Wearable/Smartwatch mit Smartphone und App

Bild 1: Smartwatches sind nur eine von vielen Arten von Gesundheits-Wearables, die aussagekräftige Erkenntnisse aus der kontinuierlichen Echtzeitüberwachung verschiedener Gesundheitsparameter liefern. (Bild: Andrey Popov/Shutterstock)

Das traditionelle, zentralisierte Modell der Gesundheitsversorgung hat sich nicht allzu sehr verändert: Wenn jemand krank wird, geht er zum Arzt, kehrt nach Hause zurück, um sich zu erholen, und wiederholt den Zyklus, wenn die Symptome zurückkehren. Angesichts der explodierenden Gesundheitskosten und anderer Faktoren wie wachsender und alternder Bevölkerung erscheint dieses Modell nicht nachhaltig. Laut dem Bericht „2019 Global Health Care Outlook“ der Analysten von Deloitte werden die Ausgaben für das weltweite Gesundheitswesen bis 2022 voraussichtlich über 10 Billionen US-Dollar betragen. Neue Technologien, insbesondere Gesundheits-Wearables, sind darauf ausgelegt, die Versorgung zu verbessern und die Kosten zu senken.

Eckdaten

Im Moment geben uns Gesundheits-Wearables wertvolle Erkenntnisse, die uns helfen, unser Wohlbefinden zu fördern. In Zukunft könnten diese Technologien eine größere Rolle bei der Verbesserung der Gesundheit von mehr Menschen spielen, gleichzeitig die Gesundheitskosten senken und somit das heutige Gesundheitsmodell grundlegend verändern. Basis solcher Wearables bilden Sensoren und Analog-Frontends.

Laut dem Marktforschungsunternehmen Tractica wird der weltweite Absatz von Gesundheits-Wearables bis 2021 auf fast 98 Millionen Stück jährlich ansteigen. Ob Pflaster, Armbänder, Uhren oder sogar Schmuck – Geräte, die Vitalparameter kontinuierlich überwachen, können Patienten mit Warnungen unterstützen und ihnen dadurch helfen, chronische Krankheiten besser zu bewältigen oder bisher unentdeckte Erkrankungen zu erkennen.

Für Menschen mit eingeschränktem Zugang zur Gesundheitsversorgung, wie etwa in ländlichen Gebieten, kann ein Wearable in Verbindung mit einem Telemedizinsystem Ärzten bei der Fernüberwachung und -versorgung helfen. Durch die mögliche Verbesserung der Behandlungsergebnisse können diese Technologien ein gesünderes Leben ermöglichen und die Gesundheitskosten senken. Der Deloitte-Bericht stellt fest: „Digitale Technologien unterstützen die Bemühungen der Gesundheitssysteme beim Übergang zu neuen Modellen der patientenorientierten Versorgung und zu Ansätzen der ‚intelligenten Gesundheit‘. Damit sollen Innovationen vorangetrieben, der Zugang erleichtert, die Qualität verbessert und Kosten gesenkt werden. Digitale Lösungen haben auch das Potenzial, eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten in Forschung und Innovation zu ermöglichen mit dem Ziel, eine personalisierte Gesundheitsversorgung und bessere Gesundheitsmaßnahmen zu unterstützen sowie Gesundheits- und Wellnessdienste zu verbessern.“

Wo werden Wearables Wellen schlagen?

Wearable/Smartwatch mit Smartphone und App

Bild 1: Smartwatches sind nur eine von vielen Arten von Gesundheits-Wearables, die aussagekräftige Erkenntnisse aus der kontinuierlichen Echtzeitüberwachung verschiedener Gesundheitsparameter liefern. Andrey Popov/Shutterstock

Ein Beispiel für einen Anwendungsfall, bei dem ein Wearable einen großen Einfluss ausüben kann, ist Vorhofflimmern oder AFib (englisch von atrial fibrillation). AFib ist ein unregelmäßiger Herzschlag, der zu Blutgerinnseln, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und anderen herz-bezogenen Komplikationen führen kann. Eine der jüngsten Studien über das Krankheitsbild schätzt, dass 2010 weltweit 33,5 Millionen Menschen AFib hatten. Allerdings zeigen viele Betroffene keine Symptome, sodass ein Screening entscheidend ist, damit diese Personen die notwendigen Informationen und Behandlungen erhalten. Die Art und Weise, wie das Screening durchgeführt wird, ist von großer Bedeutung. Ein einmal im Jahr durchgeführtes Screening während einer alljährlichen Untersuchung kann möglicherweise keine Unregelmäßigkeiten aufdecken, da die erkennbaren Anzeichen unter Umständen nur sporadisch auftreten. Eine kontinuierliche Überwachung bietet einen besseren Ausgangspunkt.

In einer Studie an mehr als 5200 Menschen in den USA mit Risikofaktoren für AFib trug ein Drittel ein Überwachungspflaster, um Elektrokardiogramm-Daten (EKG) für bis zu zwei Wochen zu sammeln. Die anderen zwei Drittel waren die Vergleichsgruppe, die die übliche Betreuung erhielt, typischerweise mit Routinebesuchen bei ihrem Arzt. Am Ende der einjährigen Studie diagnostizierten die Mediziner AFib bei 109 Personen, die ein Pflaster trugen, verglichen mit 81 Personen in der Gruppe, bei denen die Überwachung nicht kontinuierlich erfolgte.

Diabetes

Bereits heute können Ärzte Herzüberwachungspflaster verschreiben. Ein weiterer Bereich an der Schwelle zur Veränderung ist das Diabetes-Management in Form von kontinuierlicher Blutzuckermessung (Continuous Glucose Monitoring, CGM). Es gibt eine Vielzahl von Lösungen, die bereits im Einsatz sind oder sich in der Entwicklung befinden. Bestehende CGM-Lösungen kommen in Form eines am Körper getragenen Pflasters mit einer Mikronadel. Diese dringt unter die Haut ein, um die Glukosekonzentration in der Gewebsflüssigkeit zu messen. Die Messwerte speichert das Pflaster dann entweder auf dem Gerät und liest sie über NFC aus oder überträgt sie per Bluetooth an ein Smartphone oder eine Smartwatch. Der Einsatz einer CGM-Lösung kann das Leben von Typ-1-Diabetikern verändern, da sie mehr Kontrolle über ihren Gesundheitszustand erhalten und ihren Blutzuckerspiegel besser überwachen und kontrollieren können.

CGM-Lösungen können nun auch Typ-2-Diabetikern nutzen, um ihr Management der Erkrankung zu verbessern und sie von den zahllosen Fingertests im Laufe des Tages zu befreien. Möglicherweise werden diese Geräte in nicht allzu ferner Zukunft in Apotheken erhältlich sein. Diese hohe Verfügbarkeit eröffnet neue Anwendungsfälle wie die Ernährungsüberwachung. Viele Forscher und Entwicklungsteams arbeiten an neuen Technologien, um nicht-invasive Lösungen zu ermöglichen, die die heute verwendeten minimal-invasiven Pflasterlösungen ersetzen. Ein Beispiel dafür ist die University of Bath in Großbritannien, wo Forscher ein Pflaster entwickeln, das den Blutzuckerspiegel mit einer Reihe von Miniatursensoren misst und überwacht. Dabei werden über mehrere Stunden alle 10 bis 15 Minuten Blutzuckerwerte und Glukose aus der Flüssigkeit zwischen den Zellen über die Haarfollikel entnommen. Die Forscher haben einen Proof of Concept, aber ihre Technologie muss noch klinische Studien und mehr durchlaufen, bevor sie für die Praxis bereit ist.

Epilepsie

Epilepsie ist eine weitere Erkrankung, bei der eine kontinuierliche Überwachung die gefährlichsten Arten von Anfällen erkennen und die Pflegekräfte alarmieren kann. Anfang 2018 genehmigte die U.S. Food and Drug Administration die Embrace-Smartwatch von Empatica aus Cambridge, Massachusetts, für den neurologischen Einsatz. Embrace verwendet Sensoren und Machine-Learning-Technologie, um die elektrodermale Aktivität zu messen und zu erkennen, wenn der Träger einen Grand-Mal-Anfall erleidet. In diesem Fall versendet das System Text- oder E-Mail-Benachrichtigungen an festgelegte Betreuer. In einer klinischen Studie mit mehreren Standorten erkannte die Embrace-Watch 100 Prozent der Anfälle der teilnehmenden Patienten.

Gesundheitsdaten auf Tablet

Bild 2: Elektronische Gesundheitsakten sind Teil der Digitalisierungswelle, die das Gesundheitswesen verändert. metamorworks/Shutterstock

Dies sind nur einige Beispiele für Innovationen im Bereich der Gesundheits-Wearables, die jetzt auf dem Markt oder in der Entwicklung sind. Mit ihnen lassen sich mehr aussagekräftige Daten in die Hände von Patienten und Gesundheitsdienstleistern legen. Verschiedene Länder auf der ganzen Welt ergreifen Maßnahmen zur Förderung der Innovation im Bereich der digitalen Gesundheitstechnologie. Die USA sind der größte Markt für Gesundheits-Wearables und die FDA fördert digitale Innovationen im Gesundheitswesen durch ihren Aktionsplan Digital Health Innovation. Im Jahr 2017 kündigte die FDA im Rahmen dieses Aktionsplans ein Pilotprogramm zur Vorzertifizierung digitaler Gesundheitssoftware an, das Softwareentwickler oder Entwickler digitaler Gesundheitstechnologien bewertet, anstatt den Schwerpunkt auf das Produkt selbst zu legen. In diesem Programm beurteilt die FDA Systeme für Softwaredesign, -validierung und -wartung und zertifiziert Unternehmen vorab, wenn sie feststellen, dass die Lösungen die festgelegten Qualitätsstandards einhalten.

Der europäische Markt für Gesundheits-Wearables war bisher langsamer als in den USA. Jedoch gibt es Hinweise, dass er bald aufholen könnte. In der Europäischen Union läuft ein Projekt namens Sendoc, das den Einsatz von tragbaren Sensoren in alternden Bevölkerungsgruppen in abgelegenen Gebieten untersucht. Insbesondere messen die Sensoren Mobilität, Kraft und Gleichgewicht, um das selbstständige Leben im ländlichen Raum zu unterstützen. Im asiatisch-pazifischen Raum wird der Markt für Wearable-Medizinprodukte laut Market Research Future bis 2023 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 15,94% aufweisen. Die Forscher stellen jedoch fest, dass die Gerätekosten dort eine Hemmschwelle für das Marktwachstum darstellen könnten.

Winzige, stromsparende ICs erwecken Wearables zum Leben

Die Akzeptanz von Neuem wird unter anderem durch die Benutzerfreundlichkeit bestimmt. Was ist nötig, um die Überprüfung der Vitalparameter so einfach wie die Abrufung des täglichen Wetterberichts zu machen? Ein ideales medizinisches Wearable:

  • ist bequem und unauffällig,
  • läuft lange Zeit bevor es aufgeladen werden muss,
  • bietet eine einfache Benutzeroberfläche oder lädt die erfassten Daten automatisch in die Cloud hoch, damit Anwender über eine Smartphone-App darauf zugreifen können,
  • liefert genaue Informationen, ohne dass der Nutzer etwas Besonderes tun muss.

Basierend auf diesen Kriterien muss die zugrundeliegende Technologie in diesen Geräten winzig klein sein, mit geringer Leistungsaufnahme und geringer Wärmeabgabe arbeiten. Ein hoher Integrationsgrad kommt den Anforderungen bezüglich den Platzbeschränkungen nach. Zusätzlich müssen die Biosensoren sehr präzise sein. Halbleiterhersteller spielen eine wichtige Rolle dabei, Gesundheits-Wearables zum Leben zu erwecken, indem sie ICs entwickeln, die diese Kriterien erfüllen. Winzige, stromsparende Mikrocontroller bieten Rechenleistung, effiziente und kompakte Power-Management-ICs regeln den Spannungspegel und Ladezustandsanzeige-ICs tragen zum Erhalt der Batterie bei. Analoge Frontends (AFEs) liefern EKG-Wellenformen, während die Ultraschalltechnik eine wichtige Rolle in Bildgebungssystemen spielt. Sensoren können Photoplethysmographie-Signale (PPG) erfassen, die Körpertemperatur und andere Vitalfunktionen überwachen. Mittlerweile gibt es sogar Biosensormodule für Wearables, die die Erfassung mehrerer Parameter integrieren, wie beispielsweise die synchronisierte PPG- und EKG-Überwachung.

Für ein schnelleres Prototyping von Designs für Gesundheits-Wearables können Entwickler auf Entwicklungsplattformen zurückgreifen, in die verschiedene Komponenten integriert sind. Maxim hat zum Beispiel seine Health-Sensor-Platform 2.0 vorgestellt, die erste am Handgelenk getragene, extrem stromsparende Plattform zur Überwachung von EKG, Herzfrequenz und Temperatur. Die Plattform besteht aus einem PPG-AFE-Sensor, einem Biopotential-AFE, einem Körpertemperatursensor, einem Mikrocontroller für Wearables- und IoT-Anwendungen, einem Power-Management-IC für Wearables und einem biometrischen Sensor-Hub mit integriertem Herzfrequenz-Algorithmus. Die Plattform ist offen, sodass Entwickler sie zur Evaluierung ihrer eigenen Algorithmen nutzen können. Bis zu sechs Monate Entwicklungszeit lassen sich so einsparen.

Fazit

Damit Wearables das Gesundheitswesen wirklich revolutionieren können, müssen Veränderungen in den Infrastrukturen und Arbeitsabläufen der Krankenhäuser stattfinden, um eine Massenakzeptanz zu unterstützen. Die von Wearables gesammelten Daten können Anwender in die Cloud hochladen und an Gesundheitsdienstleister weitergeben, sodass diese ihre Patienten aus der Ferne überwachen können. Aber diese Anbieter müssen über die Mittel verfügen, um die Daten zeitnah auszuwerten und auch sicher zu halten. Durch die zunehmend ausgereifteren KI-Algorithmen wird es irgendwann möglich sein, dass diese Algorithmen identifizieren können, welche Daten die Gesundheitsdienstleister genauer überprüfen müssen. Vielleicht gibt es sogar eine Zeit, in der sich KI zur Diagnose von Krankheiten verwenden lässt.

Andrew Baker

Managing Director, Industrial and Healthcare Business Unit, bei Maxim Integrated

(prm)

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