Wie lässt sich mit KI die Qualitätsprüfung optimieren?
KI an der THT-Linie
Fehler erkennen, bevor sie entstehen – direkt beim manuellen Bestücken: Was nach Zukunft klingt, wird bei Tonfunk Ermsleben derzeit Realität. Das Unternehmen arbeitet daran, mithilfe von Machine Learning, künstlicher Intelligenz und sprachgestützten Assistenzsystemen die Qualitätssicherung an der THT-Linie auf ein neues Niveau zu heben.
Petra GottwaldPetraGottwaldPetra GottwaldChefredakteurin Elektronik-Titel
3 min
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Im Rahmen einer unternehmensweiten Digitalstrategie testet Tonfunk verschiedene KI-Ansätze – von bildgestützten Machine-Learning-Systemen bis hin zu lernenden, adaptiven Anwendungen, die in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt werden. Ziel ist es, die Schnittstelle zwischen Mensch, Maschine und Datenanalyse intelligenter und intuitiver zu gestalten.
Die THT-Bestückung ist trotz digitaler Prozesse echte Handarbeit – und damit naturgemäß fehleranfällig. Vor allem Verpolungen oder fehlende Bauteile fielen in der Vergangenheit oft erst spät auf, weshalb der Ort des Geschehens besser abgesichert werden sollte.
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Von der Bildverarbeitung zum lernenden System
Tonfunk evaluierte zunächst verschiedene Systeme unter realen Fertigungsbedingungen, um die Potenziale von Computer Vision und KI zu verstehen. Ein Beispiel war das System von Vision4Quality, das Werkerführung und visuelle Kontrolle kombiniert. Die dort gewonnenen Erfahrungen dienen heute als wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung.
Auf dieser Basis entsteht derzeit gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut eine modulare, lernende Plattform, die über klassische Bildverarbeitung hinausgeht. Das Ziel: Machine Learning soll Muster und Abweichungen erkennen, während Large Language Models (LLMs) als sprachbasierte Schnittstelle den direkten Austausch mit den Bedienenden ermöglichen.
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Die Vision: eine Fertigung, in der Menschen, Maschinen und Daten miteinander kommunizieren.IdeenGut GmbH & Co. KG
„Wir entwickeln ein System, das nicht nur erkennt, was passiert, sondern auch wie der Mensch darauf reagiert“, erklärt Qualitätsmanager Felix Huhn. Das bedeutet: Die KI soll künftig nicht nur prüfen, sondern auch assistieren, verstehen und erklären – und damit zu einem echten Partner im Produktionsprozess werden.
Technischer Hintergrund: ML, LLM und adap-tive Intelligenz
Während klassische Systeme auf starren Regeln basieren, lernen Machine-Learning-Modelle aus realen Beispielen. Sie analysieren Produktionsdaten, erkennen wiederkehrende Muster und sind dadurch anpassungsfähig gegenüber Varianten und Prozessänderungen.
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Parallel untersucht Tonfunk, wie LLMs (Large Language Models) als „verstehende Ebene“ dienen können – also als natürliche Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Über Spracheingabe und Dialog können sie künftig Fehlerbeschreibungen, Prüfergebnisse oder Prozessparameter erklären oder erfassen, während spezialisierte ML-Modelle im Hintergrund die eigentliche Analyse durchführen.
„Unser Ziel ist keine komplexe KI um der KI willen“, betont Huhn. „Gerade in der Fertigung zählen einfache, robuste Modelle, die zuverlässig arbeiten. LLMs schaffen die Brücke zum Menschen, während kleinere ML-Modelle präzise Entscheidungen im Hintergrund treffen.“
Diese Kombination – ein intelligenter Dialog nach außen und datengetriebene Intelligenz im Inneren – bildet die Kernidee der aktuellen Entwicklungsarbeit.
Praktische Einführung und laufende Tests
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Die bisherigen Pilotanwendungen zeigen, dass die Technologie im Alltag funktioniert. Erste Testsysteme sind im Einsatz, um typische Fehlerbilder wie Verpolungen oder fehlende Bauteile zu erkennen. Das visuelle Feedback im Prozess – etwa ein grüner Haken bei korrekter Bestückung – schafft Transparenz und Vertrauen.
„Die Rückmeldungen aus der Linie sind durchweg positiv“, so Huhn. „Gerade in der Nachtschicht sorgt die direkte Unterstützung für Entlastung und Sicherheit.“ Wichtig war dabei, die Mitarbeitenden von Anfang an einzubeziehen: „Wir haben klar kommuniziert, dass es um Unterstützung und Qualität geht – nicht um Kontrolle.“
Diese Offenheit und der hohe Praxisbezug sind entscheidend für den Erfolg des Projekts – und für die Akzeptanz zukünftiger, noch stärker vernetzter Systeme.
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„Wir wollten kein System, das Menschen ersetzt, sondern eines, das sie
unterstützt.“
Felix Huhn, Qualitätsmanager Tonfunk
Ausblick: Von der Bestückung zur lernenden Fertigung
Aktuell konzentriert sich das Projekt auf die visuelle Erkennung während der manuellen Bestückung. Doch der Blick geht weiter: Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut arbeitet Tonfunk daran, Machine Learning, LLMs und Robotik (Cobots) zu einem hybriden System zu verbinden.
Dieses System soll perspektivisch nicht nur sehen und erkennen, sondern auch handeln und interagieren – etwa durch automatisiertes Nachführen von Bauteilen oder adaptive Prozessüberwachung. Erste Konzepte und Prototypen sind in der Validierung.
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„Wir stehen mitten in der Entwicklung“, sagt Huhn. „Aber die Vision nimmt bereits Form an – die Kombination aus Sprache, Lernen und Handlung eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Qualität und Effizienz.“
Fazit: Ein realistischer Schritt in die Zukunft der Fertigung
Was bei Tonfunk entsteht, ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein laufender Entwicklungsprozess, der zeigt, wie KI, Machine Learning und Sprache in der Praxis zusammenwachsen können. Die Vision: eine Fertigung, in der Menschen, Maschinen und Daten miteinander kommunizieren, um Qualität dort sicherzustellen, wo sie entsteht. „Das schönste Feedback kam von den Kolleginnen und Kollegen in der Linie“, sagt Huhn. „Sie wollten das System gar nicht mehr hergeben.“
Für Tonfunk ist klar: KI ist kein Ersatz, sondern ein Partner – und diese Partnerschaft wird gerade Realität.
Autorin
Petra Gottwald, Chefredakteurin Elektroniktitel, nach Unterlagen von Tonfunk, Ermsleben