Die Vorteile mikrolegierter Lote im Vergleich zu nicht mikrolegierten Loten sind im Wesentlichen die Reduzierung der Kupferauflösung im Lot, die Beeinflussung des Erstarrungsverhaltens des Lots, die zu einem feinphasigen Gefüge und zu glatteren, glänzenden Lötstellen ohne Schrumpfungsrisse führt und die mechanische Festigkeit der Lötstellen erhöhen soll. Ein positiver Einfluss von Mikrolegierungszusätzen auf die Lebensdauer von Lötstellen wird insbesondere bei kleinen Lötstellen bei Temperaturwechselbeanspruchung festgestellt [1]. Über den Einfluss von Mikrolegierungszusätzen in Lotpasten gibt es nur wenige Erfahrungen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, den Einfluss verschiedener Mikrolegierungszusätze insbesondere hinsichtlich der Zuverlässigkeit der damit hergestellten Lötverbindungen festzustellen.

Verschiedene Proben und Zuverlässigkeitsuntersuchungen

Für die Untersuchungen wurden Lotpasten mit durchlegierten bleifreien Lotlegierungen in Pulverform mit dem gleichen Flussmittel hergestellt und untersucht. Das Flussmittel AP-20 ist ein völlig halogenfreies, kommerziell für bleifreie Anwendungen entwickeltes Flussmittel aus dem Lieferprogramm von Elsold. Es werden sowohl Standardlegierungen aus der Produktion des Unternehmens als auch spezielle Legierungen eingesetzt. Neben den nicht mikrolegierten Loten SnCu0,7 und Sn96,5Ag3Cu0,5 als Vergleich wurden die in Tabelle 1 aufgeführten Lotpulver hergestellt und untersucht [2].

Tabelle 1: Untersuchte Lotpulver

Tabelle 1: Untersuchte LotpulverElsold

Als Dotierungselemente dienen Nickel, Ni/Ge [3], Co/Ni/Ce [4] und Co/Ni/Ce/In. Die Konzentrationen der Dotierungselemente liegen in dem für mikrolegierte Lote üblichen Bereich (Ni, Co im Bereich von 0,02 bis 0,05 Prozent, In 0,6 bis 0,7 Prozent, Ce, Ge 0,002 bis 0,007 Prozent). Der Grund für die Verwendung unterschiedlicher Pulvertypen (T3, T4, T5) liegt in der Verfügbarkeit der jeweiligen Lotpulver. Aufgrund der geringen benötigten Mengen sind Nicht-Standard-Lotpulver von verschiedenen Herstellern zum Teil mit unterschiedlichen Verfahren in unterschiedlichen Korngrößen hergestellt worden (mit „Spezial“ bezeichnet). Die Lotpasten wurden im Standardverfahren mit dem gleichen Flussmittel und gleichen Metallgehalten hergestellt, um einen möglichen Einfluss des Flussmittels auf die Lötergebnisse weitestgehend auszuschließen.

Die Testbaugruppen wurden mit Kupfer- und NiP/Au-beschichteten Leiterplatten hergestellt. Mit einer 120-µm-Schablone wurden anschließend die Lotpasten aufgetragen und mit CR1206-Chipwiderständen bestückt. Anschließend erfolgte das Löten der bestückten Leiterplatten, und zwar einheitlich für alle Testbaugruppen in der Dampfphase bei 230 °C. Die Durchführung und Ergebnisse der Benetzungsversuche sind in [5] beschrieben. Mit Hilfe der zerstörenden Prüfung (Schertest) wurde die Zuverlässigkeit der Lötverbindungen an jeweils zehn Bauelementen pro Variante unmittelbar nach dem Löten sowie nach beschleunigter Alterung im Wechselklima bewertet. Der Temperaturwechsel wird auf -25/+150 °C mit einer Zykluszeit von 90 Minuten festgelegt, um für den Einsatz bei höheren Temperaturen, beispielsweise Anwendungen im Automobil-Bereich, Aussagen treffen zu können. Die Prüfung erfolgt nach 0, 250, 500 und 1000 Zyklen.

Ergebnisse der Abschertests

Die Scherfestigkeiten der Lötverbindungen nehmen erwartungsgemäß bei allen Lotlegierungen mit steigender Zahl von Temperaturwechseln ab. Die Ausgangswerte der Festigkeiten der Legierungen sind sowohl auf Cu als auch auf NiP/Au ähnlich, wobei die silberfreien Lote etwas geringere Festigkeiten (um zirka zehn Prozent niedriger) aufweisen. Nach 1000 Zyklen tritt bei allen Legierungen bereits eine deutliche Verringerung der Scherkräfte auf (exemplarisch dargestellt in Bild 1, Bild 2). Während der Abfall der Scherkraft auf Cu bereits nach 250 Temperaturwechseln erkennbar wird und mit fortschreitender Zyklenzahl nahezu linear weiter abnimmt, setzt ein merklicher Abfall auf NiP/Au erst später, nach etwa 500 Zyklen, ein (Bild 3). Deutliche Unterschiede der Scherfestigkeiten bei den einzelnen Legierungen sind nach 1000 Temperaturwechseln erkennbar.

Die Legierungen I Sn99,3Cu0,7, II Sn96,5Ag3Cu0,5(Ni,Ge), III Sn96,5Ag3Cu0,5(Co,Ni,Ce,In) und VI Sn96,5Ag3Cu0,5(Co,Ni,Ce) weisen nur geringe Unterschiede bei den Scherfestigkeiten auf Cu- und NiP/Au-Oberflächen auf (Bild 4). Im Gegensatz dazu zeigen die Lotlegierungen IV Sn96,5Ag3Cu0,5(Ni), V Sn99,5Ag3Cu0,5(Co,Ni,Ce,In) und VII Sn96,5Ag3Cu0,5 (nicht mikro-legiert) auf Cu einen deutlich stärkeren Abfall als auf NiP/Au-Oberflächen. Besonders deutlich ausgeprägt ist dieses Verhalten beim nicht mikrolegierten Lot VII Sn96,5Ag3Cu0,5, während beim ebenfalls nicht mikrolegierten Lot I (Sn99,3Cu0,7) der Effekt nicht in dieser Deutlichkeit auftritt. Ein Zusammenhang zwischen Scherfestigkeiten und Benetzungsflächen ist nur auf NiP/Au-, nicht aber auf Cu-Oberflächen erkennbar. Auf Cu-Oberflächen mit insgesamt geringerer Lotausbreitung ist keine eindeutige Relation zwischen Ausbreitung und Scherfestigkeit nach 1000 Zyklen gegeben. Es ist allerdings erkennbar, dass die mikrolegierten, silberhaltigen Lote nach den Temperaturwechseln die höchsten Scherfestigkeitswerte aufweisen. Dagegen weisen auf NiP/Au die Lote mit den größten Benetzungsflächen auch die höchsten Festigkeiten auf.

Schliffbilder geben Aufschluss

Von allen Legierungen wurden im Ausgangszustand und nach 0, 250, 500 und 1000 Temperaturwechseln Schliffbilder angefertigt (Bilder 5 und 6). Die Dicke der inter-metallischen Phasen liegt bei allen Legierungen bei 6 bis 9 µm. Nach dem Anätzen der Schliffe konnte die Gefügestruktur deutlicher sichtbar gemacht werden. Bild 7 zeigt eine Auswahl dieser Lötverbindungen nach jeweils 250 Zyklen auf Kupfer- und NiP/Au-Leiterplatten im Überblick. Hier wird sichtbar, dass vor allem die intermetallischen Kupfer-Zinn-Phasen ohne Mikrolegierungen eine unregelmäßigere kalottenförmige Struktur aufweisen, während die Phasen der mikrolegierten Lötverbindungen geschlossen und gleichmäßiger erscheinen. Auch bildet sich das Gefüge durch die Mikrolegierungen insgesamt feiner aus.

Ab etwa 500 Zyklen wird die Bildung von Rissen sowohl auf Cu- als auch auf NiP/Au-Leiterplatten beobachtet. Bei Legierung II (Sn96,5Ag3Cu0,5(Ni,Ge)) ist nach 1000 Zyklen sogar ein vollständiger Durchriss auf NiP/Au aufgetreten; weitere Durchrisse konnten nicht festgestellt werden. Neben Rissen im Lötspalt sind auch kritische Risse im Lotmeniskus zu erkennen. Die deutlichsten Risse sind bei den Legierungen II, III (Sn96,5Ag3Cu0,5(Co,Ni,Ce,In)) und IV (Sn96,5Ag3Cu0,5(Ni)) aufgetreten. Dies findet keine Bestätigung in den ermittelten Scherkräften, bei denen die Legierungen II, III und IV sogar höhere Scherfestigkeiten als I aufweisen. Die geringsten strukturellen Gefügeveränderungen weisen anhand der Schliffe die nicht mikrolegierten Legierungen I SnCu0,7 und VII Sn96,5Ag3Cu0,5 auf.

Bedeutung der Ergebnisse

Wie erwartet nehmen die Scherkräfte nach Temperaturwechselzyklen ab. Die Abnahme der Scherfestigkeiten auf Cu- ist deutlich größer als auf NiP/Au-Leiterplatten. Dies ist durch die erhöhte Kupferdiffusion bei höheren Temperaturen erklärbar. Die mikrolegierten, silberhaltigen Lote II, III und VI besitzen nach 1000 Zyklen die höchsten Festigkeiten, scheinen also in der Tat Diffusionsbarrieren aufzubauen. Ausnahmen sind die Lote IV und V, die trotz Mikrolegierung die niedrigsten Festigkeitswerte auf Kupfer zeigen. Dies lässt sich damit erklären, dass die Legierung IV als Zusatz lediglich 0,02 % Ni enthält. Aus der Praxis ist bekannt, dass erst höhere Nickelgehalte von zirka 0,05 % die Kupferauflösung wirkungsvoll reduzieren. Die Legierung V mit den Mikrolegierungszusätzen Co, Ni, Ce und In zeigt die niedrigste Lotausbreitung und die geringsten Festigkeiten auf Cu, was darauf hindeutet, dass sich ein Zusatz von In bei Sn99,3 Cu0,7 eher nachteilig auswirkt.

Auf NiP/Au-Oberflächen zeigen die silberhaltigen Lote die höchsten Festigkeitswerte und zwar sowohl im Ausgangszustand als auch nach 1000 Temperaturwechseln. Die mikro-legierten Lote zeigen bereits nach 500 Zyklen allesamt geringere Festigkeitswerte als das nicht mikrolegierte Lot VII (Sn96,5Ag3Cu0,5), obwohl im Ausgangszustand und nach 250 Zyklen bei den beiden Typen II (Sn96,5Ag3Cu0,7(Ni,Ge)) und insbesondere IV (SnAg3Cu0,5(Ni)) die höchsten Festigkeiten gemessen werden. Die indiumhaltigen, mikrolegierten Lote zeigen hinsichtlich der Scherfestigkeit keine Verbesserung im Vergleich zu den indiumfreien mikrolegierten Loten. Nach 500 und 1000 Zyklen werden die höchsten Festigkeitswerte für VII gefolgt von IV ermittelt.

In der Praxis wird häufig die Halbierung der Scherfestigkeit des Ausgangszustandes als Ausfallkriterium angenommen. Betrachtet man die normierten Scherkräfte (Bild 8), wird deutlich, dass alle Lötverbindungen auf Cu-Oberflächen nach 1000 Temperaturwechseln als Ausfall gewertet werden müssen, wobei Legierung IV Sn96,5Ag3Cu0,5(Co,Ni,Ce) diesen Wert nur knapp unterschreitet. Auf NiP/Au-Leiterplatten wären noch alle Lötstellen intakt. Grundsätzlich wird der Abfall der Scherkräfte durch Temperaturwechselbeanspruchung auch in der normierten Darstellung ersichtlich.

Die Ergebnisse der Zuverlässigkeitsuntersuchungen weisen eindeutig darauf hin, dass die Degradationsprozesse der Lötstellen bei Temperaturwechselbeanspruchung auf Cu- und NiP/Au-Oberflächen unterschiedlichen Mechanismen folgen. Während auf Cu-Oberflächen mikrolegierte Lote durchaus eine geringe Verbesserung der Zuverlässigkeit durch Reduzierung der Kupfermigration bewirken, sind auf NiP/Au-Leiterplatten keine positiven Effekte feststellbar. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von [1], wo ebenfalls kaum eine Erhöhung der Lebensdauer mit konventionell hergestellten mikrolegierten Lotpulvern mit Co beziehungsweise Fe festgestellt wird. Der Einfluss der Leiterplattenmetallisierung auf die Stabilität der Lötverbindungen ist deutlich größer als der Einfluss der Legierungsvarianten. Auf NiP/Au-Oberflächen werden ausnahmslos höhere Scherfestigkeiten und geringere Abfälle der Scherfestigkeit als auf der Cu-Oberfläche festgestellt. Allerdings können Mikrolegierungen zu einer Stabilisierung zumindest auf Cu-Oberflächen führen.

Robuste Lotverbindungen

Mikrolegierte Lotpasten werden hergestellt und im Vergleich mit nicht mikrolegierten Lotpasten untersucht. Die Scherfestigkeiten von mit den Lotpasten hergestellten Lötverbindungen werden nach Temperaturwechsel ermittelt. Die Ergebnisse der anhand von Scherfestigkeitsprüfungen durchgeführten Zuverlässigkeitsuntersuchungen zeigen, dass auf NiP/Au-Oberflächen höhere Zuverlässigkeiten als auf Kupferoberflächen erwartet werden können.

Literaturverzeichnis

[1] A. Fix, P. Zerrer, A. Prihodovsky, B. Müller, D. Wormuth, W. Ludeck, H. Trageser, M. Hutter, und R. Diehm: Nanoflux – Flussmittel mit nanochemisch aktiven Metallverbindungen zur Stabilisierung von Weichloten, DVS-Berichte Band 273, Weichlöten Forschung & Praxis für die Elektronikfertigung, S. 22

[2] Die Untersuchungen wurden vom Steinbeis-Transferzentrum Aufbau und Verbindungstechnik, Rostock, unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. M. Nowottnick durchgeführt, Untersuchungsbericht vergleichende Untersuchung der mikrolegierten Lote, Projekt 10027, 03. Mai 2011

[3] Patent DE 19816671, Fuji Electric Co., Ltd., Kawasaki, Kanagawa, JP

[4] FLOWTIN eingetragenes Warenzeichen von Stannol

[5] K. Bartl, M. Nowottnick, Reduzierte Kupferauslösung Mikrolegierte, bleifreie Lotpasten im Vergleich – Teil 1, Productronic 11/2011, S. 60

SMT Hybrid Packaging 2013, Halle 9, Stand 127

Dr. Klaus Bartl

ist für das Solder Engineering bei Elsold verantwortlich.

Prof. Dr. Mathias Nowottnick

ist am Lehrstuhl Zuverlässigkeit und Sicherheit elektronischer Systeme der Universität Rostock tätig.

(mrc)

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Tamura Elsold GmbH

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38871 Ilsenburg
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