So leer könnte es zukünftig in vielen Büros in der Elektronikbranche sein, wenn wir es nicht schaffen, wieder mehr junge Menschen für einen Beruf in dieser Branche zu begeistern.

So leer könnte es zukünftig in vielen Büros in der Elektronikbranche sein, wenn wir es nicht schaffen, wieder mehr junge Menschen für einen Beruf in dieser Branche zu begeistern. (Bild: Mediaparts - stock.adobe.com)

Der Mangel an kompetenten Fachkräften ist auch in der Elektronikbranche allgegenwärtig. Dabei fehlt es an erfahrenen Mitarbeitern aber vor allem auch an Nachwuchs. Und dieses Problem wird sich weiter verschärfen, denn immer weniger junge Menschen wollen einen Beruf in dieser Branche ergreifen.  

Der Nachwuchs kann den Bedarf an Ingenieuren nicht mehr abdecken

Laut Dr. Michael Schanz, Sprecher für Ingenieurstudium und -Beruf des VDE, haben sich dieses Jahr nur 3,5 Prozent der Erstsemester-Studenten für Elektrotechnik als Studienfach entschieden. 7500 Studenten werden das Studium voraussichtlich abschließen. Auf der anderen Seite gibt es ca. 13 500 offene Stellen, durch Ingenieure, die in den Ruhestand gehen und dem wachsenden Bedarf durch das Wachstum der Branche.

Das Nachwuchsproblem der Elektronikbranche: Wo der Schuh drückt und welche Lösungen es gibt

Aber was sind die Gründe für diese Zahlen? Wir wollten den Ursachen auf den Grund gehen und haben mit Unternehmen und Professoren über Probleme und mögliche Lösungen des Fachkräftemangels in der Elektronikbranche gesprochen. Dabei haben wir uns zunächst mit denen unterhalten, die in erster Linie unter dem Fachkräftemangel leiden: die Unternehmen der Elektronikbranche.

Warum haben Elektronik-Firmen ein Problem, Mitarbeiter zu finden?

Ein Unternehmen, das die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu spüren bekommt ist Teledyen e2v, ein Halbleiter-Unternehmen, das hauptsächlich Komponenten für die Luft- und Raumfahrt-Industrie designt und herstellt. Nicolas Chantier, Manager des strategischen Marketing-Teams, berichtet von großen Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden. Eine offene Stelle für einen Anwendungsingenieur blieb beispielsweise neun Monate unbesetzt bevor das Team mithilfe einer Recruiting-Agentur eine geeignete Kandidatin gefunden hat. Laut Nicolas Chantier ist einer der Gründe dafür, dass die meisten Elektrotechniker mit dem Beruf des Anwendungsingenieurs wenig anfangen können. Sie wollen lieber elektronische Systeme entwickeln, statt mit anderen Ingenieuren zu kommunizieren, um ihnen bei deren F&E-Projekten zu helfen.

Kommentar: Was wir alle gegen das Nachwuchsproblem tun können

Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)

Als mein Vater ein Schüler war, hat er seine Lautsprecher selbst zusammengebaut. Heute können wir Lautsprecher in jedem Elektromarkt günstig kaufen und wenn sie kaputt gehen, können wir sie oft nicht einmal mehr selbst reparieren, da die Technik zu kompliziert oder es gar nicht möglich ist. Ich denke, das führt dazu, dass viele junge Menschen keinen Bezug zur Elektronik haben. Außerdem unterschätzen viele die Bedeutung der Hardware. Sie wollen lieber Informatik studieren, da es ein zukunftsträchtigerer Bereich scheint. Doch die beste Software nutzt ohne die entsprechende Hardware wenig. Deshalb müssen wir jungen Menschen die Bedeutung der Elektrotechnik für sie und für die Gesellschaft vermitteln. Wie das gehen kann, dafür habe ich im Laufe meiner Recherche viele Vorschläge gehört. Alle klingen vielversprechend, welche davon umsetzbar und erfolgreich sind, wird die Zeit zeigen.

Was meiner Meinung nach aber besonders wichtig ist: Wir alle, die in der Branche arbeiten, müssen kräftig Werbung machen, bei jungen Leuten in unseren Familien, in unserem Bekannten- und Freundeskreis. Denn meiner Erfahrung nach hat das persönliche Umfeld immer noch den größten Einfluss, wenn es um die Zukunftsplanung geht. Also helfen wir alle mit, jungen Menschen zu zeigen, wie interessant, spannend und wichtig die Elektrotechnik ist!

Karriere in der Elektronik: Welche Möglichkeiten es gibt und was sich verdienen lässt

Frau sitzt vor einem Monitor und schaut ein Leiterplatten-Layout. Ein Mann schaut mit ihr zusammen auf den Bildschirm

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Elektroingenieure können sich die Stellen aussuchen

Außerdem sind sie nicht das einzige Unternehmen, dass Mitarbeiter braucht. Und da es deutlich mehr Stellen für Ingenieure als Bewerber gibt, muss das Unternehmen auch in anderen Regionen nach möglichen Kandidaten suchen. Und weil die Stelle auch eine Labortätigkeit beinhaltet, ist das Arbeiten vor Ort nötig. Viele Ingenieure sind aber zu einem Umzug in eine andere Region nicht bereit – und sie haben große Auswahlmöglichkeiten, da sie überall gefragt sind. Im Augenblick sucht das Team noch nach zwei weiteren Anwendungsingenieuren.

TDK-Lambda, ein Unternehmen, das Stromversorgungen herstellt, hat ähnliche Problem. Da sie die Wahl haben, suchen sich die meisten Ingenieure einen Arbeitsplatz in Wohnortnähe, die Pendelbereitschaft ist gering. Auch müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern viel bieten, um sie im Unternehmen zu halten, gerade auch was Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht.

Elektronische Geräte der drittletzen Generation: Ausschnitt aus dem Lehrplan-Plus für das Gymnasium in Bayern aus dem Jahr 2019.
Elektronische Geräte der drittletzten Generation: man könnte meinen diese Bild stammt aus einem sehr alten Schulbuch. Tatsächlich ist es ein Ausschnitt aus dem Lehrplan-Plus für das Gymnasium in Bayern aus dem Jahr 2019. Ist es da ein Wunder, dass Schüler oft kein zeitgemäßes Bild von der Arbeit eines Elektroingenieurs haben? (Bild: Screenshot aus https://www.lehrplanplus.bayern.de/)

Was tun Firmen, um neue Mitarbeiter zu finden?

Um Schüler auf das Unternehmen aufmerksam zu machen, will es mehr Präsenz auf Berufsinformationstagen an Schulen zeigen. Doch auch eine positive Entwicklung hat das Unternehmen zu vermerken: Es war dieses Jahr leichter, Azubis für 01.09.23 zu finden, als letztes Jahr. Schülerinnen und Schüler fragen auch wieder mehr nach Praktika. Die „Coronastarre“ scheint etwas überwunden zu sein.

Auch Christian Meyer, Leiter des Applikations-Teams für Umweltsensoren beim Halbleiterunternehmen Renesas, erzählt, dass es zunehmend schwierig ist, fachkundige Mitarbeiter gerade im Bereich Elektrotechnik zu finden. Das in Deutschland eher unbekannte Unternehmen muss mit zahlreichen namhaften Firmen um die Bewerber konkurrieren. Um auf ihr Unternehmen aufmerksam zu machen, will es neben allgemeinen Absolventenmessen vermehrt auf Veranstaltungen an Universitäten setzten, wie Tagungen und Konferenzen, die speziell für das Unternehmen geeignete Kandidaten ansprechen. Auf diese Weise ist es Christian Meyer bereits gelungen, direkt Studenten für sein Team zu gewinnen. Auch Mitarbeiter selbst auszubilden, lohnt sich seiner Ansicht nach, denn diese bleiben nach der Ausbildung sehr häufig im Unternehmen. Dennoch sucht er aktuell nach neuen Mitarbeitern.

Warum hat Elektrotechnik ein Imageproblem und was kann dagegen getan werden?

Das Angebot an interessanten Stellen für junge Elektroingenieure ist als groß. Und die Probleme, diese Stellen auch zu besetzen wachsen. Doch warum wollen so wenig junge Menschen in der Elektronik-Branche arbeiten, wo doch keine Generation davor die Erzeugnisse dieser Branche so sehr nutzt und auch durch den Klimawandel enorm von ihr abhängig ist? Mit dieser Frage hat sich auch der VDE beschäftigt und eine Studie durchgeführt. Das Ergebnis: Elektrotechnik hat bei Schülern ein sehr schlechtes Image. Das liegt daran, dass ihre Vorstellung vom Beruf des Elektronik-Ingenieurs falsch ist, in der er vor allem Stromleitungen und Kabel zusammenlötet und repariert.

Dr. Michael Schanz, Sprecher für Ingenieurstudium und -Beruf des VDE, erklärt im Interview, wie der VDE mit einer groß angelegten Social-Media-Kampagne Schülern ein Bild vom Beruf des Elektro-Ingenieurs vermitteln will, das sie anspricht und begeistert. Dafür sucht er noch Firmen aus der Branche, die bereit sind, den VDE bei dieser Aufgabe zu unterstützen.

Wie können wir Schülern vermitteln, wie wichtig Elektrotechnik für sie und die Gesellschaft ist?

Eines scheint jungen Menschen nicht bewusst zu sein: gerade für sie ist Elektrotechnik unglaublich wichtig! Denn um die Herausforderungen der Zukunft zu lösen brauchen wir Elektrotechnik. Egal ob es darum geht, im Alter mobil und selbstständig zu bleiben, oder darum, das wohl größte Problem unserer Zeit, den Klimawandel, anzugehen, überall spielt Elektrotechnik eine entscheidende Rolle.

Wie können wir Jugendliche also vermitteln, wie wichtig Elektronik und Elektrotechnik für die Gesellschaft ist? Denn nur wenn sie den Sinn in diesem Fach sehen, werden sie sich für einen Beruf in dieser Richtung begeistern. Diesen Sinn können interessierte Schüler besser begreifen, wenn sie die Anwendungen der Elektrotechnik und deren Wert für die Gesellschaft verstehen und so an diesen Herausforderungen mitarbeiten wollen.

Was gibt es für Möglichkeiten für Schüler, die Arbeit in Unternehmen kennenzulernen?

Auch viele Unternehmen und Hochschulen wollen über Social-Media auf ihr Unternehmen aufmerksam machen. Alexander Gauggel, der 2021 seinen Abschluss in Elektrotechnik gemacht hat, hält das für einen guten Weg. Er findet es heutzutage wichtig sich auf Online-Plattformen wie Instagram und Facebook richtig zu positionieren und präsentieren. Für ihn ist es insbesondere interessant, wie eine Firma die Welt bewegt oder Spitzenreiter auf Ihrem Gebiet ist.

Er selbst hat die Firma, in der er gerade arbeitet, über ein Praktikum kennengelernt. Viele Unternehmen bieten Schülern diese Möglichkeit an. Daneben gibt es oft auch Firmenführungen für Schüler oder Aktionstage, wie den Girls‘ Day oder „Maus Türöffner-Tag“, an denen Kinder und Jugendliche sich ein Bild von der Arbeit vor Ort machen und mit Spaß in technische Bereiche reinschnuppern können.

Neben den Unternehmen gibt es auch einige Hochschulen die in Kooperation mit Schulen spannende Projekte für Schüler im Bereich Elektrotechnik anbieten, wie in Hamburg, wo Schüler die Möglichkeit haben, bei Forschungsprojekten mitzuarbeiten.

Ein guter Weg für ein besseres Verständnis der Elektrotechnik wäre nach Ansicht von Ralf Brederlow, Professor für Schaltungsentwurf an der Technischen Universität München (TUM), diese stärker in den Schulunterricht zu integrieren, entweder als wesentlicher Teil des Physikunterrichts oder sogar als eigenes Schulfach. Allerdings ist hierbei die Frage, wie sich Elektrotechnik in den Lehrplan integrieren lässt, ohne dass andere wichtige Fächer zu kurz kommen. Aber dass sich dieser Weg lohnen kann, zeigt das Beispiel Informatik, die inzwischen in den meisten Bundesländern ein Schulfach ist und bei der die Studierendenzahlen kontinuierlich steigen.

Viele junge Menschen denken, Elektrotechnik ist zu schwer

Manfred Schussmann, Ausbildungsleiter bei Kuka, spricht im Interview noch einen anderen Grund an, warum sich viele Schüler einen Beruf in der Elektronik-Branche nicht vorstellen können: sie befürchten, dass Elektrotechnik zu schwer für sie ist. Bedingt durch Corona fielen die Berufs- und Studienberatung durch die Schule weitgehend weg, deshalb blieben für viele Schüler die Eltern und das nähere Umfeld als Ratgeber. Wenn sich hier niemand befindet, der zu einem Ingenieursstudium oder einer Ausbildung rät und Mut macht, trauen sich viele diesen Weg nicht zu. Wie viele andere Firmen setzt auch Kuka auf Veranstaltungen und Praktika. Jungen Leute auf solchen Veranstaltungen direkt anzusprechen, ist für ihn der erfolgreichste Weg, um sie für das Unternehmen zu gewinnen. Er wünscht sich eine regelmäßigen Austausch zwischen Schulen, Eltern und Firmen, um Maßnahmen abzustimmen.

Warum sollten junge Leute in der Elektronikbranche arbeiten?

Strategien, um junge Menschen für einen Beruf in der Elektronikbranche zu gewinnen, gibt es also viele. Unternehmen und Professoren arbeiten bereits an der Umsetzung. Und in einem Punkt sind sie sich alle einig: Es lohnt sich für junge Menschen, einen Beruf in der Elektronik-Branche anzustreben! Denn so haben sie nicht nur eine sichere, gut bezahlte Stelle in Aussicht, die Arbeit verspricht auch viel Spaß und Abwechslung und vor allem: in der Elektronikbranche können junge Menschen aktiv helfen, die Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawende und Energiekrise zu meistern und eine komfortablere, sicherere und nachhaltigere Zukunft mitgestalten.

Die Autorin: Sabine Synkule

Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)

Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.

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