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In den letzten Jahren erlebte die europäische Automobilindustrie dramatische Absatzrückgänge. 2014 verspricht Besserung, doch die Lage bleibt weiterhin angespannt. Trotz starker Investitionen in neue Technologien, Funktionen und technische Spielereien können die Hersteller Kunden kaum zwischen den Autokäufen in ihre Verkaufsräume zu locken. Eine durchschnittliche Familie kauft zirka alle vier bis fünf Jahre ein neues Auto. Dazwischen herrscht mehr oder weniger Funkstille. Erst beim nächsten Kauf können die Autobauer wieder mit ihren technischen Neuerungen beeindrucken. In der Zwischenzeit gibt dieselbe Familie Geld für andere Güter und Dienstleistungen aus, um die wechselnden Bedürfnisse des Alltags zu befriedigen.

Das Fahrzeug als Dienstleistung

Bei Embedded-Software, die mithilfe einer Lizenzierung und eines Berechtigungsmanagements gesteuert wird, besteht die Möglichkeit, Fahrzeuge in nahezu unbegrenzt veränderbare und aufrüstbare Services zu verwandeln, die während ihrer Nutzungsdauer fortlaufend Umsätze generieren.

Bleiben wir bei der durchschnittlichen Familie. Die Anforderungen an das Auto ändern sich ständig in der Zeit zwischen zwei Käufen. Ein Fahrzeug ist im Grunde ein Service, eine Dienstleistung. Darüber hinaus haben die einzelnen Fahrer der Familie verschiedene Bedürfnisse, Geschmäcker und Vorlieben. Sie nutzen das Fahrzeug unterschiedlich und schätzen andere Fahrzeugeigenschaften – je nach Situation oder Stimmung, in der sie sich gerade befinden. Aber die Automobilhersteller haben zurzeit keine Möglichkeit, auf diese wechselnden Bedürfnisse zu reagieren und von ihnen zu profitieren. Zumindest heute noch nicht, aber das ändert sich gerade.

Fahrzeug-as-a-Service

Was wäre, wenn der Fahrzeugkauf erst der Beginn einer Reihe von Zusatzgeschäften für den Hersteller wäre? Stellen Sie sich ein Fahrzeug vor, das sich ganz nach den Wünschen und Vorlieben der Kunden jederzeit erweitern oder verändern lässt – ein Fahrzeug, das sich wie ein guter Dienstleister verhält und sich ständig auf die Bedürfnisse seines Eigentümers einstellt. Was müssten Autobauer machen, um diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen?

Bild 1: Das Modell „Fahrzeug-as-a-Service“ setzt auf eine andauernde Beziehung zwischen Automobilherstellern und Kunden mit regelmäßigen Umsätzen aus verkauften Hardware-Upgrades, Apps und Services.

Bild 1: Das Modell „Fahrzeug-as-a-Service“ setzt auf eine andauernde Beziehung zwischen Automobilherstellern und Kunden mit regelmäßigen Umsätzen aus verkauften Hardware-Upgrades, Apps und Services.Flexera

Nehmen wir folgendes Szenario: Unsere durchschnittliche vierköpfige Familie möchte sich nach vier oder fünf Jahren wieder ein neues Auto kaufen und hat ein bestimmtes Budget dafür zur Verfügung. Ihre Anforderungen sind eher bescheiden: sie möchte ein sicheres, zuverlässiges Fahrzeug für den Stadtverkehr, um die Kinder zur Schule zu fahren und die Familieneinkäufe zu erledigen. Sie entscheiden sich für einen normalen Mittelklassewagen mit einem maßvollen 130-PS-Motor und einem Zusatzpaket mit schnörkellosen Modulen wie einem Autoradio.

In den Sommerferien sind die Kinder zwei Wochen lang im Zeltlager. Die Eltern haben die Gelegenheit, allein zu verreisen, und planen einen Urlaub in den Alpen. Für ihre Fahrt hätten sie gerne einen spritzigen Tourenwagen, der einfach Spaß macht. Sie lassen ihren langweiligen Mittelklassewagen zu Hause und mieten sich einen Sportwagen mit mehr PS, GPS und Satellitenradio – allesamt Features, für die sie normalerweise kein Geld ausgeben würden.

Dieses Szenario illustriert sehr gut, warum ein Fahrzeug im Grunde eine Dienstleistung ist. Die Mobilitätsbedürfnisse der Familie ändern sich mit der Person, die am Lenker sitzt, und mit dem Zweck der Autofahrt. Im Urlaub – die Kinder sind nicht da und die Eltern reisen alleine – ändern sich für kurze Zeit die Anforderungen und Vorlieben der Familie. Da das normale Familienauto diese vorübergehenden Wünsche nicht erfüllt, greift die Familie zu einer Alternativlösung und bucht einen Mietwagen.

Die Miete für den Leihwagen ist für den Automobilhersteller ein entgangener Umsatz – und das nur, weil sich das gekaufte Fahrzeug nicht an die vorübergehenden Urlaubsvorstellungen unserer abenteuerlustigen Eltern anpassen lässt.

Früher war es den Herstellern technisch einfach nicht möglich, mit solchen Anpassungen auf veränderte Bedürfnisse einzugehen. Im herkömmlichen Fertigungsprozess hätte der Familienwagen buchstäblich vorübergehend mit neuer Hardware ausgestattet werden müssen: mit einem größeren Motor, GPS-Equipment und einem neuen Infotainment-System, das auch Satellitenradio enthält. Es ist offensichtlich, dass dieses Szenario so nicht durchführbar, unerschwinglich teuer und unsinnig ist. Heute können die Hersteller die Wünsche der Familie erfüllen und neue Umsätze erzielen – mit wenigen Mausklicks in Sekundenschnelle.

Umsatz steigern mit flexibel anpassbaren und aufrüstbaren Fahrzeugen

Im oben angeführten Szenario müssten die Automobilhersteller mehrere Aspekte berücksichtigen, um die zusätzlichen Umsätze, welche die Eltern normalerweise der Mietwagenfirma bereiten würden, zu generieren. Was müssen sie also tun, um das alles physisch und ökonomisch sinnvoll umzusetzen?

Diese Frage zielt auf die sich abzeichnenden Veränderungen von Geschäftsmodellen in der Automobilbranche. Eine Branche, die bislang durch lange Kaufzyklen geprägt ist, wird bald nur auf „Fahrzeug-as-a-Service“ setzen – ein Modell einer andauernden Beziehung zwischen Automobilherstellern und Kunden mit regelmäßigen Umsätzen aus verkauften Hardware-Upgrades, Apps und Services. Das Konzept hinter dieser Umwälzung in der Automobilbranche umfasst die Komponenten „Plattform“, „Apps“ und „Service“. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kombination aus zwei Elementen. Das erste Element ist eine Hardware-Plattform (also das Fahrzeug und dessen Einzelteile) mit Softwareanwendungen, welche die Features und die Funktionalität der Fahrzeug-Hardware steuern. Beim zweiten Element handelt es sich um ein System für die Lizenzierung und das Berechtigungsmanagement, das bestimmt, auf welche Features, Funktionen und Services ein Kunde durch seine Einkäufe zugreifen kann.

Tabelle 1: Das Lizenzierungsmodell bei Ford Sync.

Tabelle 1: Das Lizenzierungsmodell bei Ford Sync.Flexera

Ford unternimmt bereits entsprechende Schritte in diese Richtung. Ford Sync ist ein gutes Beispiel für ein zukunftsweisendes softwarebasiertes Dashboard, oder besser ausgedrückt ein „Fahrzeuginformations- und Kommunikationssystem“. Ford bietet Sync in vier Ausführungen an, die sich nach Features, integrierten Serviceleistungen und optionalen Abonnementplänen unterscheiden (Tabelle 1).

Wie das Beispiel Ford Sync verdeutlicht, gibt es mehrere Strategien, um mit dem Konzept „Plattform + Apps + Services“ zusätzliche Erlöse zu erzielen. Ein einziges Infotainment-Modell enthält alle vorhandenen Features und die gesamte Funktionalität – unabhängig davon, welches Paket gekauft wurde. Dies lässt sich mit einem Smartphone vergleichen, das alle möglichen Features und Funktionen wie Kamera, GPS oder Telefonie enthält. Die gekauften Apps darauf steuern dann die Lizenzierung und das Berechtigungsmanagement, das die Funktionen schließlich freischaltet.

Software ist somit die Basis, um auf das Infotainment-System zuzugreifen. Ein einzelnes Softwareprodukt lässt sich so in seine Leistungsmerkmale aufteilen, dass sich daraus Pakete für bestimmte Kundensektoren schnüren lassen. Je nach Ausstattung wird Sync somit zu unterschiedlichen Preisen angeboten, ohne dass Herstellungskosten für unterschiedliche Hardwareausstattungen anfallen. Der Kunde wählt das für ihn geeignete und erschwingliche Paket aus. So ist der „WLAN-Hotspot“ beispielsweise nur in einem Paket enthalten. Der Autohersteller erwirtschaftet mit diesem Paket Umsätze, ohne dafür eine spezielle Hardware herstellen zu müssen. In Ford Sync sind zudem mehrere Serviceleistungen gebündelt: einige davon als Abomodell, andere als Teil eines Pakets. Fahrzeugzustandsberichte, bei denen Motordiagnosedaten an das Ford-Portal übertragen werden, sind beispielsweise an Pakete gebunden. Personalisierte Verkehrswarnungen und das Satellitenradio werden dagegen ausschließlich über Abomodelle angeboten. Seit kurzem sind Ausstattungsmerkmale – wie HD-Radio – als „Pay per Song“-Modell erhältlich – ähnlich wie bei iTunes.

Das Modell „Plattform + Apps + Services“ eröffnet Autoherstellern nahezu unbegrenzte Einnahmequellen. Ford arbeitet beispielsweise mit einem Autoversicherer zusammen, um die Fahrleistung nachzuverfolgen und weiter zu melden, damit gegebenenfalls eine bessere tarifliche Einstufung erfolgen kann. Diese kreativen Serviceleistungen verhelfen Ford zu wiederkehrenden Umsätzen. Gleichzeitig steigt die Kundenbindung nicht nur für Ford sondern für das gesamte Netzwerk wie etwa für den Versicherungspartner.

Fahrzeugübergreifend individualisieren

Hersteller von Elektrofahrzeugen, beispielsweise BMW, greifen diese Ideen ebenfalls auf und arbeiten mit Betreibern von Ladestationen zusammen, etwa mit Coulomb Technologies. Das Dashboard der betreffenden Fahrzeuge ist mit einer Karte der Ladestationen ausgestattet und ermöglicht es, einen Ladeplatz an jeder Station zu reservieren. In Zukunft sind Fahrer in der Lage, ihre Nutzungsprofile in der Cloud aufzuzeichnen und abzuspeichern und dann einfach für das Fahrzeug herunterzuladen, das sie gerade fahren. Das ist mit den Roaming-Profilen von Smartphones vergleichbar. Sobald der Fahrer sich an seinem Fahrzeug anmeldet, könnten die passenden Einstellungen für Sitze, Heizung, Radio und Ähnliches heruntergeladen werden.

Bild 2: Zukünftig wählen Kunden über ein Fahrzeug-Portal die Upgrade-Features aus, die sie vorübergehend aktiviert haben möchten.

Bild 2: Zukünftig wählen Kunden über ein Fahrzeug-Portal die Upgrade-Features aus, die sie vorübergehend aktiviert haben möchten.Flexera

Damit das Modell „Plattform + Apps + Services“ funktioniert, ist eine jederzeit und überall vorhandene Internet-Verbindung notwendig. Hierzu stellen die Analysten von Gartner fest: „Ein mit dem Internet verbundenes Fahrzeug ermöglicht es, über das bisherige Geschäftsmodell mit dem Fahrzeugverkauf im Fokus hinauszugehen und eine Vielzahl von Einnahmequellen zu erschließen, die sich auf die Summe aus Fahrzeugbesitz, Fahrerlebnis und benutzerbezogenen Aspekten konzentrieren.“

Sobald die Automobilhersteller den software- und lizenzbasierten Ansatz in ihre Fertigung integriert haben, haben die Eltern unserer durchschnittlichen Familie für ihren Urlaub ohne Kinder eine Alternative und müssen für ihr Abenteuer keinen Sportwagen mehr mieten.

Sie loggen sich dann einfach nur in ihr Fahrzeug-Portal ein und wählen die Upgrade-Features aus, die sie vorübergehend aktiviert haben möchten: beispielsweise ein Motor-Upgrade von 130 auf 300 PS, ein besseres Infotainment-System einschließlich GPS-Navigation und Kartenmaterial sowie die Freischaltung des Satellitenradio-Pakets. Anschließend definieren sie den gewünschten Nutzungszeitraum, etwa zwei Wochen, und das Portal erstellt eine Rechnung von beispielsweise 300 Euro für dieses Zwei-Wochen-Upgrade, welche wiederum per Kreditkarte beglichen werden kann. Nach dem Bezahlen des Betrags bearbeitet das System den Auftrag für die temporären Berechtigungen der Familie. Anschließend werden per Fernzugriff die Softwarelizenzen des Fahrzeugs aktualisiert, wodurch für die angegebene Zeit die erweiterte Funktionalität freigeschaltet wird.

Fertigungskonzepte modernisieren

Autoherstellern haben also Aussichten auf zusätzliche Umsätze durch die Umstellung auf ein softwaregesteuertes Geschäftsmodell. Doch wie lässt sich dieser Wandel vorantreiben? Nach Einschätzung von Flexera müssen Autohersteller dafür folgende Herausforderungen meistern:

  • Produkt-Packaging und Geschäftsmodelle neu konzipieren. Die Modelle müssen berücksichtigen, wie Kunden ihre Autos und die zugehörigen Apps und Serviceleistungen nutzen wollen. Wie am Beispiel von Ford Sync gezeigt, werden Autohersteller ihre Kunden stärker segmentieren und maßgeschneiderte Angebote nach dem Modell „Plattform + Apps + Services“ zu abgestuften Preisen anbieten müssen.
  • Berechtigungen nachverfolgen und verwalten. Jeder Fahrer und jedes Auto können unterschiedlich ausgestattet werden – je nach Geräteplattform (zum Beispiel Armaturenbrett), zugehörigen Apps und Services. Auf der obersten Ebene gibt es unterschiedliche Bezugsmodelle: Try-Before-You-Buy, Abomodelle, Freemium-Modelle, Pay-By-Use, reiner Kauf und so weiter. Dies kann sehr schnell recht kompliziert werden, doch die Nachverfolgung und Verwaltung der Kundenberechtigungen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des Modells „Plattform + Apps + Services“.
  • Lifecycle aus Apps, Geräteplattform und Berechtigungen automatisieren. Diese Lifecycle-Prozesse umfassen Installation und Aktivierung der Apps, Abo-Management, Update von Firmware und Apps, Bereitstellen der Geräteplattform, Konfigurationsverwaltung, Geräteüberwachung und Fernverwaltung, App-Upgrades sowie sonstige Änderungen an Berechtigungen. Eine Internetverbindung ist wesentliche Voraussetzung für die Automatisierung von Firmware- und Hardware-Updates, denn viele der genannten Prozesse sind auf einen Datenaustausch mit dem Fahrzeug angewiesen.

Bild 3: Fahrzeuge aufrüsten ohne Werkstattbesuch – Internetverbindung, Embedded-Software, Softwarelizenzierung und Berechtigungsmanagement sind die Grundsteine für ein neues Paradigma.

Bild 3: Fahrzeuge aufrüsten ohne Werkstattbesuch – Internetverbindung, Embedded-Software, Softwarelizenzierung und Berechtigungsmanagement sind die Grundsteine für ein neues Paradigma.Flexera

Einiges mag sich für die Automobilbranche momentan noch sehr theoretisch anhören, doch die dazu notwendige Technologie existiert und kommt bereits in unterschiedlichen Branchen zum Einsatz – unter anderem in der Telekommunikation, Medizintechnik, Gebäudeautomation sowie bei Test- und Prüfverfahren. Eine intelligente Anpassungsfähigkeit der Fahrzeuge verlängert deren Nutzungsdauer, eröffnet neue Umsatzmöglichkeiten, automatisiert Serviceanfragen, senkt Herstellungskosten und lässt neue Käuferschichten gewinnen. Automobilhersteller verwandeln dadurch ihre Produkte in Plattformen, erschließen sich neue Märkte, verbessern ihre Rentabilität und erreichen schneller ihre geschäftlichen Ziele.

Technisch umsetzen lässt sich das mit Embedded-Software, die mittels Lizenzierung und Berechtigungsmanagement gesteuert wird. Damit besteht die Möglichkeit, Fahrzeuge in nahezu unbegrenzt veränderbare und aufrüstbare Services zu verwandeln, die während ihrer Nutzungsdauer fortlaufend Umsätze generieren.

Alois Schwarz

ist Regional Vice President EMEA, Flexera Software.

(av)

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