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Ein Smart-City-Szenario, basierend auf IoT-Sensoren und dem Funkstandard LoRa, soll helfen, das Management der Glas­abfälle in Heidelberg zu verbessern. (Bild: Pepperl+Fuchs)

Wir müssen dahin kommen, dass die digitale Infrastruktur ein Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge wird – genau wie bei Strom, Gas oder Wasser“, formuliert Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Eckart Würzner die Zielsetzung. Um die Entwicklung zu dieser, vom Konzept eines „Internet of Things“ inspirierten, „Smart City“ zu forcieren, schuf die Stadt Heidelberg 2017 mit der Digital-Agentur Heidelberg sogar eine eigene Institution. Sie treibt im aktiven Austausch mit ­Partnern aus Forschung und Wirtschaft diverse Projekte im Heidelberger Stadt­gebiet voran.

Smart-Waste-Management

Zur Identifizierung, Analyse und Bewertung erster konkreter Anwendungen arbeitete die Digital-Agentur mit den Experten der SAP Digital Business Services zusammen. Im Ergebnis entschied sich die junge Agentur für ein Pilotprojekt zur Digitalisierung eines Bereichs der Abfallentsorgung. „Uns stehen sehr zukunftsorientierte Dienstleister zur Seite, die das Gedankenspiel direkt mitgegangen sind. Wenn es uns gelingen würde, Daten wie den Füllstand aus dem Inneren von Entsorgungsbehältern zu gewinnen und zu interpretieren, könnten die Fahrtrouten von Entsorgungsfahrzeugen im Heidelberger Stadtgebiet wesentlich effizienter geplant werden“, berichtet Sebastian Warkentin, Geschäftsführer der Digital-Agentur von den anfänglichen Über­legungen.

Ruben Roque, zuständig für das Strategic Business Development, führt die Vorteile eines Smart-Waste-Managements weiter aus: „Effizientere Fahrtrouten bedeuten eingesparte Fahrzeiten bei unseren Entsorgern und weniger Verschleiß an deren Fahrzeugen. Der gesamte Prozess kann wesentlich exakter vorausgeplant werden. Die Stadt Heidelberg und ihre Bürger profitieren von bedarfsorientierter Leerung, reduziertem Lärm, geringeren Abgasemissionen und weniger überfüllten Recyclingbehältern.“

Gebündeltes Know-how aus Baden-Württemberg

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Tradition trifft Moderne: Im Schatten des Heidelberger Schlosses stehen die mit den IoT-Sensoren ausgestatteten Altglasbehälter. SAP

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Global Industry Manager Wolfgang Weber und Produktmanager Till Hoffmeyer von Pepperl+Fuchs erarbeiteten im Zusammenspiel mit den Projektpartnern das Anforderungsprofil für die Sensoriklösung. Pepperl+Fuchs

Die gemeinsame Projektleitung der Digital-Agentur und der SAP Digital Business Services entschied sich bei der Umsetzung dieses Vorhabens für einen in Innovationsprojekten typischen agilen Ansatz. „Kennzeichnend für diese Projektmethode sind Iterationszyklen rund um das Prinzip‚ fail early and fail often‘“, erklärt Pascal Matt, Solution Architect der SAP Digital Business Services.

Auf der Suche nach weiteren für das Projekt benötigten Partnern wurden die Netzwerker der Digital-Agentur direkt in der Heidelberger Nachbarschaft fündig: „Für die Gewinnung von Zustandsdaten aus dem Inneren der Entsorgungsbehälter brauchten wir einen ausgewiesenen Spezialisten für Sensorik und sind mit Pepperl+Fuchs in Mannheim in Kontakt getreten. Diese Sensordaten werden über ein spezielles, neues Sensor-Funknetzwerk der Stadt Heidelberg transferiert. Das Unternehmen Smart City Solutions aus Karlsruhe hat seine Praxiserfahrung bei der Integration solch versorgerspezifischer Anwendungsfälle in das Projekt eingebracht“, schildert Warkentin. Nach der Ausleitung über diesen Kanal werden die Daten schließlich in Softwarelösungen von SAP verarbeitet, interpretiert und den Anwendern aller beteiligten Partner zur Verfügung gestellt.

Leichte Integration durch flexible Sensorik

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Das Herzstück der Lösung ist der Ultraschallsensor UCC*-50GK. Pepperl+Fuchs

Als „Testgelände“ dienen diesem interdisziplinären Team nun Standorte sowohl im innerstädtischen Bereich als auch in den Außenbezirken der Stadt Heidelberg. Viele der dort ansässigen Bürger ahnen noch nicht, dass sie beim routinemäßigen Gang zum Altglasbehälter indirekt bei der Gestaltung des zukünftigen digitalen Heidelberg mitarbeiten. „Die in zehn Altglasbehältern eingesetzte Sensoriklösung bleibt dem Auge von außen völlig verborgen. Und wer nun neugierig wird und auf die Idee kommt, dort mal nach Verkabelung zu schauen, den muss ich leider enttäuschen: Sie arbeitet batteriebetrieben und somit völlig kabellos“, gibt Wolfgang Weber von Pepperl+Fuchs schmunzelnd zu Protokoll. Der Global-Industry-­Manager versteht sich darauf, die Anforderungen bestimmter Branchen und Anwendungen zu erfassen und sie dann gemeinsam mit seinen Kollegen aus Entwicklung und Produktmanagement bei Pepperl+Fuchs in Lösungen umzusetzen.

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Die Kombination aus UCC*-50GK und weiteren Modulen wird zum „IoT-Sensor“, der acht Funktionen bietet, darunter GPS-Daten und Temperaturwerte. Pepperl+Fuchs

Im Falle der Altglascontainer ist deren Herzstück der UCC*-50GK. „Dieser modulare, auf extrem flexible und einfache Integration ausgerichtete Ultraschallsensor wird durch weitere Komponenten flankiert, die passgenau für die Smart-Waste-Management-Anwendung ausgewählt wurden“, erläutert Till Hoffmeyer, Produktmanager im Bereich Ultraschallsensorik bei Pepperl+Fuchs. So ergänzen den UCC*-50GK unter anderem eine Batterieeinheit, ein energiesparsames Funkmodul und ein robustes Gehäuse.

Diese Komplettlösung bezeichnet Pepperl+Fuchs als „IoT-Sensor“. „Der UCC*-50GK ist, im Gegensatz zu üblichen industriellen Sensoren, für den Einsatz im IT-Umfeld optimiert. Die Kollegen von Smart City Solutions aus Karlsruhe bewegen sich bei der Integration des Sensors in die Anwendung innerhalb der ihnen vertrauten Konfigurationsumgebung und können ihre Stärken voll ausspielen, ohne sich zusätzlich mit aufwendiger SPS-Programmierung auseinandersetzen zu müssen“, umreißt Weber den Vorteil für den Kooperationspartner. „Einmal parametrierte Sensoren können anschließend direkt ihre Daten über das Funkmodul in die IoT-Cloud ­senden“, ergänzt Hoffmeyer. Mit LIN Bus, UART und PWM stellten die Entwickler von Pepperl+Fuchs den Kollegen bei Smart City Solutions drei applikationsspezifische Schnittstellen für die Integration der ­Ultraschallsensoren bereit.

In-House-Entwicklung für Smart-City-Anwendung

Neben der Sensorintegration kamen weitere Faktoren zum Tragen, die den Anbieter von Ultraschallsensorik bei der Entwicklung beschäftigten. Schließlich ist das Innere eines Entsorgungsbehälters eine spezielle Umgebung. „Dass unsere Lösung für einen wirklich zuverlässigen Betrieb in dieser Anwendung Schutzart IP66/67 genügen muss, war uns schnell klar.

Zusätzlich haben wir den Wandler des UCC*-50GK mit einer PTFE-Schutzfolie überzogen, wodurch er gegen chemisch aggressive Stoffe resistent ist, die in einem Entsorgungsbehälter entstehen können“, berichtet Hoffmeyer über die neue Lösung aus dem in Amberg angesiedelten Ultraschall-Kompetenzzentrum von Pepperl+ Fuchs. Er lässt sich im Umgebungstemperaturbereich von -25 bis 70 °C einsetzen und eine eingebaute Temperaturkompensation verhindert eine Beeinflussung des Sensors durch Temperaturschwankungen. Zudem verlangt die undefinierbare Mess-umgebung in einem Entsorgungsbehälter dem Sensor eine hohe Flexibilität ab. ­„Diese Herausforderung hat unser Projektleiter Ernst Luber mit seinem Team gemeistert. Der Sensor passt sich durch adaptive Messprofile an die Randbedingungen an, um innerhalb von wenigen Messzyklen einen stabilen Füllstandwert zu gewinnen“, so Hoffmeyer.

Warum Heidelberg auf LoRa setzt, lesen Sie auf Seite 2.

LoRa vernetzt Heidelberg

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Zur Übermittlung der Sensordaten setzt das Projekt auf ein Long Range Wide Area Network (LorRaWAN). LoRa Alliance

Doch die von den Ultraschallsensoren erfassten Füllstände sind nicht die einzigen Informationen, die der IoT-Sensor zur Verfügung stellt. Insgesamt gibt es acht Funktionen, darunter GPS-Daten und Temperaturwerte. Wie all diese Daten zur weiteren Analyse in die Software-Lösungen der SAP gelangen, erklärt Robert Koning, Geschäftsführer von Smart City Solutions: „Wir sind in Heidelberg dabei, ein Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) zu erproben, über das der Datentransfer digitalisierter kommunaler Dienste, wie hier im Pilotprojekt bei der Altglasentsorgung, abgewickelt werden kann.“

Der große Vorteil daran: ­LoRaWAN-Netzwerke sind äußerst energie-effizient und günstig in Einrichtung und Betrieb, wie Koning ausführt: „Mit einem einzigen Gateway oder einer Basisstation können Sie einen enormen Bereich der Stadt abdecken. Damit ist LoRa bestens geeignet für solche IoT-Applikationen im öffentlichen Raum. Die gesendeten Datenmengen sind gering und der Energieaufwand auf Seiten des verbundenen Endgeräts fällt entsprechend niedrig aus.“ Tatsächlich kann ein IoT-Sensor mit der LoRa-WAN-Technologie und dem intelligenten Energiemanagement des UCC*-50GK, bestehend aus Energiesparmodus, Bootloader und Sleep-Mode, jahrelang ohne einen einzigen Batteriewechsel und Wartungstechniker selbstständig auskommen.

Intelligente Altglasabholung mit Cloud-Technologie

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In SAP Connected Goods werden die Füllstände aus Altglasbehältern sichtbar gemacht. SAP

Als Empfänger der Daten aus dem ­LoRaWAN-Netzwerk kommt die Cloud-basierte IoT-Standardlösung SAP Connected Goods zum Einsatz, die hier genau für die Verwendung durch die Entsorgungsdisponenten eingerichtet wird. „Der örtliche Entsorger ist ein langjähriger Kunde von SAP und nutzt bereits ‚SAP Waste and Recycling‘, unsere Branchenlösung für die Entsorgungswirtschaft“, kommentiert Dr. Frank Rambo, Produktmanager für IoT-Lösungen bei der SAP.

Der Blick auf den Bildschirm zeigt dem Anwender eine klar aufbereitete Dashboard-Oberfläche, deren diverse Funktionalitäten Rambo erklärt: „Nach dem Onboarding des Containers sehen wir in SAP Connected Goods den Füllstand der Behälter als Prozentwert dargestellt und über die GPS-Daten die genaue Lokation einzelner Container auf der Karte. Wir können Regeln definieren, nach denen Altglasbehälter als voll erkannt werden und durch Integration in unsere Branchenlösung SAP Waste and Recycling eine zeitnahe Entleerung durch den Entsorgungsdienstleister automatisiert veranlassen. So lassen sich die Fahrtrouten der Fahrzeuge dynamisch nach Bedarf festlegen.“

Des Weiteren ermöglicht SAP Connected Goods, Trends und Spitzenphasen in der Container-Auslastung zu erkennen und zu bewerten, denn einzelne Messungen werden mit Zeitstempeln ­versehen dargestellt. „Wenn beispielsweise ein bestimmter ­Altglascontainer aufgrund eines regelmäßigen Sportereignisses immer an Samstagen übermäßig befüllt wird, bleibt das in SAP Connected Goods nicht verborgen. Die Entsorger sind dann in der Lage, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“, führt Rambo an und geht auch auf das Thema der Zuverlässigkeit eines solchen Systems ein.

„Wir haben hier mit den Partnern ein äußerst belastbares Konstrukt geschaffen. Der IoT-Sensor von Pepperl+Fuchs ist robust ausgelegt und sorgt mit seinen erweiterten Features für mehr Sicherheit im Versorgungsablauf. Ein Brand in einem Container lässt sich zum Beispiel frühzeitig detektieren. Dafür sorgt der integrierte Temperatur­fühler. In SAP Connected Goods können wir dementsprechend Grenz­werte für Temperaturen definieren und automatisierte Alarmmeldungen an hinterlegbare Ansprechpartner absetzen. Zudem ­stellen wir auch Batterielade­zustände dar und zeigen mögliche, durch Verdeckungen des Ultraschallsensors bedingte Abweichungen an.“

Hannover Messe 2019: Pepperl+Fuchs: Halle 9, Stand D76 | SAP: Halle 7; Stand A02

Redaktion amplify

Pepperl+Fuchs

(ml)