Die Badewannenkurve zeigt das das typische Muster der häufigsten Ausfallraten. Burn-in-Tests erkennen üblicherweise Ausfälle im anfänglichen Maximum.

(Bild: Wikimedia, Public Domain)

Die Zeiten, in denen eine einzige Fabrik vor Ort produzierte Teile in der eigenen Fertigung am Fließband montiert, sind lange vorbei. Auch die manuelle Programmierung eines Computers, um langwierige Aufgaben wie Ertragsanalysen oder die Erkennung fehlerhafter Wafer zu erledigen, gehört der Vergangenheit an.

Mittlerweile hat auch die schiere Komplexität und Anzahl elektronischer Komponenten in Automobilen sprunghaft zugenommen. Teile können aus geographisch unterschiedlichen Fabriken mit abweichenden Sicherheitsstandards wie auch Messmethoden stammen – die Montage geschieht wiederum an einem anderen Standort. Im Ergebnis müssen selbst Premium-Automobilhersteller wie Audi einen Autounfall pro Stunde verzeichnen, die jährlich Millionen Dollar kosten, von Rückrufaktionen ganz zu schweigen.

Maschinelles Lernen eignet sich besonders für die Automobilproduktion.

Besonders die Automobilproduktion dürfte vom maschinellen Lernen profitieren. fotomatrix über Adobestpck

Große Datenmengen beherrschen

Dieses Problem wird durch die Tatsache noch verstärkt, dass mit teilweise autonom agierenden Fahrzeugen, die gegenwärtig auf der Straße unterwegs sind, und völlig autonomen Fahrzeugen in Zukunft, die Zuverlässigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Nur maschinelles Lernen kann die Herausforderungen dieses komplexen Herstellungsprozesses bewältigen, um die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge und die Sicherheit der Insassen zu gewährleisten.

Beim Durchsuchen überwältigend großer Datenmengen kann maschinelles Lernen Muster erkennen, die selbst gut ausgebildete menschliche Analytiker sonst übersehen würden. Maschinen korrelieren Ereignisse auch über längere Zeiträume und mehrere Datenquellen hinweg, die für eine menschliche Erfassung einfach zu groß und zu komplex sind.

Was bedeutet maschinelles Lernen für Automobilhersteller? Unternehmen sehen darin deutliche Effizienzsteigerungen, sei es beim Binning oder bei der vorausschauenden Wartung. Sie nutzen maschinelles Lernen, um Betriebsabläufe zu optimieren, Kosten zu senken und die Produktionskapazität erheblich zu steigern.

Maschinelles Lernen in der Praxis

Für ein tieferes Verständnis, wie sich maschinelles Lernen in der Fahrzeugfertigung integrieren lässt, eignet sich der Burn-in-Test, welcher Komponenten erkennt, die bezogen auf den Produktlebenszyklus wahrscheinlich vorzeitig ausfallen. Üblicherweise erkennt der Burn-in-Test Ausfallkomponenten lediglich durch eine Erhöhung der Testdauer. Dies würde den Großteil der Ausfälle erfassen, die im anfänglichen Maximum der Badewannenkurve liegen – ein typisches Muster der häufigsten Fertigungsausfallraten.

Automobilhersteller erkennen die am wahrscheinlichsten fehlerhaften Komponenten, indem sie diese künstlich mit erhöhten Stressbedingungen beaufschlagen. Das Funktionsprinzip: Komponenten, die beim Betrieb außerhalb ihre Auslegungsgrenzen ausfallen, sind auch ausfallgefährdet, wenn sie Stressfaktoren ausgesetzt werden, für die sie nicht ausgelegt sind. Für Fahrzeughersteller ist dies ein entscheidender Punkt, denn selbst ein kleines Radiobauteil kann Auswirkungen auf kritische Systeme wie ABS oder auf zunehmend automatisierte Funktionen haben.

Das Dilemma: Automobil-OEMs fordern von ihren Zulieferern Burn-in-Tests für jeden von ihnen gelieferten Chip, um fehlerhafte Komponenten zu erkennen und Ausfällen vorzubeugen. Chiphersteller sind jedoch der Ansicht, dass umfangreiche Burn-in-Tests direkt für die Verschlechterung der Zuverlässigkeit ihrer Produkte verantwortlich sind. Daher suchen sie nach Wegen, um die Notwendigkeit von Burn-in-Tests insgesamt zu vermeiden.

Hier kommt maschinelles Lernen ins Spiel. Testmethoden die maschinelles Lernen verwenden, versuchen Komponenten zu identifizieren, die sich statistisch als haltbarer erweisen und bei denen Frühausfälle unwahrscheinlich sind, wie sie Burn-in-Tests zu entdecken versuchen. Software analysiert Fertigungs-, Test- und Inspektionsdaten und identifiziert zuverlässige Komponenten, die von Burn-in-Tests ausgenommen sind. Diese alternative Testmethode bedeutet, dass die Bauteile während der Herstellung keinen hohen Belastungen ausgesetzt sind, was zu einer längeren Lebensdauer des Produkts führt.

Anfällige Bauteile frühzeitig identifizieren

Systeme des maschinellen Lernens können nicht nur genau feststellen, welche Komponenten von umfangreichen Belastungstests ausgenommen werden sollten, sie können auch problematische Komponenten kennzeichnen und zeigen, wodurch die Komponenten während des Herstellungsprozesses ausfallgefährdet sind. Sensordaten, die mit bestimmten Fertigungsabschnitten verknüpft sind, geben Aufschluss über mögliche Umwelt- oder Verfahrensursachen. Mit dieser Erkenntnis können Hersteller ein Problem im Keim ersticken, bevor es ein erhebliches Risiko darstellt.

Gerade aufgrund dieser vielschichtigen Erkenntnisse kann maschinelles Lernen erhebliche Kosteneinsparungen bewirken. Durch das Ausselektieren fehlerhafter Randkomponenten noch vor dem Burn-in-Test oder durch das Umgehen von Tests an Komponenten, die dies offensichtlich nicht benötigen, können Fahrzeughersteller und OEMs signifikante Einsparungen erzielen. Ohne eine Beachtung dieser Erkenntnisse und ausbleibende Verbesserungsmaßnahmen in der Produktion kann das Aufkommen von Fahrzeugeigentümergemeinschaften oder Carsharing durch die intensive Fahrzeugnutzung und damit höhere Belastung Qualitätsprobleme und kostspielige Gewährleistungsfolgen für die Automobilhersteller bedeuten – wenngleich diese Thematik heute noch als Randproblem erscheint.

Garantiefälle minimieren

Darüber hinaus können Fahrzeughersteller erhebliche Summen durch die Identifizierung von Komponenten einsparen, deren Betriebslebensdauer aufgrund der Beanspruchungen durch Burn-in-Tests wahrscheinlich unter die Garantiezeit fällt. Diese Einsparungen lassen sich durch maschinelles Lernen und ohne Beeinträchtigung der Produktqualitätsleistung – gemessen in DPPM (Defective Parts Per Million) – erzielen.

Der Business Case für maschinelles Lernen ist für produzierende Unternehmen zunehmend zwingender. Um jedoch das volle Potenzial der Technologie auszuschöpfen, muss die Branche einige Hürden überwinden. An erster Stelle dieser Herausforderungen stehen die Daten. Da Systeme mit künstlicher Intelligenz nur so zuverlässig sind wie die Daten, auf die sie trainiert werden, ist die Bedeutung einer Strategie für intelligente Daten und von einheitlichen Datenerhebungsmethoden nicht hoch genug einzuschätzen.

Aufbau der Infrastruktur

Um die Vorteile des maschinellen Lernens zum Erfolg zu bringen, sind einige Kernfragen der Infrastruktur zu beantworten. Maschinen, Prüfeinrichtungen und sogar Geschäftsprozesse sind zu instrumentieren. Sind alle zugehörigen Daten gesammelt, strukturiert und gespeichert, muss die Indizierung und die Aufarbeitung für die Abfrage erfolgen. Automobilhersteller müssen sicherstellen, dass ihre Infrastruktur mehrere Datenquellen nahtlos integrieren und komplexe Abfragen auf der Grundlage dieser Informationen ausführen kann. Diese Infrastruktur muss sicher mit den erfassten Daten verknüpft und in der Lage sein, eine beträchtliche Menge an Aktivitäten systematisch abzuwickeln, insbesondere wenn es um steuernde Aufgaben wie Indexierung und das Anlernen von Algorithmen geht.

Wie können Fahrzeughersteller die Vorteile des maschinellen Lernens nutzen und ebenso die notwendige Infrastruktur dafür aufbauen? Durch den Einsatz von Zentral- und Endknoten-Systemen, die Algorithmen selbst ausführen und in Fertigungsprozesse einbinden können, kann solch ein Regelwerk die Fertigung wirksam beeinflussen.

Die Herausforderungen, denen sich die Automobilfertigung gegenübersieht, sind gewaltig: Komplexere elektronische Bauteile als je zuvor müssen perfekt funktionieren, denn die Nachfrage nach Fahrzeugen steigt und auch die Erwartungen an die Zuverlässigkeit steigen. Die Anpassung an dieses neue Umfeld durch eine Weiterentwicklung des Automobilbaus wird scheiternde Unternehmen von denen trennen, welche die teil- und vollautonome Revolution perspektivisch anführen. Glücklicherweise ist ein geeignetes Werkzeug bereits vorhanden, mit denen die Kosten kontrollierbar sind, die Zuverlässigkeit hoch ist und vor allem die Fahrgäste sicherer unterwegs sind, als je zuvor: die Lebenszyklusanalyse. Jetzt liegt es an den Konzernriesen der heutigen Autoindustrie, diesen Fortschritt aufzugreifen und damit aktiv über ihre eigene Zukunft zu entscheiden.

Michael Schuldenfrei

Corporate Technology Fellow bei Optimal Plus

(na)

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