
Es wird zunehmend leer in deutschen Hochschul-Lehrsäalen - zumindest was die technischen Studiengänge angeht. (Bild: Adobe Stock / Anke Thomass)
Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von 2022 lässt sich die jüngste Entwicklung der StudienanfängerInnenzahlen nicht mehr als „kontinuierliche Expansion des Hochschulbereichs“ begreifen – die Zahl der StudienanfängerInnen ist vielmehr gesunken. Angesichts der zeitgleich steigenden Studienangebote und Studienmöglichkeiten haben Forschende des HIS-Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE) in Hannover genauer betrachtet, ob sich in den verschiedenen Bereichen des Hochschulsystems unterschiedliche Entwicklungen abzeichnen.
Das Destatis verzeichnet zwischen dem Jahr 2000 und 2020 einen Anstieg der Studierenden in Deutschland von gut 1,5 Millionen auf knapp 3 Millionen. Bei den StudienanfängerInnen hingegen zeigt sich ein ganz anderes Bild: Nach einem Anstieg von gut 250.000 (2000) auf rund 500.000 zu Beginn der 2010er Jahre stagniert die Zahl seitdem auf diesem Niveau und sinkt tendenziell eher leicht ab (2020: 490.204).
Allerdings sind je nach Studiengang ganz unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten: Während nämlich in Bereichen wie Psychologie, Sozialwesen sowie Verwaltungs- und Gesundheitswissenschaften die Zahl der StudienanfängerInnen zwischen 2011 und 2020 prozentual stark gestiegen sind, gab es bei Elektrotechnik und Maschinenbau entsprechen deutliche Rückgänge, wie folgende Grafik des HIS-HE zeigt:

Ein kleiner Lichtblick stellt der Bereich der Informatik dar, der ebenfalls zu den Gewinnern gehört, allerdings mit gerade einem Viertel des Zuwachses, den etwa Psychologie verzeichnen kann.
Bei den möglichen Ursachen der Entwicklung können auch die Forschenden des HIS-HE bislang nur Mutmaßungen anbieten: So heißt es in ihrem Paper "Expansion oder Stagnation im Hochschulbereich?", die steigende Beliebtheit der nicht-technischen Studiengänge könnte mit dem starken Zuwachs des Frauenanteils an den Studienanfängern zusammen hängen. Maschinenbau und Elektrotechnik gehörten zudem zu den Disziplinen, die durch Labore "möglicherweise auch zu den für die Hochschule teureren Studiengängen zählen."
Private Hochschulen stark auf dem Vormarsch in Deutschland
In diese Richtung deutet auch eine klare Verschiebung bei der Struktur der Hochschulen in Deutschland, so das HIS-HE: Mit über 100 Hochschulen stellen die privaten Hochschulen mittlerweile einen nennenswerten Teil der Studienangebote in Deutschland. Während an den staatlichen Fachhochschulen zwischen 2011 und 2019 keine bemerkenswert auffällige Veränderung der StudienanfängerInnenzahlen zu verzeichnen ist, zeigt sich im Jahr 2020 eine Abnahme von 6 Prozentpunkten. An den Universitäten fällt dieser negative Trend deutlicher aus. Von 2011 auf 2012 und nochmals von 2018 bis 2020 sinken die StudienanfängerInnenzahlen an staatlichen Universitäten erheblich:

Als Fazit ihrer Analyse empfehlen die Forschenden des HIS-HE den Hochschulen, stärker das Instrument einer gezielten proaktiven Studierendenakquise einzusetzen. Angesichts der steigenden Studienangebote und stagnierenden StudienanfängerInnenzahlen wurden an manchen Hochschulen bereits Servicestellen eingerichtet, die den Fokus auf die Studierendenakquise legen.
Zumal die Zahlen des Statistischen Bundesamtes durchaus auch einen Lichtblick für die technischen Studiengänge bieten: Insgesamt gesehen stellen die Studierenden der Ingenieurwissenschaften im Wintersemester 2021/22 mit einem Anteil von 26 % nach wie vor die zweitgrößte Gruppe an den deutschen Hochschulen dar, wie die folgende Grafik von Destatis zeigt:

Der Autor: Peter Koller

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.