Für viele Anwender ist die Leiterplattenoberfläche chemisch Nickel-Gold (ENIG) die erste Wahl. Diese Oberfläche zeichnet sich durch eine planare Oberfläche, gute Lötbarkeit und akzeptable Lagerfähigkeit aus. Alte Hasen der Elektronikfertigung wussten diese Oberfläche schon vor der Einführung der bleifreien Bestückung zu schätzen: Die Oberfläche ist auch nach mehrfachen bleifreien Lötvorgängen noch lötfreudig. Höhere Peak-Temperaturen während der bleifreien Lötung führen auf der Oberfläche weder zu Verfärbungen noch zur Oxid-Bildung. Bei ENIG wird die Lötverbindung zwischen dem Lot und der Nickelschicht der Nickel-Gold-Oberfläche hergestellt, nicht mit dem darunter liegenden Kupfer. In der Lötverbindung wird das Gold komplett aufgelöst, wodurch die Lötverbindung bedeutend brüchiger ist als eine Kupfer-Zinn-Verbindung. Daher ist ENIG nur bei Anwendungen empfohlen bei denen Stöße, Biegungen oder starke Vibrationen keine Rolle spielen. APL Oberflächentechnik verfügt über langjährige Erfahrungen mit ENIG-Verfahren für die Massenproduktion. Aufgrund der Bedürfnisse und Anforderungen der Leiterplattenindustrie und der OEMs hat sich der Dienstleister für funktionelle Oberflächen in der Elektronik und Leiterplattenindustrie auf chemisch Zinn, Refreshen von chemisch Zinn, Reinigen von Leiterplatten (ENIG/ENEPIG) und Pd-Au-Schichten (EP EPAG) spezialisiert.

Referenzen

[1] Atotech: Mechanismus Saurer Reiniger, 03/08/2011

[2] Analysenergebnisse ATU (Herrenberg), Auftrag # 1412001, 06/02/2015

Darüber hinaus hat die neuere chemisch Nickel-Palladium-Gold-Oberfläche (ENEPIG) hohes Interesse auf sich gezogen, da dieser Prozess besonders für Fine-Pitch-Applikationen mit Bondoberflächen geeignet ist. Der Verbund-Endoberfläche wird wegen ihrer Fähigkeit zur mehrfachen bleifreien Lötung und zur Drahtbondung (sowohl mit Al- als auch mit Au-Drähten) immer mehr Beachtung geschenkt. Sprödbrüche beim Verlöten von BGAs lassen sich mit dieser Schichtkombination ebenfalls sicher vermeiden.

Teure Oberflächen schützen

Da es sich bei den beiden Verfahren um recht teure Prozesse handelt, ist es besonders ärgerlich, wenn Leiterplatten überlagern oder so verunreinigt werden, dass sie sich nicht mehr zur Baugruppenfertigung eignen. Oft bleibt da nur noch der Weg der Verschrottung oder die Platinen entsprechend zu strippen und neu zu beschichten. Aufbauend auf den langjährigen Erfahrungen mit diesen Oberflächen hat der Dienstleister mit Finalclean daher ein neues Verfahren zur Reinigung und Reaktivierung von Leiterplatten mit einer ENIG-/ENEPIG-Oberfläche konzipiert. Der Finalclean-Prozess wird bei schlecht lötbaren Oberflächen sowie überlagerten Leiterplatten angewandt. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass der Reinigungsprozess nur einen sehr geringen Stress auf Basismaterial und Lötstopplack ausübt und keine giftigen oder umweltschädlichen Materialien wie Cyanid enthält, wie es bei einer Neubeschichtung der Fall wäre. Auch ergeben sich keine weiteren Chemieabfälle.

Bild 1: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung des stromlosen chemisch-Nickel-Gold-Prozesses [1].

Bild 1: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung des stromlosen chemisch-Nickel-Gold-Prozesses [1].APL

Zudem erlaubt das Verfahren die Behandlung in horizontaler Anlagentechnik. Der Prozess beginnt mit einem ultraschallunterstützten Reinigungsmodul, das Schwefelsäure und Aurotech-Finalclean (spezielle Lösung) enthält. Diese beiden Komponenten sorgen für eine rückstandslose Reinigung der Leiterplatten-Oberfläche. Nach diesem Reinigungsschritt werden die Platinen mit vollentsalztem Wasser (VE-Wasser) mit einer sehr niedrigen Leitfähigkeit gespült, getrocknet und in Luftpolsterfolie verpackt.

Reaktivierung der Leiterplattenoberfläche

ENIG/ENEPIG ist eine direkte, stromlose Nickel-Abscheidung auf Kupfer. Neben der Nickel-Schicht ist eine Gold-Beschichtung auf der Oberfläche erforderlich. Der chemisch-Gold-Prozess ist ein Austausch-Verfahren von Nickel und Gold. Während des chemischen Verfahrens ersetzt ein Goldatom zwei Nickelatome, welches in manchen Fällen zu einer falschen Positionierung des Goldatoms führt (Bild 1).

Bild 2: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung der Nickeloxyd-Bildung [1].

Bild 2: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung der Nickeloxyd-Bildung [1].APL

Nach der Nickel-Gold-Beschichtung werden die Platinen gespült und getrocknet. Es bleibt nicht aus, dass in den weiteren Prozessschritten wie Transport und Lagerung die Leiterplatten den Umwelteinflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit ausgesetzt sind, was zu ihrer künstlichen Alterung führen kann. Durch die Einwirkung von Umwelteinflüssen bildet sich Nickeloxyd auf der Oberfläche (Bild 2). Nickeloxid wird durch korrosive Medien aufgelöst, sodass Nickel in ionogener Form an die Oberfläche diffundiert. Auf der Goldoberfläche tritt wieder Nickeloxyd auf (Bild 3).

Bild 3: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung der Nickeloxyd-Auflösung [1].

Bild 3: Die Grafik zeigt eine schematische Beschreibung der Nickeloxyd-Auflösung [1].APL

Abhilfe schafft da das Reinigungsmedium Aurotech-Finalclean, da es entsprechende Chemikalien enthält, welche die Oberfläche vollständig benetzen. Schwefelsäure und Aurotech-Finalclean lösen ultraschallunterstützt das Nickeloxyd von der Goldschicht ab. Anschließend werden die Leiterplatten in einer Vierfach-VE-Wasserkaskade gespült, was zu einem einwandfreien Reinigungsergebnis führt. Nach dem Spülen erfolgt die horizontale Trocknung der Leiterplatten. Das Reinigungsverfahren aktiviert die Edelmetalloberfläche, wodurch sie wieder lötbar wird. Die weiteren Bestückungs- und Lötprozesse können nach dem Finalclean-Prozess ohne Probleme erfolgen. Allerdings gilt: Die Lagerzeit sollte so kurz wie möglich gehalten werden, um eine erneute Oxidation auf der Oberfläche zu verhindern.

Aufgefrischt: 15 Jahre alte Leiterplatten

In einer Testreihe wurden 15 Jahre alte Platinen der gleichen Charge (DC 4299) vor und nach dem Reinigungsprozess gelötet. Diese wurden bei Raumtemperatur, ohne Verpackung und ohne spezielle klimatische Konditionen gelagert. Die Bilder 4 und 5 wurden bei APL Oberflächentechnik mittels Stereomikroskop und gleicher Vergrößerung erstellt. Alle Platinen, die dem Reinigungsprozess unterzogen wurden, zeigen ein besseres Lötergebnis als jene ohne, da sich eine bedeutend bessere Benetzung des Lotes realisieren ließ.

Aus derselben Charge (DC 4299) wurde zusätzlich zur Lötung bei drei Leiterplatten eine Oberflächenanalyse durchgeführt. Dabei wurde zuerst die Schichtdicke des NiP-Au-Schichtaufbaus mittels des Röntgenfluoreszenz-Messgeräts Fischerscope X-Ray XULM von Helmut Fischer ermittelt. Damit ist es möglich, eine zerstörungsfreie Materialanalyse und Schichtdickenmessung durchzuführen. Ermittelt wurden Schichtdicken im Mittel von 3,622 µm bei Nickel und 0,128 µm bei Gold. Anschließend wurden die Leiterplatten an ein unabhängiges Labor zur XPS-Messung (Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie) gesendet (Tabelle 1). Nach deren Untersuchung wurden diese Leiterplatten wieder an APL zurückgeschickt, um sie mittels Finalclean zu reinigen, zu reaktiveren und einzuschrumpfen. Danach wurden diese Platinen für weitere Analysen erneut an das Labor geschickt.

Das Ergebnis der Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie zeigt eine deutliche Abnahme der Elemente Ni und O, was wiederum die Funktionsweise und Zuverlässigkeit des Finalclean-Prozesses bestätigt (Tabelle 2). Nickeloxid wird durch den Reinigungsprozess von der Oberfläche entfernt, was die verbesserte Lötbarkeit erklärt. Die Analysen-Ergebnisse zeigen auch einen höheren Gehalt an Gold, dieser hohe Gehalt ist durch die fehlende Nickeloxidschicht begründet. Elemente wie N, S, Si sind Spuren der Luftpolsterfolie durch das Einschrumpfen.

Zeit und Kosten sparen

Überlagerte, verunreinigte oder auch nicht lötbare ENIG-/ENEPIG-Leiterplatten müssen dank diesem Prozess nicht mehr teuer verschrottet oder neubeschichtet werden. Der Finalclean-Prozess führt zu einer erheblichen Kostenreduzierung sowie einer Zeitersparnis.

Nadine Schmidt

Projektleitung von APL Oberflächentechnik

(mrc)

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