Die Konzeptstudie des IO-Link Konsortiums analysiert das Potenzial, Single Pair Ethernet als Physical Layer für das IO-Link-Protokoll zu nutzen.

Die Konzeptstudie des IO-Link Konsortiums analysiert das Potenzial, Single Pair Ethernet als Physical Layer für das IO-Link-Protokoll zu nutzen. (Bild: IO-Link Konsortium)

Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • IO-Link over Single Pair Ethernet ist eine Konzeptstudie
  • Mehr Bandbreite, Speed und Reichweite durch Single Pair Ethernet
  • IO-Link over SPE soll Standard-IO-Link nicht ablösen, sondern ergänzen
  • Tool-Landschaft und IODDs funktionieren wie bisher

Wird durch das Vordringen von Single Pair Ethernet in industrielle Anwendungen IO-Link verdrängt? Kann es eine Koexistenz von IO-Link und SPE geben? Oder gibt es gar eine Lösung, welche die Vorteile von IO-Link und Single Pair Ethernet vereint?

Mit diesen Fragestellungen hat sich auch die IO-Link Community beschäftigt und ist auf einen relativ einfachen, jedoch vielversprechenden Ansatz gestoßen, der als Konzeptstudie veröffentlicht wurde.

IO-Link hat sich in den letzten Jahren als Standardschnittstelle für die Sensor/Aktorebene etabliert. Die internationale Standardisierung als IEC 61131-9 und die Feldbusneutralität sind zwei der wesentlichen Wegbereiter für die Verbreitung von IO-Link.

Mittlerweile gibt es eine breite Basis an unterschiedlichsten Sensor- und Aktortechnologien mit IO-Link. IO-Link definiert nicht nur die eigentliche Kommunikation, sondern auch Grundfunktionen wie Identifikation der Geräte und deren Diagnose. Ebenso existiert über die IODD (I/O Device Description) eine systemunabhängige Beschreibungsmethodik für Geräte. Damit lassen sich die Sensoren/Aktoren von unterschiedlichen Tools in verschiedene Systeme integrieren und konfigurieren.

Die typischen Anforderungen für Automatisierungsanwendungen in der Fabrikautomation liegen bei einer maximalen Leitungslänge von 20 m zwischen IO-Link-Master und Endgerät sowie typischen Aktualisierungsraten der Prozessdaten zwischen 1 und 5 ms. Diese Referenzwerte erfüllt IO-Link in seiner aktuellen Ausprägung. Im industriellen Umfeld hat sich Ethernet inzwischen als Basis für Feldbusanbindungen etabliert. Ein weiterer Treiber der Ethernet-basierten Kommunikation ist natürlich die Anbindung der klassischen Automatisierungsanwendungen an IoT-Anwendungen.

Single Pair Ethernet (SPE) – künftiger Standard im Feld?

So wird das IO-Link-Protokoll in einen Ethernet Frame eingebettet: Für IO-Link ist eine spezifische Nutzdatenstruktur erforderlich, die ein ‚EtherType‘ im Ethernet Frame kennzeichnet.

So wird das IO-Link-Protokoll in einen Ethernet Frame eingebettet: Für IO-Link ist eine spezifische Nutzdatenstruktur erforderlich, die ein ‚EtherType‘ im Ethernet Frame kennzeichnet. IO-Link Konsortium

Die noch relativ jungen Entwicklungen und Standardisierungen in Richtung SPE – Single Pair Ethernet – rücken besonders in den Fokus von industriellen Anwendungen. Einfache Twisted-Pair Kabel dienen zur Datenübertragung und Spannungsversorgung. Damit lassen sich auch Sensoren oder Aktoren in der Feldebene mit ausreichender Bandbreite betreiben.

Auch interessant: Kritische Anmerkungen zur Konzeptstudie SPE over IO-Link

Bei SPE handelt es sich um eine Reihe von Standards, die auf den Standards der IEEE 802.3 Familie aufbauen, beziehungsweise ebenfalls eine einheitliche Struktur des Ethernet-Frames verwenden. Lediglich der Physical Layer, die Verbindungsebene, wird ausgetauscht beziehungsweise neu definiert. Dementsprechend unterscheiden sich die SPE-Standards maßgeblich hinsichtlich der definierten Transferrate:

  • 10Base-T1 – 10 MBit/s, TP
  • 100Base-T1 – 100 Mbit/s, TP
  • 1000Base-T1 – 1000 Mbit/s, TP

Für die Industrie ist Stand heute 10Base-T1 von primärem Interesse. Der zugehörige Standard IEEE 802.3cg wurde Anfang 2020 verabschiedet und veröffentlicht. Innerhalb dieses Standards werden wiederum drei Ausprägungen definiert.

  • 10Base-T1S (short-reach)
  • 10Base-T1L (long-reach)
  • APL (Advanced Physical Layer – intrinsic safe)

10Base-T1S ist multi-drop-fähig. Es können also mehrere Geräte an einem Strang angeschlossen werden. Die Leitungslänge ist allerdings auf 25 m begrenzt.

Wie der Name vermuten lässt, steht das ‚L‘ bei 10Base-T1L für eine große Reichweite. 10Base-T1L definiert eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung und lässt bis zu 1.000 m Kabellänge (Twisted-Pair) bei maximal 60 W Leistung für das Endgerät zu. APL ist bezüglich der Kommunikation kompatibel zu 10Base-T1L, unterstützt aber nicht die dort definierten Leistungsklassen. Auf Grund der speziellen Anforderungen des Explosionsschutzes bis in Zone 0 ist bei APL die verfügbare Leistung für das Endgerät auf rund 500 mW begrenzt und die maximale Kabellänge auf 200 m reduziert. Aktuell sind ASICs für die 10Base-T1L und APL in der Entwicklung und werden voraussichtlich in 2021 verfügbar sein.

IO-Link-over-SPE – was ist das?

In den gängigen Anwendungen innerhalb der Fabrik­automatisierung erfüllt IO-Link die meisten Anforderungen ohne Probleme. Mit der konstanten Vergrößerung des Portfolios an IO-Link Geräten und der damit einhergehenden Ausweitung der potenziellen Anwendungsfelder, stößt IO-Link teilweise an technologische Grenzen. Beispielsweise bestehen durchaus Anforderungen, IO-Link über größere Distanzen als die aktuell spezifizierten 20 m zu übertragen. Ebenso gibt es die Anforderung, eine IO-Link Kommunikation in explosionsgeschützte Bereichen zu ermöglichen. Hierfür stehen mit SPE 10Base-T1L und APL inzwischen Lösungen zur Verfügung, die diese Anforderungen erfüllen können.

Meist wird Ethernet mit einer TCP/IP- oder UDP-basierten Kommunikation assoziiert. TCP/IP erfordert deutlich komplexere Firmware-Strukturen als IO-Link sowie die Erfüllung von hohen Sicherheitsanforderungen in den Endgeräten. Die Konsequenz: Eine Kombination mit IO-Link wäre damit wahrscheinlich nur komplexeren Endgeräten vorbehalten. Würden die heute im Einsatz befindlichen IO-Link-Geräte mit einer TCP/IP-Kommunikation ausgerüstet, würde die Anzahl an notwendigen IP-Adressen geradezu explodieren. Zudem würde sich die einfache Integration bei IO-Link-Geräten in die verschiedenen Systemumgebungen grundlegend ändern.

IO-Link mit neuer Übertragungs-Physik

In der Übergangs­phase braucht es Protokoll/Medien-umsetzer, um klassische IO-Link-Komponenten mit der SPE-Physik kombinieren zu können.

In der Übergangs­phase braucht es Protokoll/Medien-umsetzer, um klassische IO-Link-Komponenten mit der SPE-Physik kombinieren zu können. IO-Link Konsortium

Warum also nicht das bestehende System IO-Link beibehalten und um eine weitere physikalische Schnittstelle erweitern? Genau dies ist der Ansatz des Konzepts für IO-Link-over-SPE: Anstatt die IO-Link Nachrichten als pulscodierte Telegramme über das klassische 3-Leiter-Kabel mit 24 V-Pegel zu übertragen, werden die IO-Link-Nachrichten bei IO-Link over-SPE in Ethernet-Frames verpackt und über einen SPE-Treiber und Twisted-Pair-Leitung übertragen – ohne TCP/IP oder UDP. Der Vorteil: Die Kernkomponenten der IO-Link Kommunikation, die Implementierungen der Protokoll-Layer und die Funktionalitäten bleiben unverändert. Das heißt: IO-Link bleibt IO-Link. Auch die Integration in überlagerte Systeme ändert sich nicht. Lediglich das Kommunikationsmedium, die Übertragungsphysik wird ausgetauscht.

Die IO-Link Nachrichtenstruktur wird lediglich in einen Ethernet Frame eingebettet. Dies bedeutet, dass für IO-Link eine spezifische Nutzdatenstruktur erforderlich ist, die durch einen ‚EtherType‘ im Ethernet Frame gekennzeichnet ist. Folglich ist für die IO-Link-spezifische Abbildung ein eigener ‚EtherType‘ erforderlich.

In jedem Ethernet-Frame, beziehungsweise in dessen Nutzdaten, ist folglich eine komplette IO-Link Nachricht eingebettet. Dies ist in Bezug auf die Ethernet-Paketlängen völlig unproblematisch, da eine IO-Link-Nachricht meist deutlich kürzer als die minimal mögliche Nutzdatenlänge des Ethernet Frames ist. Zwar werden dadurch mehr Daten übertragen als erforderlich, aufgrund der Übertragungsrate von 10 MBit/s (10Base-T1) ist die resultierende Zykluszeit trotzdem deutlich kürzer als bei Standard-IO-Link. Und über den Header des IO-Link-Protokolls sind zukünftige Erweiterungen jederzeit möglich.

Zentrale Idee hinter IO-Link over-SPE ist, die Methodik, das heißt die bestehende Nachrichtenstruktur von IO-Link, unverändert in einen Ethernet- Frame einzubetten. Diese Vorgehensweise ist gleichzeitig der Schlüssel, für eine einfache Migration auf Single Pair Ethernet sowie die Wiederverwendbarkeit der Implementierungen und Tools.

Unveränderte Struktur, viele zusätzliche Anwendungsszenarien

Der Reiz des Einfachen: Die Kernkomponenten von IO-Link, die Implementierungen der Protokoll-Layer und die Funktionalitäten, bleiben bei IO-Link over SPE unverändert.

Der Reiz des Einfachen: Die Kernkomponenten von IO-Link, die Implementierungen der Protokoll-Layer und die Funktionalitäten, bleiben bei IO-Link over SPE unverändert. IO-Link Konsortium

Wie fügt sich nun ein System IO-Link over SPE in eine bestehende Systemstruktur ein? Erwartungs­gemäß bestehen eigentlich außer dem Ersatz der 3-Leiter Standardverkabelung durch die Twisted-Pair SPE-Verkabelung keine nennenswerten Unterschiede. IO-Link Master mit Ports für Standard IO-Link werden durch IO-Link Master mit SPE Ports ersetzt. Ebenso erhalten IO-Link Geräte SPE-Schnittstellen und werden direkt über Twisted-Pair auch aus dem Master mit Spannung (PoDL) versorgt. Die mögliche Distanz zwischen Master und IO-Link-Gerät steigt beim SPE-System auf weit über 100 m (1.000 m maximal). Weiterhin sind bei IO-Link over SPE auch Hubs vorgesehen, die die binären oder analogen Signale der Endgeräte wie gewohnt sammeln und über IO-Link übertragen – über SPE dann schneller.

Durch die unterschiedlichen physikalischen Verbindungsebenen, liegt die Idee zu Konvertern nahe. Der Anwendungsfall, dass in einem IO-Link-Standard-System ein einzelnes oder wenige Endgeräte weiter als die zulässigen 20 m vom Master entfernt sind, deckt ein Konverter von IO-Link-Standard nach IO-Link SPE ab. Das entsprechende Endgerät besitzt dann ein SPE-Anschluss. Der umgekehrte Fall ist natürlich auch abbildbar: An einem IO-Link-SPE Master soll ein Endgerät angeschlossen werden, das nur mit Standard-IO-Link verfügbar ist. Hier schafft ein Konverter von IO-Link-SPE nach IO-Link-Standard Abhilfe. Der Fall, dass in einem System mit IO-Link-Standard Komponenten ein einzelnes Endgerät in einer Umgebung mit Anforderungen zum Explosionsschutz eingesetzt werden soll, deckt wiederum ein APL-Konverter ab.

Erweiterung mit Potenzial

IO-Link over SPE ist also kein weiteres Ethernet-basiertes Bussystem. Es handelt sich wie bei Standard-IO-Link um eine Punkt-zu-Punkt Verbindung ohne Adressierung. Alle definierten Schnittstellen und Funktionen bleiben erhalten. Die etablierten IO-Link Integrationsstandards wie IODD, OPC UA Companion Standard, JSON Mapping und Feldbusintegrationen können unverändert genutzt werden. Damit ist IO-Link over SPE eine kompatible Erweiterung des IO-Link-Standards mit folgenden Vorteilen:

  • Leitungslänge bis 1.000 m, bis 200 m bei APL
  • IO-Link für eigensichere Anwendungen
  • rund 20-fach schnellere Prozessdatenzyklen
  • Einfache Integration wie bei Standard-IO-Link
  • Deutlich geringere Sicherheitsanforderungen im Vergleich zu TCP-IP

Wird IO-Link over SPE die Standard-IO-Link ablösen? Sicherlich nicht. Stand heute handelt es sich bei IO-Link-over SPE um eine Konzeptstudie, die Möglichkeiten für eine erhöhte Performance in Kombination mit einem deutlich breiteren Anwendungsfokus aufzeigt. Eine SPE-Schnittstelle in einem IO-Link Endgerät verursacht auch auf absehbare Zeit höhere Kosten im Vergleich zum Standard. Daher wird die 3-Leiter, 24 V-basierte IO-Link-Schnittstelle weiterhin für die Vielzahl an kostensensitiven Anwendungen erhalten bleiben. IO-Link over SPE kann als konsequente Erweiterung des IO-Link-Standards angesehen werden, die viele Potenziale für die Zukunft birgt.

Hartmut Lindenthal

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