Wenn es um die schnelle und zuverlässige Übertragung von Steuerungsdaten unter schwierigen industriellen Bedingungen geht, ist Bluetooth oft die passende Funk-Technologie.

Wenn es um die schnelle und zuverlässige Übertragung von Steuerungsdaten unter schwierigen industriellen Bedingungen geht, ist Bluetooth oft die passende Funk-Technologie. (Bild: Phoenix Contact)

Viele Menschen nutzen Bluetooth als einfaches Funksystem zur Überwindung kurzer Distanzen – beispielsweise im eigenen Smartphone. Der Standard bietet allerdings deutlich mehr, und das gerade in industriellen Applikationen mit ihren hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit. Dazu tragen verschiedene Maßnahmen bei, die bereits seit vielen Jahren elementarer Bestandteil der Bluetooth-Technologie sind. So verwendet das Funksystem – als sogenanntes Frequency-Hopping-Verfahren – für jedes Datenpaket einen anderen der 40 (beim klassischen Bluetooth) respektive 79 (bei Bluetooth Low Energy) Funkkanäle, sodass sich Störungen nur minimal auswirken können. Werden einige der Kanäle als nicht nutzbar erkannt, weil sie beispielsweise von anderen Funksystemen belegt sind, lässt die Übertragung sie in Zukunft einfach aus. Auf diese Weise sendet ein Bluetooth-System nach kurzer Zeit lediglich auf den Frequenzen, die in der jeweiligen Umgebung einsetzbar sind – und das ohne Konfigurationsaufwand und Störung weiterer, in diesem Bereich funkender Systeme. Aufgrund von redundanten Datencodierungen lassen sich Übertragungsfehler zudem direkt korrigieren, wobei das Datenpaket nicht erneut verschickt werden muss. Deshalb erweist sich Bluetooth auch für industrielle Anwendungen schon seit geraumer Zeit als gute Wahl.

Ein hartnäckiges Vorurteil gegenüber Bluetooth ist die kurze Reichweite. Diese ist jedoch keinesfalls auf wenige Meter begrenzt, denn reduzierte Sendeleistungen sind häufig dem geringen Energiebedarf in batteriebetriebenen Geräten geschuldet. Mit industriellen Komponenten und der passenden Antennentechnik lassen sich durchaus Funkverbindungen über eine Distanz von mehr als 1000 Meter realisieren. Praktisch eignet sich Bluetooth in indumstriellen Applikationen zur Überbrückung von Reichweiten bis etwa 200 Meter.

Keine Kanalplanung bei globalem Einsatz notwendig

Wissen am Rand

„Bluetooth“ leitet sich vom dänischen König Harald Blauzahn (englisch Harald Bluetooth) ab, der verfeindete Teile von Norwegen und Dänemark vereinte. Das Bluetooth-Symbol ist eine Kombination aus den altnordischen Runen ᚼ und ᛒ, die für Harald Blauzahns Initialen (HB) stehen.

Eine generelle Stärke von Bluetooth liegt in der guten Koexistenz mit anderen Funksystemen. Durch den ständigen schnellen Wechsel zwischen den Funkkanälen erscheint das Bluetooth-System für die weiteren Wireless-Teilnehmer weniger als Funksystem, sondern als Hintergrundrauschen. Erst wenn andere Bluetooth-Systeme die Reihenfolge der verwendeten Funkkanäle kennen, kann überhaupt eine Kommunikation zustande kommen. Daher lassen sich sehr viele Bluetooth-Systeme parallel zueinander betreiben, ohne dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Darüber hinaus: Weder WLAN noch weitere schmalbandige Funksysteme werden von Bluetooth beeinträchtigt oder wirken sich umgekehrt negativ auf das Bluetooth-System aus.

Für Maschinenbauer entpuppt sich als besonders interessant, dass Bluetooth international einsetzbar ist und im Gegensatz zu einem WLAN-System keine Kanalplanung benötigt. Das bedeutet: Eine in Deutschland gebaute Maschine mit Bluetooth-Kommunikation funktioniert überall auf der Welt in gleicher Weise, ohne die Nutzung des Frequenzbands am neuen Aufstellungsort betrachten zu müssen. Angesichts der immer stärkeren Verwendung der Funkkanäle auch im industriellen Umfeld spielt das Thema „Koexistenz von Funksystemen“ eine stetig größere Rolle.

Transparente Übertragung von Ethernet

Bei der Bluetooth-Version 4 handelt es sich um eine grundsät.zlich andere Technologie, die nicht kompatibel zu den Vorgängerversionen ist

Bei der Bluetooth-Version 4 handelt es sich um eine grundsät.zlich andere Technologie, die nicht kompatibel zu den Vorgängerversionen ist Phoenix Contact

Die einzelnen Bluetooth-Standards werden in Form von Zahlen benannt, also 1.2 oder 2.1. Mit jeder neuen Versionsnummer wurden Erweiterungen definiert, die für die verschiedenen Anwendungen mehr oder weniger hilfreich sind. Dabei wird schnell übersehen, dass der Sprung auf die Revision 4 nicht nur mit einigen neuen Funktionen einhergeht. Vielmehr handelt es sich um eine grundsätzlich andere Technologie, die nicht kompatibel zu den Vorgängerversionen ist. Ab der Version 4 erhält Bluetooth den Zusatz „Low Energy“. Zur Unterscheidung wird die vorherige Technik rückblickend als „Classic Bluetooth“ bezeichnet. Classic Bluetooth ist allerdings mehr als Nostalgie: Selbst die aktuellen Bluetooth Low Energy-Versionen erreichen bestenfalls den Datendurchsatz und die Zuverlässigkeit der letzten relevanten Classic Bluetooth-Version 2.1, übertreffen beides jedoch nicht. Deshalb werden Audio- und weitere zeitkritische Übertragungen noch immer mit dem „klassischen“ Bluetooth umgesetzt.

Als entscheidend für die möglichen Anwendungsbereiche erweisen sich die sogenannten Profile. Unter einem Profil ist eine Protokoll-Definition zu verstehen, in der Software-Schnittstellen für bestimmte Applikationen beschrieben werden. Im industriellen Umfeld gibt es zum Beispiel das SPP-Profil (Serial Port Profile), mit dem sich serielle Kommunikation via Bluetooth weiterleiten lässt. Besonders interessant ist das PAN-Profil (Personal Area Network), das die transparente Übertragung von Ethernet ermöglicht. Dabei wird auf der einen Seite ein Datenpaket in das System geschickt und dieses am Ende genauso wieder ausgegeben wird – sozusagen als drahtloses Netzwerkkabel. Abgesehen von der Performance bemerkt der Anwender also gar nicht, welche Infrastruktur dazwischenliegt. Die Technik hat sich seit vielen Jahren bewährt und eignet sich ebenfalls für industrielle Protokolle wie Modbus TCP, Profinet RT oder Profisafe. Für diese Classic Bluetooth-Profile findet sich bislang keine Alternative im Bluetooth Low Energy-Standard, weshalb sie auch in aktuellen Geräten auf dem Classic Bluetooth-Standard 2.1 basieren.

Gezielte Abfrage von Sensordaten per GATT-Profil

Mit dem GATT-Profil lassen sich Sensordaten abfragen.

Mit dem GATT-Profil lassen sich Sensordaten abfragen. Phoenix Contact

Als wirklich neues Feauture bietet Bluetooth Low Energy seit 2010 das Generic Attribute-Profil (GATT). Ein GATT-Server stellt Daten in einer Art Datenbankstruktur bereit, die ein GATT-Client abfragen oder sich bei einer Änderung zuschicken lassen kann. Das klingt komplizierter als es ist: Als GATT-Server dient beispielsweise ein Sensor, der Werte wie Temperatur, Druck oder Vibrationen erfasst. Messergebnisse des Sensors und die Art und Weise, wie mit diesem Wert umzugehen ist, werden in seiner Datenstruktur abgelegt. Der GATT-Client – etwa eine Smartphone-App – kann sich so mit dem Sensor verbinden und gezielt den Druckwert aus dessen Datenstruktur abrufen (Read-Funktion). Alternativ ist es möglich, dass sich die App jede Änderung aktiv vom Sensor zusenden lässt (Notification-Funktion). Im Gegenzug können Aktoren ebenfalls als GATT-Server angekoppelt und von einer Applikation beschrieben werden (Write-Funktion). Zum Beispiel erlaubt das ein Ein- und Ausschalten einer Warnleuchte oder Öffnen eines Schlosses – je nachdem, welche Funktionen das Endgerät physikalisch sowie in der GATT-Datenstruktur anbietet.

An dieser Stelle kommt der Low Energy-Aspekt zum Tragen. Häufig müssen Sensoren autark arbeiten. Dort, wo der Druck oder die Temperatur aufgenommen werden soll, steht meist keine Spannungsversorgung zur Verfügung. Daher wird der Sensor von einer Batterie gespeist. Die Datenübertragung per Funk ist deswegen für den Energieverbrauch des Sensors und damit dessen Einsatzdauer von entscheidender Bedeutung. Genau auf diesen Aspekt – geringer Energiebedarf – wurde Bluetooth Low Energy optimiert. So lassen sich Sensoren herstellen, die über Jahre oder bis zur nächsten turnusmäßigen Wartung autonom betrieben werden können.

Weitere Einsatzbereiche durch neue Funktionen bei Bluetooth Mesh

Der Bluetooth-Standard wird kontinuierlich weiterentwickelt und um neue Möglichkeiten ergänzt. Als besonders interessant erwies sich 2017 die Einführung von Bluetooth Mesh: Bei dieser Technologie fungiert jedes Gerät für sämtliche anderen Geräte als Relaisstation, sodass sich deren Funkreichweite vergrößert. Daraus ergibt sich vor allem bei nachträglichen Installationen in der Gebäudeautomation ein großer Vorteil.

Ein weiteres Thema stellt die Positionserkennung dar. Mit dem Standard 5.1 wurde die Entfernungsmessung auf Basis der Signalstärke um die Erkennung der Richtung erweitert. Der Winkel zwischen Sendern und einem Empfänger lässt sich über kleinste Antennenarrays bestimmen. Auf diese Weise können Indoor-Navigationssysteme oder das Auffinden von Gegenständen erheblich präziser realisiert werden. Erste industrielle Chipsätze mit den neuen Funktionen sind bereits auf dem Markt erhältlich.

Bluetooth als zentrales Element von Industrie 4.0 und IIoT

Die industriellen Nutzungsmöglichkeiten von Bluetooth werden oft unterschätzt. In der Technologie ist bereits der Grundstein für effiziente und zuverlässige Funkverbindungen gelegt. Die Bedeutung der guten Koexistenz-Eigenschaften spielt bei der immer intensiveren Verwendung von industriellen Funksystemen zunehmend eine Rolle. Mit dem GATT-Profil ist der Bluetooth Low Energy-Standard heute wie auch in absehbarer Zukunft die erste Wahl für die drahtlose Anbindung von Sensoren und einfachen Aktoren und bildet somit ein zentrales Element von Industrie 4.0 und dem Industrial Internet of Things (IIoT). Schließlich zeigen die fortlaufenden Weiterentwicklungen und die hohe Verbreitung, dass der Bluetooth-Standard noch vieles beabsichtigt. Es lohnt sich daher auf jeden Fall, diese Technologie für Industrieanwendungen im Blick zu behalten.

Kompaktes Funkmodul auf Basis von Bluetooth 5

Der FL BLE 1300 leitet die Sensordaten an die PLCnext-Steuerung (rechts unten) weiter.

Der FL BLE 1300 leitet die Sensordaten an die PLCnext-Steuerung (rechts unten) weiter. Phoenix Contact

Seit 2006 bietet Phoenix Contact industrielle Funkprodukte auf der Grundlage von Bluetooth an. Die aktuelle Produktfamilie FL EPA 2 ermöglicht beispielsweise die transparente Übertragung von Ethernet-basierten Protokollen wie Profinet RT, Profisafe oder Modbus TCP. So lässt sich die Kommunikation zu beweglichen, auf Maschinen, Kranen oder Fahrzeugen installierten Teilnehmern einfach und verschleißfrei realisieren.

Derzeit wird das Produktportfolio um ein kompaktes Funkmodul erweitert, das Bluetooth 5 unterstützt. Auf diese Weise lassen sich Sensoren und andere Geräte im Bluetooth Low Energy-Standard per GATT-Profil mit Steuerungen und weiteren Netzwerkteilnehmern verbinden. Das neue Gerät FL BLE 1300 verfügt über ein industrielles Gehäuse in Schutzart IP65, eine integrierte Antenne sowie ein High-Power-Funkmodul zur zuverlässigen Ankopplung von industriellen IoT-Komponenten.

Roland Liebelt

Poduktmanager für Wireless Ethernet, Phoenix Contact Electronics

(ml)

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