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Ob Panel-PC oder Embedded Box-PCs: Industrie PCs erfüllen viele Ausgaben in verschiedenen Einsatzorten und unterschiedlichen Umgebungsbedingungen (Bild: Mass)

Vorab Geschichtliches: Anfang der 80-er Jahre kamen neben damals vorhandenen Großrechnern kleine Arbeitsplatz-Rechner auf. Die Firma IBM bot den ersten in Serie hergestellten Rechner an und parallel dazu entstanden Software-Programme für gängige Büroanwendungen. Unter dem Namen Personal Computer gewannen diese Geräte schnell größere Marktanteile. Auch Firmen wie Apple, Commodore und andere waren daran beteiligt. Diese als Büro-PC eingesetzten Systeme wurden bald auch für den privaten Konsumenten interessant. Alle Büro-PCs zeigten aber Grenzen auf, wenn sie in rauer Umgebung wie in industriellen Einsätzen außerhalb von Büros arbeiteten. Daher entstand bald eine neue Gerätelinie: die Industrie-PCs (IPCs).

3 Fragen der IEE an…

Josief Mehari, Vertriebsleiter bei Mass

IEE: Gibt es eine Komponente/Eigenschaft, auf die Anwender den größten Wert legen, etwa die Schutzklasse oder Rechenpower?

Josief Mehari: Rechenpower ist für den Anwender immer interessant. Was ihn aber noch viel mehr interessiert, sind die Themen Verfügbarkeit und Langlebigkeit. Darauf kommt es ihnen an. Generell gilt: Unsere Kunden wollen stets auf dem aktuellen Stand der Technik sein und verlangen daher meist die neueste Technologie.

IEE: Wollen die Kunden lieber eine exakt angepasst Lösung, die sich dann aber nicht mehr einfach ändern/erweitern lässt oder lieber eine modulare Lösung, die flexibel ist.

Josief Mehari: Anfragen für eine exakt angepasst Lösung erreichen uns seltener. Vorrangig sind die Kunden an modularen Lösungen interessiert, die sie bei Bedarf noch verändern können. Entscheidend ist meisten am Ende schlicht der Preis.

IEE: Gibt einen Trend, den Sie beim Vertrieb beobachten können?

Josief Mehari: Ich beobachte, dass der Trend hin zu PCAPs geht. Das ist meiner Meinung nach die Technologie der Zukunft. Außerdem kennen die Anwender diese Art des Bedienens von ihren heimischen Tablets oder Smartphones.

Infolge von heißen oder frostigen Umgebungstemperaturen, Erschütterungen, Vibrationen, verschmutzte Luft, ölhaltige oder chemisch aggressive Niederschläge auf Leiterplatten, Kontakten und Bauteilen sowie fehlende Möglichkeiten der Reinigung entstanden gezwungenermaßen aufwändige Konstruktionen des IPC. Gegenüber dem Personal Computer – inklusive dessen mobiler Varianten Laptop, Notebook, Tablet und Smartphone – ist die Produktionsmenge der IPCs aber wesentlich kleiner, weil die Spezialisierung auf die Anwendungen und Einsatzgebiete eine große Produktvielfalt hervorruft. Zudem bewirkt die schnelle Weiterentwicklung aller Komponenten eine verkürzte Lebensdauer der jeweiligen IPC-Version. Auch das Abkündigen von Bauteilen sowie das ständige Ergänzen um neue Funktionen des IPCs zwingt Anwender zu regelmäßigen Geräte-Änderungen.

Panel-PCs und All-in-one PC

Während es anfangs noch keine allgemein üblichen Bezeichnungen für die IPCs gab, haben sich inzwischen gebräuchliche Produktnamen eingebürgert:

Die häufigste Version ist der Panel-PC. Dieser wird fest in eine Wand (Panel) eingebaut. Das ist zum Beispiel ein Bedienpult, eine Anzeigetafel, eine Schaltschranktür oder eine feste Wand. Abhängig vom Einsatzort ist der Frontrahmen des IPC mechanisch und farblich anzupassen. Auch die Befestigung des Gerätes im Panel mit Stehbolzen oder mit einrastender Mechanik sowie die Be- oder Entlüftung muss sorgfältig beachtet werden.

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All-in-one PCs vereinen Monitor und PC in einem Gehäuse. Mass

Sehr oft kommt auch ein frei stehender All-in-one PC oder Stand-alone PC mit stabiler Rückwand zum Einsatz. Alle IPCs außerhalb von Büros müssen zu den Gegebenheiten des jeweiligen Aufstellungsorts passen. Das beginnt beim Gehäusematerial aus Stahlblech, Aluminium oder Edelstahl oder die Auswahl geeigneter Steckverbinder und deren Anordnung im Gehäuse, die Be- und Entlüftung sowie die benötigte Schutzart. Auch die Montage mit Standfuß, Säule, Wandarm, Maschinenschwenkarm etc. müssen Anwender passgenau auswählen. Ebenso den Display-Typ, seine Diagonale, die Schutzfolie/Glasfront (blendfrei und/oder kratzfest) und ob das Display auch mit Handschuhen bedienbar sein soll. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen die Eingabe per Einzeltasten, ASCII-/Folientastatur oder resistivem-, kapazitivem- oder Multitouchscreen sowie die benötigte Rechnerleistung und deren Stromversorgung. Aus der Summe all dieser Variablen ergeben sich zahlreiche IPC-Varianten.

Schaltschrank-IPC: Rack oder Euroboard-System

Eine ebenfalls häufig eingesetzte Version ist der Schaltschrank-IPC. Hierbei gibt es mehrere Geräte-Varianten, mit unterschiedlicher Bezeichnung:

Für modular aufgebaute IPCs kommen die 19″-Schaltschrank-Racks zum Einsatz, die es in den Höheneinheiten von 1 bis 4 HE gibt. Hierbei liegt ein aktives (mit Prozessor) oder ein passives Mainboard (Hauptplatine) waagerecht im 19″ breiten Standard-Rack. Dieses Mainboard enthält mehrere Steckplätze (Slots), die den Systembus bilden und in den die Peripherieboards passen. Bei passiven Mainboards betrifft das auch die CPU-Platine. Darüber hinaus lassen sich hier alle benötigten Zusatzfunktionen des IPC einfügen.

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Euroboard-Systeme finden sich häufig in Medizin-, Bahn- und Flugzeugtechnik. Mass

Die Euroboard-Systeme gibt es mit Kartenformaten für 3 oder 6 HE hohe Baugruppenträger. Hier steht eine Busplatine parallel zur Gehäuserückwand und enthält hochpolige indirekte Steckverbinder. Alle Peripherie Peripherieboards sowie die Prozessorkarte werden von vorne in die Busplatine gesteckt und mit Kartenführungsschienen stabil im Rack verankert. Neben der CPU fügen Anwender Baugruppen für die Meß- & Regeltechnik mit umfangreicher und eigenintelligenter digitaler- oder analoger Peripherie ein. Hierbei übernimmt der IPC oft nur die Ein- und Ausgabe auf dem Display sowie Datensammlung und Kommunikationsaufgaben. Vorteile dieser Systeme sind die einfache Erweiterung mit Peripheriekarten und der problemlose Austausch defekter Boards. Typische Anwendungen gibt es in der Medizin-, Bahn- und Flugzeugtechnik.

Alle Schaltschrank-IPC-Varianten sind oft ohne eine Bedien- & Anzeige-Ebene ausgestattet (headless), weil die Rechner meist im 24/7-Betrieb laufen. An die vorhandenen Anschlüsse für Monitor und Tastatur kommen nur im Inbetriebnahme- oder Servicefall ein Display und eine Tastatur. Ausnahmen sind bei 3HE- und größeren Racks üblich, weil hier bereits Displays mit 5,7 – 8,4″ Diagonale und mit einem Touchscreen in die Frontplatte eingebaut werden können.

Embedded Box-PCs, Industrie-Monitore und Sonderentwicklungen

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Kompakter Embedded-Box-PC im robusten Design für den industriellen Einsatz Mass

Ein weiterer Verwandter des Schaltschrank-PCs ist der Embedded Box-PC. Dieser ist in ein eigenes Gehäuse eingebaut, welches sich auf die Montageplatte des Schaltschrankes schrauben lässt oder auf eine Hutschiene aufgeschnappt werden kann. Dieser Box-PC kommt jedoch auch häufig außerhalb von Schaltschränken zum Einsatz, wenn alle gewünschten IPC-Funktionen und Erweiterungen in die Box passen. Jetzt ist die Box ohne den Schutz des Schaltschrankes zwar autark, sein Gehäuse muss aber direkt an die Umgebung angepasst werden. Die Lösung: stabile, dichte, störsichere und Wärme-ableitende Aluminium-Stranggussgehäuse. Auch die Verkabelung wird meist mit höherwertiger Anschlusstechnik oder Schutzart realisiert. Häufige Einsatzfelder sind alle Anwendungen im Freien, in Bergbau- & Baumaschinen, Gabelstaplern sowie Erntemaschinen, Bussen, LKWs oder gewerblich genutzten Fahrzeugen.

Industrie-Monitore sind zwar nur Zubehör von IPCs, verlangen jedoch die gleiche Sorgfalt bei der Gehäusekonstruktion. Sie sind als externe Bedien- & Anzeigegeräte sowohl bei Schaltschrank- als auch bei Embedded Box-PCs üblich.

Da sich der IPC in fast allen Automatisierungsbereichen durchgesetzt hat, werden immer häufiger Sonderbaugruppen in die Systeme eingefügt: zum Beispiel Kartenleser, Mikrofone, Lautsprecher, Netzwerk-, Bildverarbeitungsmodule oder Hochleistungsrechner für künstliche Intelligenz. Dazu gehören die Software zur Vernetzung und Synchronisation aller Einzelmaschinen von Produktionslinien in einer Cloud – Stichwort Internet of Things (iIoT) oder Industrie 4.0 – sowie die Kommunikation mit Smartphones.

IPC im Projektbeispiel

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Durch die 3 mm Glasfront eignet sich der IPC auch für den Einsatz in rauer Umgebung. Mass

Anhand eines ausgeführten Auftrages wird der Umfang eines „gehärteten“ All in One Industrie PCs der Firma Mass beschrieben: Zur Bedienung und Anzeige eines Schweißmaschinen-Automaten zur Bearbeitung von Stahl erstellte das Unternehmen eine Heavy-Duty-Lösung, die der besonders rauen Umgebung mit Hitze, Funkenflug, Schmutz und Erschütterungen widersteht und im 24/7-Betrieb arbeitet und sowie sich mit Handschuhen bedienen lässt.

Der All-in-one PC im Stahlblechblechgehäuse mit integriertem Single-Board-Computer hat ein 21,5“Full-HD LCD-Display mit Multitouch (Projected Capacitive Touch (PCAP)), das 1920 auf 1080 Pixel anzeigt; bei einer Helligkeit von 300cd/m² und einem Kontrast von 5000:1. Geschützt wird das Display von eine 3 mm Glasfront mit schwarzer Rahmenbedruckung, was einer frontseitigen IP-Schutzartklasse von IP65 entspricht. Das Gehäuse mit den Maßen 516,5 x 313 x 60,5 mm (ohne Flansch) verfügt über eine RS232- sowie zwei USB 3.0-  und zwei Ethernet-Schnittstellen.

Weitere technische Spezifikationen

Mainboard:                 Formfaktor: 3,5“-Single Board (102 x 147mm)

CPU:                           Intel dual-core TM Celeron 3765U (2x 1,9 GHz, 2 MB Cache) bis Intel® dual-core TM i7-5650U (2x 2,2 GHz, 4 MB Cache)

Arbeitsspeicher:        RAM:  2x SO DIMM Socket, DDR3L-1600/1333, max. 16GB

Netzeingang:             12 oder 24V DC

Schnittstellen intern:  2x SATA3 (6Gb/s), 2x USB 2.0, 2x RS232, 1x RS-232/422/485, 1x mini-PCIe mit mSATA Support, GPIO (4x IN, 4x OUT)

Weitere Informationen zu den IPCs finden Sie unter https://www.mass.de

Jens Dabberdt

Geschäftsführer bei Mass

(ml)

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