Viele Schüler sind schlecht darauf vorbereitet, was sie in einem bestimmten Beruf erwartet.

Viele Schüler sind schlecht darauf vorbereitet, was sie in einem bestimmten Beruf erwartet. Sie haben keine Vorstellung, wofür man einen Elektroingenieur braucht und interessieren sich deshalb nicht für ein Elektrotechnikstudium. (Bild: Racle Fotodesign - stock.adobe.com)

Laut Herrn Schanz vom VDE geht die Zahl der Erstsemesterstudenten im Fach Elektrotechnik immer mehr zurück. Können Sie diese Entwicklung auch an der Technischen Universität München spüren?

Ich habe mir vor kurzem diese Zahlen angeschaut. Wir sehen in den letzten zehn Jahren einen gewissen Rückgang der Einschreibungen in der Elektrotechnik. An der TUM ist dieser Trend zwar auch zu sehen, aber nicht so stark ausgeprägt, da sie sehr international ist und deshalb auch viele Studierende aus dem Ausland anzieht, allerdings schließt uns diese Tatsache von diesem Trend nicht komplett aus.

Haben Sie eine Erklärung für diesen Rückgang?

Ich denke, es sind ein paar Trends, die eine Rolle spielen: Zum einen ist aktuell die Informatik sehr präsent. Sie hat viel getan, um den Nachwuchs zu fördern, so ist sie in Bayern zum Beispiel inzwischen ein eigenes Schulfach, was sie den Schülern und Schülerinnen wesentlich bekannter macht. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass wir in der Elektrotechnik den einen oder anderen Schüler an dieses Fach verlieren. Allerdings bedeutet dieser Trend nicht, dass weniger junge Menschen Interesse an technischen Berufen haben, denn Elektrotechnik und Informatik sind ja technisch sehr nahe beieinander.

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Zum anderen habe ich als Vater bei meinen eigenen Kindern beobachtet, dass Schüler im Allgemeinen relativ schlecht darauf vorbereitet sind, was sie in einem bestimmten Beruf erwartet. Ich glaube, dass wir viele Schüler verlieren, weil sie keine Vorstellung davon haben, wofür man einen Elektroingenieur braucht. Ein Elektroingenieur ist nach seinem Jobprofil für die Steuerung und Funktion von elektronischen Geräten in unserem Alltag zuständig. Wenn er hier seinen Job gut macht, dann merkt das niemand, gerade weil er seinen Job gut macht. Wir alle nutzen zwar die Elektronik im Alltag, uns ist aber nicht klar, welche Arbeit der Elektroingenieur hineinstecken musste, damit die Technik immer und sicher funktioniert. Einen Rauchmelder zum Beispiel hat jeder Mensch heute vielfach zuhause, aber niemand weiß, dass er neben einem Rauchsensor auch einige 100.000 Transistoren zur Steuerung in allen sicherheitskritischen Situationen enthält und vor allem damit Leben retten kann.

Warum haben Schüler keine Vorstellung vom Beruf eines Elektrotechnikingenieurs?

Im Augenblick ist Elektrotechnik nur wenig in den allgemeinen bayrischen Physikunterricht integriert. In manchen Schulmaterialien wird außerdem ein Bild von Elektrotechnik vermittelt, dass einem veralteten Bild dieser Techniken entspricht. Damit ist jungen Menschen die Komplexität der aktuellen Technik nicht zu vermitteln.

Elektronische Geräte der drittletzen Generation: Ausschnitt aus dem Lehrplan-Plus für das Gymnasium in Bayern aus dem Jahr 2019.
Elektronische Geräte der drittletzen Generation: man könnte meinen diese Bild stammt aus einem sehr alten Schulbuch. Tatsächlich ist es ein Ausschnitt aus dem Lehrplan-Plus für das Gymnasium in Bayern aus dem Jahr 2019. Ist es da ein Wunder, dass Schüler oft kein zeitgemäßes Bild von der Arbeit eines Elektroingenieurs haben? (Bild: Screenshot aus Lehrplanplus.bayern)

Und die heute in der Praxis und im täglichen Leben vorrangige Halbleiterelektronik oder -schaltungstechnik finde ich beispielsweise im gesamten Lehrplan nicht.

Wie können wir Schüler für Elektrotechnik gewinnen?

Wir müssen Jugendlichen vermitteln, wie wichtig Elektrotechnik für die Gesellschaft und ihren Wandel ist. Nur wenn sie einen Sinn in diesem Fach sehen, werden sie sich für einen Beruf in dieser Richtung begeistern. Diesen Sinn können interessierte jungen Menschen besser sehen, wenn sie die Anwendungen der Elektrotechnik und deren Wert für die Gesellschaft verstehen und an diesen Herausforderungen mitarbeiten wollen. Ein guter Weg hierfür wäre, diese stärker in den Schulunterricht einzubinden, entweder als wesentlichen Teil des Physikunterrichts oder sogar als eigenes Schulfach. Allerdings ist hierbei die Frage, wie sich Elektrotechnik in den Lehrplan integrieren lässt, ohne dass andere wichtige Fächer zu kurz kommen. Und natürlich müssten einmal Lehrerkräfte entsprechend ausgebildet werden, um Elektrotechnik unterrichten zu können. Aber dass sich dieser Weg lohnen kann, zeigt das Beispiel Informatik. Sie ist bereits in den meisten Bundesländern ein Schulfach und hier steigen die Studierendenzahlen kontinuierlich.

Versucht die TUM, auch in Zusammenarbeit mit Schulen oder Firmen, aktiv Studenten zu gewinnen?

Zuerst einmal liegt unser Fokus an der Universität natürlich auf der allgemeinen Informationsvermittlung zu Studiengängen und dem generellen Unterschied zwischen Schule und Universität. Dazu gibt es eine Vielzahl von Informationsprogrammen, die zentral aber auch fachspezifisch Studienentscheidungen unterstützen sollen. Daneben gibt es im Kleinen natürlich viele Projekte von Professoren und Firmen. Allerdings geht es bei diesen Projekten meist um Ausbildung während des Studiums. Mir ist keine Aktivität speziell für Schüler und zusammen mit Firmen bekannt.

Ich fände es allgemein auch nicht in Ordnung, wenn die Hochschule zu aktiv um neue Studenten für eine Studienrichtung an den Schulen wirbt, weil wir diese am Ende nur ausbilden, aber nur sehr wenige später selbst als Mitarbeiter einstellen werden.

Von wem sollte dann die Initiative kommen?

Die Initiative sollte von den Elektrotechnik-Unternehmen kommen. Denn volkswirtschaftlich gedacht müssen diejenigen, die die Arbeitskräfte suchen, den jungen Menschen auch vermitteln, dass sie gebraucht werden und dass der Job bei ihnen interessant ist. Hier würde ich gerne einen stärkeren Impuls sehen.

Welche Studiengänge im Bereich Elektrotechnik sind an der TUM besonders beliebt?

Im Bachelor haben wir im Wesentlichen nur den Studiengang Elektrotechnik und Informationstechnik. Im Masterstudium gibt es mehr Programme: Communications and Electronics Engineering und Neuroengineering werden neben dem klassischen Master in Elektrotechnik und Informationstechnik angeboten. Gerade Neuroengineering, als Schnittstelle zwischen Menschen und Robotik, spricht erfahrungsgemäß junge Leute an, da sie einen Sinn und eine Aufgabe darin sehen. Natürlich werden nicht alle, die Neuroengineering studieren, in genau diesem Bereich später eine Stelle finden, aber sie sind durch das Studium auch für andere Bereiche der Elektrotechnik qualifiziert.

Auch im Bereich Power-Engineering haben wir zurzeit viele Studenten, weil sie über die „Fridays-for-Future“-Bewegung gelernt haben, dass heutzutage die primäre Energiequelle für die meisten Dinge des täglichen Lebens elektrisch ist und deshalb die Elektronik in Sachen Klimaneutralität viel bewegen kann.

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Wir überlegen gerade, ob wir noch einen weiteren Studiengang mit Schwerpunkt in Richtung Mikroelektronik anbieten sollen.

Allerdings werden diese Studiengänge bewusst erst im Master angeboten, da im Bachelor erst die Grundlagen und das nötige theoretische Wissen vermittelt werden muss. Deshalb stehe ich auch hinter der Entscheidung der TUM, hier nicht zu viele verschiedene Studiengänge anzubieten.

Welche Studiengänge sind bei jungen Mädchen besonders beliebt?

Gefühlt ist es momentan ein Trend, dass Frauen stärker von Studiengängen angesprochen werden, hinter denen sie einen Sinn und einen Mehrwert für die Gesellschaft sehen, deshalb ist vielleicht auch in Communications and Electronics-Engineering und gerade in Neuroengineering der Frauenanteil besonders hoch. Generell ist der Frauenanteil bei englischsprachigen Studiengängen höher, aber auch bei deutschsprachigen Studentinnen sehen wir hier leichte aber kontinuierliche Verbesserungen.

Was sollten Schüler bei der Wahl des Studienfachs beachten?

Ein Interesse für die Sache ist das Wichtigste! Denn das Lernen neuer Themen ist dann schwer, wenn man sich dazu überwinden muss. Dinge, die Spaß machen, fallen nicht so schwer, auch wenn sie anspruchsvoll sind. Aber gerade das ist oft die Schwierigkeit, denn wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt, weiß man nicht, ob es Spaß macht.

Allerdings sollte das Studium nicht nur nach Interessen gewählt werde, sondern auch danach, welcher Beruf später Spaß machen könnte, denn in diesem verbringt man viel mehr Zeit als im Studium. Außerdem sollten sich Schüler bei ihrer Wahl auch überlegen, wo später volkswirtschaftlicher Bedarf ist.

Warum lohnt es sich, Elektrotechnik zu studieren?

Weil es einfach wahnsinnig Spaß macht und weil das Entwickeln neuer elektrischer Schaltungen ein kreativer Beruf ist! Man kann neue Anwendungen erschaffen, und man kann sie so erschaffen, dass sie später auch von anderen Menschen gern benutzt werden - und man verdient genug Geld, um seine freie Zeit sorgenfrei zu genießen. Ich kann hier im Moment wirklich aus der Praxis sprechen: Unsere Studenten finden sehr leicht gute Jobs und haben häufig viele attraktive Jobangebote. Also ist Elektrotechnik trotz und gerade wegen des Fachkräftemangels ein interessantes Studium.

Ralf Brederlow, Professor für Schaltungsentwurf an der Technischen Universität München.
Ralf Brederlow, Professor für Schaltungsentwurf an der Technischen Universität München. (Bild: Martin Koebele)

Ralf Brederlow studierte Physik in München und Würzburg. Dazu wurde er von seinem Vater inspiriert, der ebenfalls Physiker ist. Während seiner Diplomarbeit im Bereich Halbleiter, merkte er, dass Ihn vor allem die Anwendung interessiert, deshalb entschied er sich, in den Siemens-Forschungslaboratorien zu promovieren. Seine langjährige Industrieerfahrung kann er heute als Professor an der TUM an die Studierenden weitergeben.

Die Autorin: Sabine Synkule

Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)

Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.

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