KI erkennt Fehler im Nanobereich

Smartphone-PCBs unter der Lupe

Die KI-gestützte Inspektionstechnologie erkennt selbst mikroskopisch kleine Defekte auf Smartphone-PCBs – ein entscheidender Vorteil bei der Fertigung immer dünnerer und leistungsfähigerer Mobilgeräte.

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Die Größe und Wettbewerbsfähigkeit der Mobiltelefonbranche hat Investitionen und Innovationen in vielen anderen Branchen vorangetrieben, von der Bildverarbeitung über Software bis hin zur Metallurgie. Nur wenige Branchen waren von dieser Entwicklung so betroffen wie der Halbleitermarkt, wo die Nachfrage nach höherer Leistung in kleineren Gehäusen seit Jahrzehnten ungebrochen ist. Die letzten iPhones, die Apple vorgestellt hat, sind teilweise mit den neuen A17 Bionic-Chips ausgestattet. Diese werden mit einem neuen 3-nm-Fertigungsprozess von TSMC hergestellt. Berichten zufolge kauft Apple von diesen Chips alles auf, was TSMC herstellen kann. Diese Chips sind angeblich kleiner, schneller und energieeffizienter als ihre 5-nm-Vorgänger. Nach Angaben von Apple verfügt jeder Chip über 19 Mrd Transistoren, einige davon so klein, dass ihre Elemente nur 12 Siliziumatome breit sind.

Der gleiche Druck besteht auch bei der Herstellung von Leiterplatten: Berichten zufolge [1] wird Apple für sein neues Leiterplattenmaterial auf RCC-Folie (Resin Coated Copper) umsteigen, wodurch das Unternehmen die Leiterplatten noch dünner machen kann. Dies wird eine Herausforderung für die Hersteller sein, da RCC-Folien sehr empfindlich sind. Forscher haben in der IEEE veröffentlicht [2], dass dieses Material besonders anfällig für Hitze und Druck im Laminierungsprozess ist.

Es reicht nicht aus, innovativ zu sein – man muss auch Gewinn machen. Ein Bericht, der kürzlich von The Information [3] veröffentlicht wurde, beschreibt die günstigen Bedingungen, die sich Apple gesichert hat, um seine Kosten niedrig zu halten: Im Gegenzug für die riesigen Aufträge muss TSMC die Kosten für fehlerhafte Prozessorchips übernehmen. Während Unternehmen wie TSMC ihre Wettbewerbsfähigkeit mit der Entwicklung kleinerer Prozessknoten zur Verringerung der Chipgröße und des Stromverbrauchs anpreisen, werden sie auf der Qualitätsseite vor großen Herausforderungen stehen.

AOI für die Qualitätsprüfung von PCB

Für viele Unternehmen ist die Qualitätskontrolle der größte Engpass in der Herstellungskette von Leiterplatten, einschließlich der Zuverlässigkeitsprüfung und der Nachbearbeitung fehlerhafter PCBs. Eine Verbesserung der Geschwindigkeit und Effizienz der Qualitätskontrolle kann die Produktionsausbeute und den Durchsatz erheblich steigern und so die Herstellungskosten und den Ausschuss verringern.

Beispiele für Fehler an Leiterplatten

Die meisten Leiterplattenhersteller verwenden AOI zur Überwachung von Fehlern an ihren Leiterplatten. Diese liefern aussagekräftige Ergebnisse bei Fehlern an den Lötstellen, bei Anschlüssen, Pads und Leiterbahnen auf Leiterplatten. AOI-Systeme erweisen sich auch als sehr nützlich für die frühzeitige Erkennung von Problemen, die während der Montage auftreten, unter anderem Kurzschlüsse, offene Schaltkreise, dünne Lötstellen oder Kratzer auf Leiterbahnen. Insbesondere Kratzer können für eine Leiterplatte „tödlich“ sein, da sie ihre elektrischen Eigenschaften verändern und so möglicherweise zu einer völligen Fehlfunktion des fertigen Produkts führen.

AOI-Systeme haben den Vorteil, dass sie direkt am Ende der Leiterplattenproduktionslinie, vor der Laminierung und dem Ätzen, eingesetzt werden können und so mögliche Fehler früher als andere Methoden entdecken. Bildgebende Systeme erfassen hochauflösende Bilder mit einer Auflösung von bis zu einigen Mikrometern und vergleichen diese dann mit Bildern einer „perfekten“ Modellleiterplatte (auch als „goldene Leiterplatte“ bekannt) oder mit einer Bilddatenbank, die sowohl akzeptable als auch fehlerhafte Muster enthält. AOI-Systeme führen nicht nur Tests an der zu bestückenden Leiterplatte durch, sondern können auch den Fertigungsprozess selbst überwachen. Bestückungsautomaten können auf erkannte Fehler in Echtzeit reagieren und Bestückungsfehler wie Fehlplatzierungen und Ausrichtungsfehler korrigieren.

Warum klassische Bildverarbeitung an Grenzen stößt

Die steigende Nachfrage nach kleineren und leistungs-fähigeren Bauteilen erhöht die Komplexität bei der Fehlererkennung. Ein Halbleiter-OEM stand vor der Herausforderung, feine Defekte an PCB-Komponenten wie Brüche, Abrieb, Verunreinigungen, Fragmente und Luftblasen zuverlässig zu identifizieren. Herkömmliche regelbasierte Bildverarbeitungssysteme lieferten nicht die notwendige Genauigkeit, wodurch vermehrt fehlerhafte Teile unentdeckt blieben und die Kosten stiegen. Eine alternative Lösung war erforderlich.

Transistoren auf einer Leiterplatte können viele kleine Abweichungen aufweisen, die sich auf die Leistung auswirken können oder auch nicht.

Zur Überwindung der Herausforderungen setzte der OEM auf maschinelles Lernen, um die Genauigkeit bei der Defekterkennung auf Leiterplatten zu erhöhen. Zum Einsatz kam die Inspektionssoftware Sapera AI von Teledyne mit dem AI-Trainingstool Astrocyte. Die Sapera AI-Software ermöglichte es dem Unternehmen, seine regelbasierten Algorithmen innerhalb seiner AOI-Systeme um Funktionen mit künstlicher Intelligenz zu erweitern. Die Lösung erlaubte eine präzisere Erkennung feiner Defekte wie Brüche, Abrieb, Verunreinigungen und Fragmente, ohne grundlegende Systemstrukturen ändern zu müssen.

Mit Sapera AI konnte der OEM eine Genauigkeit von 98 % bei der kontinuierlichen Klassifizierung mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 14 ms für 200 Bilder und eine Genauigkeit von 100 % für 453 gute und 11 schlechte Bilder erreichen. Zudem wurde eine Genauigkeit von 99,62 % bei 259 Bildern und einer Geschwindigkeit von 20 ms für die Objekterkennung erreicht, wenn gleichzeitig nach mehreren Defekten auf einem Teilebild gesucht wurde.

Die Fortschritte im maschinellen Lernen haben die Qualitätskontrolle in der Elektronikfertigung grundlegend verändert. Während früher hunderte oder gar tausende Beispielbilder nötig waren, um ein KI-System zu trainieren, genügen heute dank vortrainierter Deep-Learning-Modelle oft schon wenige Dutzend.

Der Halbleiter-OEM konnte mit Teledynes Sapera AI Software seine Produktionslinie so optimieren, dass feine Defekte auf Leiterplatten zuverlässig erkannt wurden – ganz ohne aufwändige manuelle Prüfung. Die KI-basierte Lösung erwies sich als deutlich präziser und konsistenter als die bisher eingesetzte regelbasierte Bildverarbeitung.

Das Ergebnis: höhere Erkennungsgenauigkeit, schnellere Prüfprozesse und deutlich weniger Ausschuss – bei gleichbleibend hoher Produktqualität innerhalb seiner Spezifikationen.

Vorbereitung auf das Jahr 2030

Die Halbleiterbranche erholt sich weiterhin von der globalen Knappheit, die 2021 begann. Trotz positiver Prognosen – etwa von McKinsey [4], die den Großteil des künftigen Wachstums in der Automobilindustrie, Datenverarbeitung und drahtlosen Kommunikation sehen – kämpfen diese Sektoren noch mit verzögerten Produkteinführungen, höheren Kosten und gestiegenen Anforderungen. Der Handlungsdruck bleibt hoch.

Durch den Einsatz von maschinellem Lernen und KI-gestützter Software lassen sich Geschwindigkeit und Präzision in der Qualitätskontrolle – dem zentralen Engpass bei der Leiterplattenproduktion – deutlich steigern. Anstatt als Schwachstelle zu gelten, kann die Qualitätskontrolle zum Wettbewerbsvorteil werden: durch höhere Effizienz, reduzierte Kosten und gestärktes Vertrauen in einem anspruchsvollen Marktumfeld.

Verbesserte Produkte sind dabei nur ein möglicher Effekt. Halbleiterunternehmen gehören bereits zu den Vorreitern in der Datenerfassung und -analyse. Die von KI und maschinellem Lernen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich jedoch auch auf andere Bereiche übertragen – etwa auf vorausschauende Wartung, Ertragsprognosen, F&E-Strategien, Marktanalysen und Produktoptimierung.

Quellen:

[1]: www.macrumors.com/2023/09/26/apple-looking-to-save-

space-with-thinner-pcbs/

[2] : www.ieeexplore.ieee.org/document/4249896

[3] : www.theinformation.com/articles/how-apple-will-save-

billions-of-dollars-on-chips-for-new-iphone

[4]: www.mckinsey.com/industries/semiconductors/our-insights/

the-semiconductor-decade-a-trillion-dollar-industry

Autor

Bruno Ménard, Software Director, Teledyne DALSA, Krailling