Ausbildung an einer echten Industrieroboterzelle: dieses Konzept entwickelt sich in der Gewerblichen Schule Göppingen zum Erfolgsmodell.

Ausbildung an einer echten Industrieroboterzelle: dieses Konzept entwickelt sich in der Gewerblichen Schule Göppingen zum Erfolgsmodell. (Bild: Kuka)

Bei einer Umfrage im Auftrag von Kuka sind die deutschen Schulen bei der Vorbereitung auf Robotik und Digitalisierung sehr schlecht weggekommen. Wo liegen die Ursachen dafür?

Durch Initiativen wie Industrie 4.0 gibt es schon seit mehreren Jahren ein gewachsenes Bewusstsein für Robotik im Allgemeinen und punktuell ist das auch in den Bereich der Bildung vorgedrungen. Das Problem ist eher, dass es bisher keinen einheitlichen strategischen Ansatz gegeben hat, das Thema auch in die Schule zu bringen.

Was meinen Sie damit?

Schulen und Schulträger haben zwar teilweise Förderung bekommen in Form von Geld, wurden aber ansonsten eher allein gelassen. Dazu eine Anekdote: Vor einigen Jahren gab es in Baden-Württemberg den Plan Lernfabrik 4.0, um das Thema digitalisierte Fertigung in miniaturisierter Form in die Schulen zu bekommen. Die Idee wurde im Juli den Schulleitern vorgestellt, bis zum Ende des Jahres sollte das Geld verbraucht sein.

Was kam angesichts dieser Rahmenbedingungen dabei heraus?

Es gab dann einige Installationen, wo wirklich schöne vordefinierte Anlagen hingestellt worden sind. Aber das Resultat war, dass die Lehrer mangels Schulung und ausreichend Einarbeitungszeit in all die darin verbauten Wissensgebiete teilweise gar nicht in der Lage waren, die Anlagen zu bedienen - und die Schüler durften oft nur dabei zuschauen, wenn die Lehrer die Anlage eingeschaltet haben.

Gibt es auch positive Beispiele?

Durchaus! An der Gewerblichen Schule Göppingen etwa sind seit dem Schuljahr 2020/21 sechs vernetzte “ready2_educate”-Roboterzellen von Kuka im Einsatz, gekoppelt mit Computer-Arbeitsplätzen zur Programmierung. Insgesamt 12 Schüler können pro Unterrichtseinheit die Schulungszellen nutzen. Auf großen Projektionsflächen präsentieren die Lehrer Inhalte und Szenarien, während die jungen Frauen und Männer sowohl „lehrerzentriert“ informiert werden als auch synchron an den Computer-Arbeitsplätzen und den Roboterzellen mitarbeiten können.

Diese Konstellation bringt allen Beteiligten etwas: Schulabgänger im Markt haben dann schon eine Robotik-Grundausbildung, und die Firmen müssen ihre Berufsanfänger nicht erst zu Schulungen schicken. Und für Schülerinnen und Schüler ist eine Schule mit so einem Angebot sehr attraktiv.

Woran entscheidet sich, ob ein Projekt gut läuft?

Es steht und fällt in der Regel immer mit dem Lehrer oder Ausbilder, der das betreut. Wenn Projekte durch Lehrkräfte getrieben werden, die Leidenschaft für das Thema und überdurchschnittliches Engagement aufbringen, dann funktioniert es, wie wir bei der Installation in Göppingen gesehen haben: Dort sind einige Lehrer die das Thema Robotik mit Leidenschaft im Team betreiben und ihren Schülern etwas bieten wollen.

Kurzvita Frank Zimmermann

Frank Zimmermann
Frank Zimmermann (Bild: Kuka)
  • Geboren 1977 im fränkischen Taubertal
  • Gymnasium, dann Schreinerlehre
  • Studium der Holztechnik, Diplomarbeit zum Thema Robotereinsatz in der Holzbranche
  • Seit 2006 bei KUKA als Business Development Manager für die Holzbranche.
  • Seit 2012 Business Development Manager Education

Göppingen ist eine berufsbildende Schule, aber in welchen Alter kann den eine Heranführung an Robotik sinnvollerweise beginnen?

Ich würde mal behaupten, ab einem Alter von 10 Jahren kann man wirklich anfangen mit der Vermittlung eines Bewusstseins für diese Technologie. Darunter findet das mehr auf einer spielerischen Ebene statt. Ich war kürzlich im Rahmen der European Robotics Week mit einem Lego-Roboter und Kuka-Programmieroberfläche an der dritten Klasse einer Grundschule und die Begeisterung dafür war dort riesig. Im Übrigen ist da auch kein Unterschied feststellbar zwischen Jungen und Mädchen. Und das setzt sich fort: Wir hatten kürzlich ein Forscherinnencamp bei Kuka, an dem 15-jährige Augsburger Schülerinnen teilgenommen haben. Aufgabe war, mithilfe von Robotik einen nachhaltigen Supermarkt zu realisieren. Die Mädchen hatten da überhaupt keine Berührungsängste. Es kommt nur darauf an, erst einmal den Kontakt zu der Thematik herzustellen, weil es hier viel Unwissenheit und falsche Vorstellungen darüber gibt, wie das in der Realität aussieht.

Bräuchte es für dieses Thema, das für die gesamte Robotik-Branche von enormer Bedeutung ist, nicht einen koordinierten Ansatz aller relevanter Unternehmen?

Ich bin hier in Kontakt mit meinem Pendants bei den anderen Hersteller, weil wir ja alle mit dem gleichen Problem kämpfen müssen und es gibt hier schon Annäherungen.

Zum Beispiel?

Wir haben über den VDMA die Nachwuchsstiftung Maschinenbau, die auch Lehrer-Fortbildungen für gewisse Themen anbietet. Das sind etwa Workshops verschiedener Hersteller, um den Lehrkräften das Thema Robotik näherzubringen. Wir sind damit vor etwa drei Jahren gestartet, aber leider von Covid ausgebremst worden. Ein anderes Beispiel war die Training Zone auf der Messe Automatica in diesem Jahr, wo mehrere Hersteller mit ihren Produkten vertreten waren. Man muss einfach dorthin gehen, wo man die Zielgruppe trifft.

Aber letztlich gibt es in Deutschland nun einmal 16 Bundesländer und 16 Lehrpläne. Wie ließen sich die damit verbundenen Hürden überwinden?

Es wäre schon viel gewonnen, wenn es in der Bildungslandschaft eine Übereinkunft geben würde, in welcher Art und Weise und in welcher Intensität man Robotik in den unterschiedlichen Ausbildungsstufen konkret einbringen möchte. Heute steht in manchen Lehrplänen vielleicht der Begriff Robotik als Thema, aber keine weitere Beschreibung, ob dann ein Spielzeugroboter im Klassenzimmer stehen soll oder ein Industrieroboterarm.

Muss es denn immer gleich der Industrieroboter sein?

Nicht zwingend, das wird kaum möglich sein. Deswegen arbeiten wir auch daran, Inhalte zu dem Thema auf digitalem Weg bereitzustellen - und damit meinen wir nicht Schulungsunterlagen als PDF statt auf Papier. Es geht dabei um kleine Informations-Nuggets, die man per Web-Training oder E-Learning App zur Verfügung stellen kann. Auch Augmented Reality bietet tolle Möglichkeiten, etwa sich die Roboterzelle per Smartphone oder Tablet virtuell ins Klassenzimmer zu stellen. So kann sich - im Gegensatz zum realen Roboter - jeder Schüler seine eigene Zelle hinstellen und damit arbeiten!

Mithilfe von Augmented Reality kann eine Roboterzelle auch virtuell zum Beispiel in ein Klassenzimmer kommen.
Mithilfe von Augmented Reality kann eine Roboterzelle auch virtuell zum Beispiel in ein Klassenzimmer kommen. (Bild: Kuka)

Tutorium beim Roboter

Arbeitet erfolgreich als Tutorin: Pepper
Arbeitet erfolgreich als Tutorin: Pepper (Bild: Lutz Ziegler / Universität Würzburg)

An der Universität Würzburg unterstützt ein Roboter Studierende bei der Klausurvorbereitung – mit großem Erfolg. Wer die Tutorien von "Pepper" besucht, schreibt im Schnitt bessere Noten. Konkret können Studierende bei dem kleinen humanoiden Assistenzroboter den Stoff aus den Vorlesungen Medieninformatik 1 & 2 von Professorin Birgit Lugrin nachbereiten.

Wie sieht so ein Robotertutorium genau aus? Das beantwortet Melissa Donnermann. Sie schreibt zu dem Thema ihre Dissertation mit dem Titel „Benefits of Robotic Tutors in Higher Education“ bei Birgit Lugrin: „Pepper bietet Einzeltutorien an. Diese sind auf adaptives Lernen ausgelegt, sie stellt sich also auf den Wissensstand der Studierenden ein, merkt sich Lernerfolge und passt die Aufgaben entsprechend an.“ Die nötigen Informationen erhält sie von den Studierenden vorab per Eingabe auf einem Tablet und aus den Antworten auf gestellte Fragen.

Was aber unterscheidet die Arbeit mit Pepper von einer herkömmlichen Lernsoftware? „Hier kommt die soziale Komponente ins Spiel“, so Melissa Donnermann. „Pepper spricht die Teilnehmenden mit Namen an, sie lobt zwischendurch, sucht Blickkontakt und gestikuliert.“ Studien zeigen, dass solche Aspekte beim Lernen wichtig sind.

Trotz dieser - meist von der Industrie getriebenen - Initiativen ist die Zahl der StudienanfängerInnen bei Elektrotechnik und Maschinenbau in den letzten zehn Jahren stark zurückgegangen - trotz eines ausgeweiteten Angebots. Was läuft da schief?

Vielfach ist das Maschinenbau-Image noch etwas verstaubt. Schon der Name lässt an Maschinen, Staub, Öl und Dreck denken - und nicht daran, dass etwa Produktionsanlagen und deren Betrieb heute zu 70 oder 80 % aus Software bestehen. Hier muss ein neues Bewusstsein geschaffen werden und die Attraktivität dieser Berufe wieder stärker herausgestellt werden, um ins Bewusstsein der Jugendlichen zu kommen.

Wie kann man gegen diese Trends angehen?

Zum Beispiel, indem die Unternehmen wieder mehr selbst ausbilden. Ich habe von Betrieben gehört, die ihre Lehrwerkstätten, die sie vor sechs oder sieben Jahren stillgelegt haben, jetzt wieder reaktivieren. Sie haben gemerkt, dass sie vom Arbeitsmarkt keine qualifizierten Fachkräfte mehr bekommen.

Hat auch Corona bei der aktuellen Situation eine Rolle gespielt?

Absolut. Durch die Pandemie hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man nicht länger an dem Ort leben muss, an dem das Unternehmen ist, für das man arbeitet. Umgekehrt hat das für Arbeitgeber natürlich zur Folge, dass man nicht mehr nur mit den Unternehmen am gleichen Ort etwa um Softwareentwickler konkurriert, sondern auch mit weiter entfernten Unternehmen.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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