Um Schwankungen im Stromnetz aufzufangen, ­regeln virtuelle Kraftwerke die Anlagen der ­Erneuerbaren Energien.

Um Schwankungen im Stromnetz aufzufangen, ­regeln virtuelle Kraftwerke die Anlagen der ­Erneuerbaren Energien.Fotolia.com

Ein virtuelles Kraftwerk kombiniert dezentrale Energieanlagen zu einem vernetzten, flexibel regelbaren und zentral gesteuerten Anlagensystem. So ist es möglich, Strom gemeinsam zu vermarkten und wichtige Systemdienstleistungen zu übernehmen, zum Beispiel das Bereitstellen der sogenannten Regelenergie, um die Schwankungen im Stromnetz auszugleichen.

Über eine zentrale Leitwarte werden alle im virtuellen Kraftwerk vernetzten und regelbaren Anlagen angesprochen, beispielsweise Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke (BHKW) oder Biogas- und Wasserkraftanlagen. Das virtuelle Kraftwerk gleicht Schwankungen beispielsweise aus, indem es den in den BHKW zwischengespeicherten Strom ins Netz einspeist, wenn die anderen Erneuerbaren Energien (EE) gerade wenig produzieren. Erzeugen die EE zu viel Strom, nimmt es mit den Wärmepumpen des BHKW überflüssigen Strom aus dem Netz.

Die Kommunikation zwischen den dezentralen Energieressourcen und der Leitwarte ist bisher nicht standardisiert. Fernwirk-Gateways kommunizieren typischerweise mit der Zentrale über den Standard IEC60870-5-104, der Daten aus der Energieerzeugungsanlage über sogenannte Registeradressen zur Verfügung stellt, die der Hersteller der Anlage festlegt. So ist die erzeugte Leistung beispielsweise in Adresse 1 gespeichert, der Zählerstand in Adresse 2 und die Temperatur der Anlage in der Adresse 3. Folglich muss der Systemintegrator oder der Betreiber des virtuellen Kraftwerkes für jede Anlage die Adressschemata kennen und bearbeiten. Der Standard VHPready legt die Adressen und Datenobjekte fest.

Mit der webbasierte Programmieroberfläche können Anwender die Logik mit vordefinierten Operatoren und Funktionsbausteinen programmieren.

Mit der webbasierte Programmieroberfläche können Anwender die Logik mit vordefinierten Operatoren und Funktionsbausteinen programmieren.HMS

Keine babylonische Sprachverwirrung

VHPready steht für Virtual Heat and Power Ready. Es ist ein offener Industriestandard für die Fernsteuerung und den Zusammenschluss von dezentralen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen, Verbrauchern und Energiespeichern zu virtuellen Kraftwerken. Das von Vattenfall initiierte VHPready-Protokoll wird mittlerweile von dem Industrieverband VHPready spezifiziert, einer Allianz von über 25 Unternehmen aus den verschiedenen Bereichen des Energiemarktes. Ziel ist es, den Industriestandard für die Vernetzung dezentraler Energieanlagen, das Zertifizierungsprogramm und dazugehörige Prüfwerkzeuge zu entwickeln.

Die kommunikationstechnische Basis bildet das TCP/IP-basierte und signalorientierte Fernwirkprotokoll IEC 60870-5-104 oder ein ebenfalls TCP/IP-basierter, objektorientierter Ansatz gemäß IEC 61850-7-420. Für die Sicherheit der Datenübertragung sorgt der Aufbau eines virtuellen privaten Netzwerks (VPN) auf Basis von OpenVPN mit SSL/TLS-Verbindungen (Secure Sockets Layer, Transport Layer Security). Für die Zeitsynchronisation kommt SNTP/NTP (Simple Time Protocol/Network Time Protocol) zum Einsatz. Auf der Hannover Messe dieses Jahres wird die neue Spezifikation VHPready 4.0 veröffentlicht.

Ein wesentliches Ziel von VHPready ist das Festlegen von Profilen innerhalb der verwendeten Normen, sodass bei der Zertifizierung und Projektrealisierung nur noch das Profil benannt werden muss. Projektspezifische Absprachen zu den Details der Normen werden dadurch weitgehend überflüssig. Alle Tests für die Zertifizierung für VHPready folgen international standardisierten Methoden und Techniken wie sie von ISO/IEC und ETSI (European Telecommunications Standard Institute) festgelegt wurden. Der Standard und seine Zertifizierung sollen für ein nahtloses, sicheres und wirtschaftliches Zusammenwirken aller steuerbaren Komponenten und deren Kompatibilität sorgen.

Kommunikation in zwei Richtungen

Die verteilten Energieresourcen müssen mit der Leitwarte des virtuellen Kraftwerkes vernetzt werden. Die dafür notwendigen Kommunikations-Gateways müssen sowohl mit der SPS der Anlage vor Ort als auch mit der Zentrale über Ethernet oder Mobilfunk (GPRS/3G) kommunizieren. Die Kommunikation mit der Leitwarte findet mit VHPready statt, während für die Kommunikation mit der SPS vor Ort in der Regel Standards aus der Fabrikautomation wie Modbus, Profibus oder Profinet zum Einsatz kommen. Darüber hinaus müssen die Gateways in der Lage sein, einfache Logikoperationen auszuführen, um die Befehle aus der Leitwarte ausführen zu können.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat HMS die Labline-SG-Gateway-Familie für virtuelle Kraftwerke entwickelt. Für die Kommunikation mit der lokalen SPS der Energieerzeuger im Feld steht eine Anybus-Compactcom-Schnittstelle zur Verfügung, die beliebige Feldbus- oder Industrial-Ethernet-Technik unterstützt. Dadurch bleiben Anwender oder Integratoren flexibel, wenn es um die Kommunikation mit der SPS geht. Darüber hinaus werden Modbus-RTU Master, Modbus-TCP Client, M-Bus und direkte I/Os unterstützt, um beliebige Geräte im Feld anzuschließen. Mit der Leitwarte kommunizieren die Gateways über VHPready, entweder über das Fernwirkprotokoll IEC 60870-5-104 oder mit dem Standard IEC 61850.

Die Gateways lassen sich über drei verschiedene Wege programmieren. Für einfache Anwendungen steht ein Web-Editor zur Verfügung, mit dem der Anwender die Logik grafisch mit vordefinierten Operatoren und Funktionsbausteinen konfigurieren kann. Für anspruchsvollere Anwendungen steht eine eingebettete Codesys-Soft-SPS für eine Programmierung gemäß IEC61131-3 zur Verfügung. Wenn der Anwender alle Freiheitsgrade ausschöpfen möchte, ist die Programmierung des Mikrokontrollers mit C/C++ möglich.

David Garcés

ist Solution Architect bei der HMS Industrial Networks GmbH in Karlsruhe.

(mf)

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