Neues PDC von Digi-Key

Bild 1: Im neuen, derzeit im Aufbau befindlichen Versandgebäude (PDC) ist auch in der dritten Dimension sehr viel mehr Platz vorhanden... (Bild: Digi-Key)

Um zu verstehen, was für ein gigantisches Bauprojekt Digi-Key derzeit mit einem Investitionsvolumen von 400 Millionen US-Dollar in der amerikanischen Provinz des Mittleren Westens durchzieht, sollte man einen Blick auf die Fakten werfen, denn mit einer Grundfläche von über 200.000 Quadratmetern ist das im Rohbau fertigestellte PDC (Product Distribution Center, Produkt-Distributionszentrum) etwa so groß wie gut 38 amerikanische Football-Felder oder wie ungefähr 25 europäische Fußballfelder. Schon das bereits vorhandene Gebäude, das Hartz Building, ist riesig, aber ab Juni 2021 sollen dann aus einer Fläche von in Summe gut 270.000 Quadratmetern heraus die Pakete mit den elektronischen Komponenten in alle Welt gehen und wie gewohnt binnen 48 Stunden an der Zieladresse in Europa und fast allen Teilen der Welt ankommen. Mehr über das Herzstück des Hartz Building, das über 6 km lange, „Crossbelt“ genannte Transportband, können Sie im Fachartikel „Wie ein Distributor eine Kleinstadt im Mittleren Westen prägt“ nachlesen.

Eck-Daten

  • Das neue Product Distribution Center (PDC, Produkt-Distributionszentrum) wird gut viermal so groß wie das aktuelle, bereits wirklich große PDC sein.
  • Im Sommer nächsten Jahres soll das neue PDC den Betrieb aufnehmen.
  • Eine virtuelle Freihandelszone auf dem Digi-Key-Gelände nimmt derzeit gerade den Betrieb auf.
  • Trotz klirrend kalten Wintern klappt die Logistik.

Im neuen Gebäude sind allerdings nach Angaben von Dave Doherty, President und COO von Digi-Key, sogar 40 km Transportband verbaut. Da ist es kein Wunder, dass die Bauarbeiter kurz vor dem Wintereinbruch im kleinen Ort Thief River Falls, der etwa 1,5 Autostunden südlich der kanadischen Grenze im US-Bundesstaat Minnesota liegt, alles gaben, um „eines der größten derzeit laufenden Bauprojekte der USA“ (Originalton Dave Doherty) winterfest zu machen.

Große Pläne am Standort Thief River Falls

Neues PDC von Digi-Key

Bild 1: Im neuen, derzeit im Aufbau befindlichen Versandgebäude (PDC) ist auch in der dritten Dimension sehr viel mehr Platz vorhanden... Digi-Key

Bei Digi-Key steht massives Wachstum auf der Agenda, und im Vorfeld hat Dave Doherty mit seinem Team auch ernsthaft darüber nachgedacht, mit dem Unternehmen eventuell in eine weniger entlegene Gegend umzuziehen, aber „den Versandkomplex in eine andere Region zu verschieben, wäre wie eine Herztransplantation“, betont Dave Doherty: „Unsere Werte, unsere Gene sind einfach eine Art Mid-West, und daher haben wir beschlossen, in dieser Gegend zu bleiben… Wir haben den Nachteil, in dieser Region angesiedelt zu sein, in einen Vorteil verwandelt.“

Förderband PDC 1.

Bild 2: ...als im hier sichtbaren, aktuell genutzten PDC, durch das quasi als zentrale Ader und Herzstück ein 6 km langes Förderband läuft. Alfred Vollmer

Rechtzeitig vor Beginn des Winters waren die Rohbauarbeiten abgeschlossen, und als ausgewählte Journalisten Mitte November Digi-Key in Thief River Falls besuchten, waren im Innern bereits einige Teile des Hochregal-Palettenlagers (Bild 1) und anderer Anlagen installiert. Der Rundgang durch die neuen Lager- und Distributionshallen, in denen beispielsweise gerade über 50.000 Sprinkler-Köpfe mit autarker Wasserversorgung und eigenem Wassertank installiert werden, war selbst für die Journalisten noch sehr beeindruckend und herausragend, die des öfteren sehr große Gebäude und Logistikzentren besichtigen.

The People

Dave Doherty

Bild 3: Dave Doherty: „Wir haben den Nachteil, in dieser Region angesiedelt zu sein, in einen Vorteil verwandelt.“ Alfred Vollmer

Sehr sachlich aber dennoch mit einem gewissen Stolz im Unterton spricht Dave Doherty über die Belegschaft von Digi-Key: „Die Menschen hier machen den Unterschied“, lautet sein Fazit. Natürlich ziehen auch junge, gut ausgebildete Leute aus den Orten des Mittleren Westens in die Städte, aber „wenn die Leute eine Familie gründen, dann gehen sie oft gerne zurück aufs Land und stellen fest, dass die Gegend, in der sie aufwuchsen, gar nicht so schlecht ist“. Zwar müssten die Bewohner die „Great Outdoors“, also die Natur, sowie die kalten Winter lieben, aber Digi-Key gehe auch flexibel mit dem Personal um. Wer beispielsweise weiter weg wohne, könne bei einem Blizzard seine Schicht ändern, und die direkt vor Ort ansässigen Mitarbeiter würden die Pendler auch entsprechend unterstützen, um so den Betrieb auch bei unwirschem Wetter  aufrecht zu erhalten.

Wegweiser

Bild 4: Digi-Key liefert vom Standort Thief River Falls in Minnesota/USA aus in die gesamte Welt, was dieser „Wegweiser“ im Büro des Distributors auch unterstreicht. Alfred Vollmer

Dave Doherty spricht nicht von „Digi-Key Family“, aber dennoch drängt sich genau dieser Begriff selbst (oder gerade?) einem USA-erfahrenen Besucher förmlich auf, denn hier scheint ein besonderer Teamgeist zu herrschen, weil die Mitarbeiter offensichtlich stärker an einem Strang ziehen, als man es sonst so wahrnimmt. Das ist wohl der Grund dafür, dass es auf dem Gelände gleich mehrere Digi-Key Stores gibt, in denen von der Kleidung (oft der Marke „Under Armour“) über Plüschtiere, Kaffeebecher, Bierkühler und Kugelschreiber bis zur Taschenlampe viele verschiedene Produkte mit Digi-Key-Logo erhältlich sind, denn die Mitarbeiter haben eine hohe Identifikation mit ihrem Unternehmen. Allerdings ist der Distributor mit 3500 Angestellten in der nicht einmal 9000 Einwohner großen Gemeinde Thief River Falls auch der bei weitem größte Arbeitgeber, und diverse Mitarbeiter arbeiten schon 20, 30 oder gar 40 Jahre für das Unternehmen.

Randall Restle

Bild 5: Randall Restle: „Mit unserem DK+ genannten Projekt werden wir ein noch breiteres technisches Ökosystem anbieten.“ Alfred Vollmer

Zudem bietet Digi-Key seinen Angestellten für US-Verhältnisse „ein verrückt gutes Gesundheitspaket“, so Dave Doherty, zu dem auch eine entsprechende Krankenversicherung gehört, was in den USA vor allem für die nicht in den oberen Gehaltsklassen angesiedelten Menschen alles andere als selbstverständlich ist. Darüber hinaus befindet sich auf dem Firmengelände ein „Health & Wellness Center“, das sich um die medizinische Basisversorgung kümmert. Wenn Dave Doherty die Worte „Wir wollen, dass die Leute hier eine lange Zeit bleiben, wir wollen, dass sie hier ansässig werden“ in den Mund nimmt, dann merkt man, dass er damit keine leere Marketing-Parole sondern einen Kernwert des Unternehmens in Worte fasst.

Mit diversen Veranstaltungen von der Blutspendeaktion über Computerwettbewerbe, Sommerfeste, Schülerchor-Wettbewerbe etc. bis zur Holiday Meal genannten Weihnachtsfeier unterstützt Digi-Key nicht nur betriebsinterne Events sondern auch diverse Gemeindeveranstaltungen.

Engagement zahlt sich aus

Digi-Key-Gründer Ronald Stordahl (links).

Bild 6: Digi-Key-Gründer Ronald Stordahl (links) trifft sich immer wieder zum lockeren Austausch mit dem aktuellen Digi-Key-President Dave Doherty (rechts) – hier bei einem Eishockey-Spiel der Lokal­mannschaft „Norskies“. Alfred Vollmer

Als vor etwa fünf Jahren das Auftragsvolumen stark anstieg, ordnete Digi-Key Überstunden an, und selbst Mitarbeiter aus anderen Abteilungen wie zum Beispiel der IT meldeten sich freiwillig, um gegen entsprechendes Entgelt im PDC Bestellungen versandfertig zu machen. „Dabei entdeckten sie viel Optimierungspotenzial und erarbeiteten in Eigenregie ganz besondere Lösungen“, berichtet Dave Doherty.

Neue Logistik-Konzepte

Digi-Key-Fabrik im Jahr 1972.

Bild 7: 1972 zog Digi-Key aus einer Garage in dieses Gebäude, und... Alfred Vollmer

Da das Unternehmen konjunktur-unabhängig „jedes Jahr in seiner Geschichte mehr Pakete verschickt hat als im Vorjahr“ (Dave Doherty) stehen die Aussichten gut, dass es so weiter gehen wird. Digi-Key hat sich gegenüber dem Staat Minnesota sogar verpflichtet, jedes Jahr um mindestens 100 Mitarbeiter zu wachsen. Parallel dazu investiert der Distributor massiv in die Automatisierung, bietet seinen Mitarbeitern aber gleichzeitig Schulungen für „neue Jobs an, wo sie ihr Gehirn stärker einsetzen müssen“.

Digi-Key-Fabrik im Jahr 2021.

Bild 8: 2021 wird das riesige Gebäude im linken Teil des Bildes in Betrieb gehen, während derzeit der Bauteile-Versand aus dem im rechten Bildteil sichtbaren Gebäude erfolgt. Alfred Vollmer

Mit dem Erscheinen dieses Beitrags wird Digi-Key wohl bereits über ein virtuelles Freihandelslager verfügen, bei dem die Bauteile erst dann zolltechnisch in die USA importiert werden, wenn sie an Empfänger in den USA ausgeliefert werden. Wenn Ware jedoch beispielsweise aus China geliefert wurde und nach Deutschland verschickt wird, ist sie aus Sicht der CBP (Customs and Border Patrol) gar nicht erst in die USA importiert worden, was gerade in Anbetracht der durch die Trump-Administration verordneten Strafzölle eine immense Erleichterung darstellt. Hierzu muss natürlich die volle Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein, aber „da wir schon lange an MIL- und Automotive-Kunden liefern, haben wir die Traceability bereits in unserer Logistik implementiert“, betont Dave Doherty. Die Software dafür sei allerdings „fast genau so teuer wie die Logistik-Hardware“.

DK+ und Suche 2.0

Randall Restle, der als Vice President of Applications Engineering bei Digi-Key für die Applikationsingenieure und Techniker sowie die technische Strategie zuständig ist, hebt hervor, dass Digi-Key schon jetzt mit 9,4 Millionen Produkten (davon zwei Millionen direkt auf Lager) von über 800 Unternehmen „die weltweit größte Bauelemente-Auswahl“ liefert. „Mit unserem DK+ genannten Projekt werden wir ein noch breiteres technisches Ökosystem anbieten.“ Dazu gehörten nicht nur zusätzliche lehrreiche Hintergrundinfos und neue Produkt-Konfiguratoren für Antennen, Kabel und mehr, sondern auch eine „personalisierte Website-Erfahrung“, Sprach- und Bildersuche sowie eine Erweiterung des Produktspektrums unter anderem auf IoT-Lösungen und Produkte der Automatisierung. Sein Motto: „You can have hardware, software everywhere.“ – und zwar direkt aus Thief River Falls.

Dem Winter trotzen

iPhone-Screenshot Wetterbericht Thief River Falls

Bild 9: Dieser iPhone-Screenshot stammt vom 30.1.2019 und zeigt selbst für Thief River Falls extreme Temperaturen. Alfred Vollmer

Der nördliche mittlere Westen der USA – genau da liegt Thief River Falls/Minnesota – ist bekannt für sein kontinentales Klima und die daraus resultierenden klirrend kalten Winter. Der rechts sichtbare iPhone-Screenshot stammt vom 30.1.2019 und zeigt selbst für Thief River Falls extreme Temperaturen, zumal ja noch die zusätzliche Auskühlung durch den Wind Chill hinzukommt, was vor einem Jahr zu einer gefühlten Temperatur von unter -60 °C führte. Binnen zwei Tagen mussten Digi-Key-Mitarbeiter damals auf dem Gelände über 400 Fahrzeugen Starthilfe geben.

Wintereinbruch bei Digi-Key in Thief River Falls.

Bild 10: Ende November 2019, beim Besuch unserer Redaktion in Thief River Falls, setzte bei „milden“ Temperaturen von unter -10 °C der erste Schnee ein. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Monaten noch folgen könnte. Alfred Vollmer

Selbst bei derart unwirtlichen Randbedingungen gelang es Digi-Key nach Angaben ihres Presidents Dave Doherty, alle Pakete termingerecht auszuliefern. Doherty betont allerdings, dass dies nur durch die hohe Flexiblität der Mitarbeiter möglich wurde, denn bei derart tiefen Temperaturen lassen sich 100 km Pendelstrecke mit dem Auto nicht mehr verlässlich als Tagestrip realisieren – und 60 Meilen (100 km, 70 Minuten) Weg zur Arbeit sind in dieser Region durchaus normal. Als die Redaktion Mitte November 2019 in Thief River Falls war, setzte gerade der erste Schnee ein (siehe Foto), aber es war nicht einmal -10 °C kalt.

 

 

Dipl.-Ing. Alfred Vollmer

(Bild: Alfred Vollmer)
Chefredakteur elektronik industrie

(av)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Digi-Key Corporation

701 Brooks Avenue South
56701 Thief River Falls , MN
United States