Eine integrierte Schiffsautomation sorgt für die Sicherheit, die Effizienz und die Zuverlässigkeit aller Bordsysteme. Es erfasst Messdaten aus allen Schiffsbereichen. Die Besatzung kann die Messdaten direkt an den Fahrständen über Farbbildschirme abrufen. Im Einsatz erhalten die diensthabenden Kräfte dadurch einen aktuellen und schnellen Überblick. Außerdem stellt ein Automationssystem beispielsweise sicher, dass die eingesetzten Technologien wie Antriebsanlage, Bordaggregate oder Messstellen diverser Schiffsbereiche – wie Tanks, Bilgen sowie Heizung, Lüftung und Klimatechnik – verlässlich funktionieren. Gerade kleinere Besatzungen profitieren von der Möglichkeit, komplexe Abläufe zu überschauen. Steigt zum Beispiel die Abgastemperatur am Motorzylinder, lassen sich über ein Automationssystem die Konsequenzen schnell abschätzen und aus Defekten resultierende Fehlfunktionen eindämmen.

Automationssystem: Das Gehirn des Schiffs

Das Beispiel eines solchen Systems ist die Schiffsautomation Callosum von MTU. Ebenso wie der gleichnamige Corpus Callosum, der im menschlichen Gehirn für einen Informationsaustausch zwischen den beiden Gehirnhälften sorgt, ermöglicht das Automationssystem die Verbindung aus Datenerfassung, logischer Verknüpfung und der Visualisierung. Alle Vorgänge werden bedienerfreundlich über eine einheitliche Oberfläche dargestellt, die an jedem vernetzten Bildschirm auf dem Schiff abrufbar ist. Das Automationssystem besteht aus einem integrierten Überwachungs- und Steuerungssystem, einem Schiffsicherungssystem, einem Trainingssystem sowie einem Wartungs- und Instandhaltungssystem.

Flexibles Überwachungs- und Steuerungssystem

Das integrierte Überwachungs- und Steuerungssystem regelt die Antriebsanlagen, deren Motoren und Gasturbinen mit Festpropellern, Verstellpropellern, Waterjets oder Voith-Schneider-Propellern gekoppelt sind. Es kann auch für kombinierte Dieselmotor/Gasturbinen-Anlagen wie Codad (Combined Diesel and Diesel), Codog (Combined Diesel or Gas Turbine), Codag (Combined Diesel and Gas Turbine), Codae (Combined Diesel and Electric), Codlag (Combined Diesel Electric and Gas Turbine) sowie andere Varianten zum Einsatz kommen. Zur Ausstattung des Überwachungs- und Steuerungssystems gehören Monitore, Fahrhebel und Tastenfelder zur Auswahl von Fahr-Modi. Über ein Netzwerk von über tausend Sensoren lassen sich gleichzeitig mehr als 20.000 Datenparameter auswerten, die zu einer ständigen Überwachung und Steuerung sämtlicher Bereiche und Funktionen der Schiffstechnik führen. So lassen sich beispielsweise Beschleunigung und Fahrverhalten des Schiffes optimal anpassen. Alle Systemkomponenten sind über Datenbusleitungen miteinander verbunden, die Daten schnell, zuverlässig und ausfallsicher auf die Bildschirme übermitteln. Bei Integration eines Navigationssystems kann der Kapitän durch Umschaltung auf der Brücke neben dem Überwachungssystem auch die Navigation auf dem gleichen Bildschirm einsehen Aufgrund des modularen Aufbaus lässt sich die Automation an alle kommerziellen Schiffstypen – vom Schlepper bis zum Kreuzfahrtschiff – anpassen. Weitere Systeme wie das Electrical Power Management System (EPMS), das Feuermeldesystem (FDS), das Kamerasystem (CCTV) oder maßgeschneiderte Konsolen und andere Systeme lassen sich durch die offene Struktur problemlos integrieren.

Schaden bei Schiff und Besatzung begrenzen

Zur Schadensabwehr und Schadensbegrenzung von Leckage- und Brandschäden kommt das Schiffssicherungssystem Callosum DC (Damage Control) zum Einsatz. Mit schriftlichen Anweisungen und Gefahreneinstufung in jeder Situation sorgt es für den bestmöglichen Austausch zwischen den Besatzungsmitgliedern. Um ihnen einem Zwischenfall einen schnellen Überblick zu verschaffen, sind in jedem Raum Detektoren und Warnungseinheiten installiert. Ihre Signale werden auf Monitoren in einer zentralen Betriebsstation akustisch und visuell empfangen. So lassen sich Schäden durch Feuer, Flutung, Kollision oder Aufgrundlaufen schnell und präzise lokalisieren und bekämpfen. Die Software unterstützt die Mannschaften bei der Schadensbekämpfung, zum Beispiel mit Plots, Löschmittelinformationen, Festlegung von Rauchgrenzen oder Videokamerainformation. Ein automatisches Regelprotokoll wird entsprechend einer detaillierten Checkliste ausgeführt, wenn es darum geht, Schäden unabhängig von menschlichen Entscheidungen einzudämmen oder Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen – wie etwa bei Strom- und Systemausfällen oder Leckagen. Da im Ernstfall jede Sekunde zählt, wurde bei der Entwicklung des Systems ein besonderer Fokus auf schnelle Reaktionszeiten gelegt. Höchstens drei Klicks benötigt ein Nutzer, um zu seinem Ziel auf dem Bildschirm zu gelangen.

Trockenübungen für den Notfall simulieren

Das perfekte Beherrschen der an Bord eingebauten Systeme wie Motoren, Generatoren oder Ventilation in allen Situationen ist nur durch intensives Training der Besatzung möglich. Zu diesem Zweck wurde das Trainingssystem Callosum TS (Onboard and Land-Based Training System, OBTS/LBTS) integriert. Über eine Software lassen sich verschiedene Szenarien simulieren, mit denen sich das Schiffspersonal auf schwierige Situationen vorbereiten kann. Die Besatzung befindet sich dabei entweder an Bord des Schiffes oder in einem Trainingscenter an Land, deswegen auch der Name ‚Onboard and Land-Based Training System‘. Bei der Entwicklung der verschiedenen Szenarien legten die Ingenieure großen Wert auf einen hohen Realitätsgrad. Dieser wird durch die Integration des Trainingssystems in das Automationssystem über das normale Mensch-Maschine-Interface des Schiffes noch verstärkt. Denn das schult das Verständnis der Besatzung für den Schiffsbetrieb.

Wartung und Instandhaltung

Abgerundet wird das Automationssystem durch ein integrierbares Wartungs- und Instandhaltungssystem. Dieses wurde speziell für lange Einsätze auf hoher See konzipiert. Ein elektronisches Diagnoseprogramm überwacht dabei permanent alle antriebsrelevanten Vorgänge. Sollten Fehlfunktionen, Unregelmäßigkeiten oder Verschleißerscheinungen festgestellt werden, veranlasst Callosum MT (Maintenance) eine Meldung an die Crew des Schiffes. Befindet sich das Schiff nicht in der Nähe eines Servicestützpunkts, können Besatzungsmitglieder auf technische Dokumentationen und 3D-Videos zurückgreifen, um grundlegende Wartungsarbeiten Schritt für Schritt selbst durchzuführen. Die Dokumentation und Videos umfassen detaillierte Darstellungen von Bauteilen und Beschreibungen ganzer Wartungsvorgänge. Die Besatzung kann die ursprüngliche Meldung bei Bedarf aber auch per Speichermedium, per Mobiltelefon, per Netzwerk oder über Satellit an Land weiterleiten, wo der notwendige Support oder Service veranlasst wird. Darüber hinaus lassen sich die Schiffssysteme durch Satelliten-Verbindung auch von Land aus aus der Ferne überwachen. Diese flexible, bedienerfreundliche Automatisierung mit integriertem Alarmsystem verbessert den Betriebskomfort und die Sicherheit des Schiffes und ermöglicht es, die für den Einsatz notwendige Schiffsbesatzung zu verringern.

Oliver Haller

: Senior Manager im Application Center Automation bei der MTU Friedrichshafen GmbH.

(mf)

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