste Entwurfsmethoden bei Projekten wie VVT. Die Früchte dieser Vorgehensweise erntete GM Projekt für Projekt. Allerdings kam es zu Einschränkungen, sobald alle diese Simulationen auf einem einzelnen Computer ausgeführt wurden. So ließe sich die Analyse eines Subsystems meist jeweils erst nach acht Wochen abschließen, da die zu analysierenden Subsysteme immer komplexer wurden. Dies veranlasste GM zur Einschätzung, dass mindestens eine Produktivitätsverdopplung erforderlich ist, um ohne Aufstockung des Personals die projektierte Arbeitslast zu bewältigen.

Der Einsatz des HPC-Netzwerks steigerte GMs Produktivität derart signifikant, dass einer der fünf Ingenieure des entsprechenden Teams vier Projekte innerhalb der ersten zweieinhalb Wochen abschließen konnte und dabei etwa 60.000 Simulationsläufe durchführte. Die neue Methodik versetzte jeden der GM-Ingenieure in die Lage, um etwa 400 % produktiver zu werden. Der HPC läuft 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche, macht keine Pausen, nimmt keinen Urlaub und wird nicht krank!

GM setzte die neue Methodik in anderen Projekten ein, welche die Analyse einer großen Zahl von Komponenten oder Systemen erfordern, und derzeit kommt sie beispielsweise bei einigen DFSS-Projekten (DFSS: Design for Six Sigma) zum Einsatz. Diese DFSS-Projektteams haben die Aufgabe, die Qualität zu steigern und dadurch garantiebezogene Probleme zu reduzieren. Die Virtual-Manufacturing-Methodik ist für derartige Projekte ideal, zu denen auch Projekte in den Bereichen Batterie, Antriebsstrang, Signalabgabe-Subsystem und der EM-Gruppen gehören.

Kombination von Systemen

Auch mit der umfassenden Elektrifizierung des Automobils kombinieren die von GM analysierten Systeme immer weitere Bereiche, darunter mechanische, hydraulische und Software-dominierte Subsysteme. Die Methodik, die GM auf DFSS-Projekte anwendet, berücksichtigt dies durch Integration von Tools und Modellen, die erlauben, mechanische sowie elektrische Analysen zur Ausführung im eigenen HPC-Netzwerk in ein Modell zusammenzuführen.

Bild 3: Durch die Bremsenergie-Rückgewinnung verlängert sich die Batterielaufzeit des Chevy Volt.

Bild 3: Durch die Bremsenergie-Rückgewinnung verlängert sich die Batterielaufzeit des Chevy Volt.Synopsys/GM

Es war entscheidend, dass die von GM zum Einsatz im HPC-Netzwerk gewählte Simulationsumgebung folgende Anforderungen erfüllte: Sie sollte die Analyse komplexer Multi-Domain-Designs genauso ermöglichen wie den Zugriff auf eine umfangreiche Bibliothek von Bauteilen und Subsystemen oder den Datenimport vieler anderer Tools. Außerdem war die Verfügbarkeit hochentwickelter Post-Processing-Funktionen notwendig.

Sämtliche Tools zur Unterstützung der HPC-Methodik erfüllen diese Anforderungen. Allerdings fällt bei der Ausführung mehrerer Simulationsläufe eine Vielzahl von Daten an. Deshalb kooperierte GM mit seinen EDA-Partnern, um die Post-Processing-Funktionen der Tools weiter zu verbessern und die Verarbeitung der Simulationsausgaben leichter zu bewältigen.

Partner sind wichtig

GM arbeitetete bei der Erstellung des HPC-Netzwerks eng mit seinen unabhängigen Partnern zusammen, die zu einem bedeutenden Bestandteil der GM-Designteams wurden. Ihre Expertise war über die Jahre hinweg entscheidend für den Erfolg vieler Projekte. Eine weitere zentrale Rolle der Partner besteht darin, innerhalb der Firma Überzeugungsarbeit bezüglich der Einführung neuer Technologien und Methodiken zu leisten – insbesondere wenn es darum geht, den Geschäftsvorgang für das Investment in die Infrastruktur bis zur Vorstandsebene zu tragen. Wenn es darauf ankommt, den bestmöglichen Nutzen aus neuen Methoden zu ziehen, können Partner Wissenskontinuität bieten, die anderenfalls aufgrund von personeller Umstrukturierung verloren gehen könnte.

Durch die Zusammenarbeit mit seinen Partnern war es GM möglich, neue Methoden einzuführen, die den OEM bei der EMC-Analyse für zunehmend komplexe mechatronische und elektrische Systeme über ein breites Spektrum von Fahrzeugtypen hinweg unterstützen. GMs Ziel sind Qualitätsverbesserungen hin zur Null-Fehler-Situation, um so die Zahl der Garantieansprüche signifikant zu senken. Die Produktivitätsziele haben das Unternemen dabei bereits deutlich übertroffen.

Tools

Als Multidomain-Virtual-Prototyping-Plattform nutzt GM Synopsys Saber in Kombination mit den Multidomain-Modellen physikalischer Komponenten im Rahmen von Synopsys Saber. Die Modelle der Steuerungsalgorithmen entstanden in Simulink von Mathworks, und als Finite-Elemente-Tools diente Software aus dem Hause Ansys.

Auf einen Blick

Die Multidomain-Virtual-Prototyping-Plattform
… ermöglicht es General Motors, viele der Qualitäts- und Produktivitätsprobleme anzugehen, denen GM im Zuge der zunehmenden Elektrifizierung von Fahrzeugen begegnet. Zusammengefasst ermöglicht der Einsatz von HPC zur statistischen Analyse die Analyse komplexer Systeme in einem Bruchteil der Zeit, (verglichen mit dem Einsatz eines einzelnen PCs), die Analyse statistisch signifikanter Testmengen in wenigen Minuten, wobei Testmengen Hunderte von Einheiten umfassen können, sowie das Erreichen der eigenen Performance- und Entwurfsziele. Gleichzeitig führt HPC zu einer Erhöhung der Produktion und zum Erreichen der Entwurfsziele mit kleinerer Belegschaft, zu einer Produktivitätssteigerung von 400%, was alle Erwartungen übertraf, und zu einer signifikanten Verkürzung der Entwicklungszeit.

BSEE/MSEE William C. Goodwin

ist Senior-Project-Engineer in der EMC-Abteilung bei General Motors Powertrain. Die von Synopsys beauftragte Presseagentur übermittelte den Beitrag an AUTOMOBIL-ELEKTRONIK.

(av)

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