Der 2012 eröffnete Unipark Nonntal kombiniert moderne Architektur mit effizienter Gebäudetechnik.

Der 2012 eröffnete Unipark Nonntal kombiniert moderne Architektur mit effizienter Gebäudetechnik. Evon (Andrew Phelps)

Insgesamt knapp 500 Räume auf 17.000 m² Nutzfläche umfasst der Unipark Nonntal, der den Großteil der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Salzburger Universität beherbergt. Äußerlich setzen das von Säulen getragenen Obergeschoss und die Fassade aus Hunderten Metalllamellen, die den Lichteinfall steuern, Akzente. Innen erzeugen ungewöhnliche Lichtkonzepte und transparente Elemente ein Gefühl von Weitläufigkeit. unsichtbar bleibt dagegen eine andere Besonderheit: Wärmepumpen einer Geothermieanlage versorgen den futuristischen Bau mit Heizenergie, die mittels Betonkernaktivierung verteilt wird. Die Klimatisierung, die Beleuchtung und die Lüftung reguliert ein Raumautomationssystem. „Dahinter steht die Überzeugung, dass ein modernes Gebäude nur nachhaltig und energieeffizient betrieben werden kann, wenn sich der Bereich Gebäudetechnik optimal steuern lässt“, erklärt Matthäus Rieger, technischer Leiter des Uniparks.

Technik im Detail

Betonkernaktivierung

Betonkernaktivierung  ist eine Thermische Bauteilaktivierung. Der Begriff bezeichnet Systeme, welche die Gebäudemassen zur Temperaturregulierung nutzen. Bei Massivdecken oder gelegentlich auch Massivwänden werden Rohrleitungen, meist Kunststoffrohre, aber auch Kapillarrohrmatten, verlegt. Durch diese Rohre fließt Wasser als Heiz- und Kühlmedium. Über seine gesamte Fläche nimmt oder gibt das massive Bauteil die Wärme auf oder ab, je nach Heiz- oder Kühlfall. Aufgrund der vergleichsweise großen Übertragungsfläche können die Temperaturdifferenzen niedrig bleiben. Das heißt, das Medium muss im Heizfall nicht so stark erwärmt werden wie beispielsweise das Wasser der Zentralheizung, deren Heizkörper eine wesentlich kleinere Übertragungsfläche bieten.

Quelle: wikipedia.de

Zum Einsatz kommt dafür das XAMControl-System der Firma Evon. Im Gegensatz zu herkömmlichen Leittechnikkonzepten basiert die Software auf einem zentralisierten Ansatz: Statt einer kleinteiligen Struktur, die jedem Bereich eigene Kontrollknoten zuordnet, wird die gesamte Gebäudetechnik als durchgehende Einheit erfasst und auf einigen zentralen Leitständen zugänglich gemacht. So ließ sich die in der Ausschreibung veranschlagte Zahl von 60 Steuerungspunkten auf zwölf Betriebszentralen verringern, wovon jeweils zwei redundant ausgelegt sind. Das erleichtert die Administration des Gesamtsystems.

Auch die Werte für Einzelräume lassen sich separat einstellen. Zusätzlich kann der Nutzer je nach Bedarf beispielsweise bestimmte Beleuchtungsszenarien wählen oder die Temperatur nachjustieren.

Auch die Werte für Einzelräume lassen sich separat einstellen. Zusätzlich kann der Nutzer je nach Bedarf beispielsweise bestimmte Beleuchtungsszenarien wählen oder die Temperatur nachjustieren. Evon

Die Bedienung erfolgt über 21″-Multitouch-Monitore, auf denen alle Technikebenen von der Gesamtansicht bis zum Einzelraum abgebildet sind. Das verwendete Windows-Presentation-Foundation-Gerüst (WPF) sorgt dabei für eine übersichtliche Darstellung, die eine intuitive Bedienung unterstützt. „Durch die Visualisierung findet man sich auch ohne spezielle Haustechnikpläne sehr gut zurecht“, so Rieger. Da das System auch XAML (Extensible Application Markup Language) unterstützt, lassen sich außerdem CAD- Objekte mit allen Funktionen in die Abbildung übernehmen.

Standards für ein offenes System

Zur Benutzerfreundlichkeit trägt auch bei, dass die gesamte Automatisierungslösung auf standardisierter Technik, wie dem Microsoft .NET-Framework oder SQL-Datenbanken, basiert und entweder nach IEC-61131-3 oder in Hochsprachen wie C# programmiert ist. Anwender mit grundlegenden IT-Kenntnissen finden sich so schnell zurecht und können die Software nach ihren Vorstellungen nutzen, etwa um eigene Reports aus den SQL-Datenbanken zu erzeugen. „Das Programm ist für mich als technischen Leiter so weit geöffnet, dass ich alle Parameter, Sollwerte, Schiebekurven und ähnliches für die optimale Betriebsführung einstellen kann“, berichtet Rieger. „Vorausgesetzt man kennt und versteht die Hardware-Komponenten im Gebäude und die Funktionen.“ Auch der Export und Import von Anlagenparametern nach und aus Excel ist möglich, wodurch die Anwender Einstellungen unkompliziert ändern oder Dokumentationen  erstellen können. Aufgrund dieser Offenheit  lässt sich die Software auch einfach mit anderen Systemen verknüpfen.

Die Technik von insgesamt 500 Räumen läuft in der Software zusammen. Übergeordnete Parameter wie die Lüftung oder die Jalousienstellung kann der Gebäudeleiter von einer der zwölf Bedienstationen aus regulieren oder programmieren.

Die Technik von insgesamt 500 Räumen läuft in der Software zusammen. Übergeordnete Parameter wie die Lüftung oder die Jalousienstellung kann der Gebäudeleiter von einer der zwölf Bedienstationen aus regulieren oder programmieren. Evon

Simulation und Virtualisierung bringen Flexibilität

Um für eine schnelle Entwicklung und Inbetriebnahme sowie eine hohe Verfügbarkeit der Gebäudeleittechnik zu sorgen, werden in XAMControl die eigentlichen Automatisierungsfunktionen zunächst losgelöst von der Feldebene anhand simulierter SPS-Einheiten programmiert und getestet, bevor sie in die tatsächlichen Steuerungen in der Laufzeitumgebung ausgerollt werden. Die Verteilung der Daten auf den verschiedenen Hardware-Plattformen übernimmt dabei das automatische Routing des Systems.

„Prinzipiell könnten die Controller auch völlig virtuell laufen und die Feldbaugruppen steuern, solang eine Netzverbindung besteht“, erklärt Andreas Leitner, einer der Geschäftsführer von Evon. „In der Praxis nutzen wir diese Option aber hauptsächlich zur schnellen Überbrückung von Störungen und zum Aufbau von Redundanzen.“ Ist beispielsweise ein Steuergerät defekt, kann seine Funktion entweder im virtuellen Raum weitergeführt oder auf eine andere SPS übertragen werden. Ebenso lassen sich redundante Systembestandteile einfach als solche definieren und gleichen sich dann selbstständig mit der Life-Konfiguration ab. Darüber hinaus lassen sich so auch Änderungen in Raumkonzepten flexibel in die Steuerung übernehmen.

Licht und Beschattung sowie Heizung und Klimatisierung werden über ein Raumautomationssystem gesteuert, das dazu mit rund 11.700 Datenpunkten kommuniziert.

Licht und Beschattung sowie Heizung und Klimatisierung werden über ein Raumautomationssystem gesteuert, das dazu mit rund 11.700 Datenpunkten kommuniziert. Evon (Andrew Phelps)

Spielräume für den Anwender

Im Fall des Uniparks wurde auch auf eigene Steuer-Server verzichtet, stattdessen laufen diese als Virtualisierung auf der großen Serverfarm der Universität. In der Serverfarm kommen die Informationen und Befehle von 11.700 Datenpunkten zusammen, von denen 6.300 über Beckhoff-Klemmen und 5.400 über KNX und TCP/IP kommunizieren. Letztere umfassen dabei auch Teile der Medientechnik. So kann der Vortragende je nach Bedarf über ein Touchpanel verschiedene vorprogrammierte Raum- und Lichtszenarien auswählen. Generelle Parameter wie die Hörsaal-Lüftung stellt dagegen der Gebäudeleiter individuell je nach Veranstaltung und Vorlesung ein. Auch die Wärmepumpen und die Kältemaschine lassen sich von den Bedienzentralen aus überwachen und kontrollieren. Die Sollwerte für die Raumtemperatur werden über die Leittechnik bestimmt. „Jeder Nutzer kann aber übergeordnet seine Raumtemperatur um ±3 °C verändern“, so Rieger. Solche individuellen Optionen gelten auch für die Beschattung der rund 400 Büros im zweiten und dritten Obergeschoss durch die Sonnenschutzlamellen, die ansonsten Helligkeitssensoren dreimal täglich je nach Sonnenstand und Gebäudeseite regulieren.

XAMControl umfasst als ganzheitliche hardware-unabhängige Lösung alle Bereiche der Gebäudeleittechnik von der Management- bis zur Feldebene.

XAMControl umfasst als ganzheitliche hardware-unabhängige Lösung alle Bereiche der Gebäudeleittechnik von der Management- bis zur Feldebene. Evon

Die Raumautomation hat sich seit der Einweihung des Neubaus im Januar 2012 bewährt, wie der technische Leiter berichtet: „Was die Energieeffizienz betrifft, ist das System perfekt abgestimmt für den optimalen Betrieb dieses Hauses und funktioniert ausgezeichnet.“ Zusätzlich wird am Unipark Nonntal aber auch die von Evon in Zusammenarbeit mit der TU Wien entwickelte SmartMSR-Regelung getestet. „Dabei handelt es sich um ein prädiktives, modellbasiertes Steuerungssystem, das nicht nur in Abständen den Ist-Zustand gemäß den Soll-Vorgaben nachregelt, sondern Entwicklungen vorausberechnen und entsprechend frühzeitig agieren kann“, so Leitner. In der Prozesstechnik wird bereits mit solchen, meist komplexen Systemen gearbeitet, für die Gebäudeleittechnik wurden sie angepasst und vereinfacht. „Ziel der intelligenten Regelung ist, in den nächsten Jahren die Betriebskosten weiterhin zu minimieren“, fasst Technikleiter Rieger die Erwartungen an das laufende Projekt zusammen.

Christine Gaßel

Ist freie Journalistin in München.

(mf)

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