Hersteller müssen nach dem Cyber Resilience Act für alle Produkte, die ab dem 11. Dezember 2027 im EU-Wirtschaftsraum verkauft werden, mindestens fünf Jahre lang Sicherheitsupdates bereitstellen und die Rückverfolgbarkeit sicherstellen.Rutronik, generiert mit KI
Ab Ende 2027 gelten neue Cybersicherheitsvorgaben für alle vernetzten Produkte in der EU. Der Cyber Resilience Act verpflichtet Hersteller zu langfristigem Support – ein Einschnitt mit direkten Folgen für Komponentenstrategie und Lieferantenauswahl.
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Es ist Freitag, der 10. Dezember 2027. Wie jedes Jahr: In zwei Wochen ist
Weihnachten – und noch immer fehlen Geschenke. Der Neffe, ein Technikfreak,
schwärmt von einem smarten Fingerring, die Tante träumt von einer neuen
Küchenmaschine – also ab in den Elektronikmarkt. Dort war jedoch bereits
Feierabend.
Glück im Unglück: Die Geräte, die am 11. Dezember 2027 gekauft wurden,
fielen unter eine neue Regelung – den Cyber Resilience Act (CRA). Dieser „verpasste“
Freitag würde einmal entscheidend sein.
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Fünf Jahre später im Jahr 2032. Die Geschenke werden noch genutzt – bis
plötzlich Probleme auftreten. Der Ring zeigt falsche Gesundheitswerte an und
die Küchenmaschine macht merkwürdige Kaufvorschläge. Eine Untersuchung im Labor
der Digitalforensik ergibt: Beide Geräte wurden kompromittiert. Im Ring wurde die Firmware
aktualisiert, allerdings nicht vom Hersteller. Auch der Kochautomat wurde per
Funk von unbekannten Dritten umprogrammiert. Solche Manipulationen sind bei
Geräten möglich, die einen Rechenkern für Software sowie eine Schnittstelle zur
Änderung der Software enthalten – und genau hier greift der CRA.
Um europäische
Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Cyberangriffen zu schützen, hat die
Europäische Union bereits im Jahr 2024 den CRA verabschiedet. Dieser
verpflichtet Hersteller, für alle Produkte, die ab dem 11. Dezember 2027 im
EU-Wirtschaftsraum verkauft werden, mindestens fünf Jahre lang
Sicherheitsupdates bereitzustellen und die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen.
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Um europäische Verbraucher besser vor Cyberangriffen zu schützen, hat die Europäische Union bereits im Jahr 2024 den CRA verabschiedet.Sidney vd Boogaard - @stock.adobe.com
Das Beispiel
des smarten Vitalfingerrings zeigt, welche Folgen das hat. Der Hersteller muss für
die zu erwartende Nutzungsdauer, jedoch im obigen Fall mindestens bis zum 11.
Dezember 2032 bekanntwerdende Sicherheitslücken schließen. Wird etwa der
Bluetooth-Pairing-Prozess manipuliert, liegt die Verantwortung zunächst beim
Ringhersteller. Dieser muss sich wiederum an den Lieferanten des verbauten
Bluetooth-Systemchips wenden. Ist der Chip mängelfrei, liegt das Problem also
nicht in der Hardware, sondern in der Protokollsoftware, also im
Bluetooth-Stack. Und dieser stammt oft von Drittanbietern, häufig aus Asien.
Dann bleibt nur zu hoffen, dass der Chiphersteller mit dem Stack-Entwicklungsunternehmen
auch einen langfristigen Support vertraglich geregelt hat. Fünf Jahre sind in
Standardverträgen bislang keine übliche Frist. Im Industrieumfeld ist die zu
erwartende Nutzungsdauer sogar zumeist erheblich länger.
Ganz so fiktiv
ist dieses Szenario nicht: Im Jahr 2020 wurde tatsächlich eine gravierende
Bluetooth-Sicherheitslücke entdeckt. Alle Hersteller von Bluetooth-ICs – und
damit von Softwarestacks – hatten diesen Fehler übernommen und in ihre Produkte
eingebaut. Hätte einer der Halbleiterhersteller den Fehler eigenmächtig
korrigiert, wäre seine Software nicht mehr Bluetooth-konform gewesen. Erst als
die Bluetooth Special Interest Group (BSIG) die Spezifikation korrigierte,
konnten die Halbleiterhersteller Updates erstellen und die Geräte nachträglich
patchen.
Die Lehre daraus ist: Hersteller, die ihre Prozesse im Griff haben, werden
vom CRA profitieren, während andere an den neuen hohen Anforderungen scheitern
werden. Es reicht nicht
mehr aus, dass eine Baugruppe einfach funktioniert. Entscheidend ist, ob auch
in fünf Jahren noch Updates möglich sind – und ob die Lieferanten dafür
einstehen.
Mit Weitsicht
wählt man heute Chipproduzenten, die Hardware und Software aus einer Hand
liefern. So sitzt das Know-how unter einem Dach und der Kunde erhält eine
durchgängige, sichere Lösung. Die mühselige Fehlersuche an Schnittstellen
verschiedener Zulieferer entfällt, ebenso wie Verhandlungen mit Partnern, für
die die EU oft nicht der Hauptabsatzmarkt ist.
Der Cyber Resilience Act zwingt Hersteller dazu, Chips und Software-Stacks strategischer auszuwählen – Sicherheit, Herkunft und langfristiger Support werden zum Wettbewerbsfaktor.Monchisa - @stock.adobe.com
Das Problem
ist jedoch, dass Chipdesign und Funkstacks oft so vermarktet werden, als
stammten sie aus einer Hand – in der Praxis ist das jedoch nicht immer gegeben.
Einige Bluetooth-Chip-Hersteller konzentrieren sich auf das Hardwaredesign,
während die Stacks zugekauft werden. Genau diese Trennung erschwert spätere
Updates und macht die rechtliche Absicherung kompliziert.
Rutronik setzt
hier bewusst auf eine redundante Alles-aus-einer-Hand-Strategie: Für Bluetooth-
und WiFi-SoC-Lösungen werden Chips zweier konkurrierender Hersteller
vermarktet, die jedoch ihre enthaltene Software selbst programmieren, sodass Hardware
und Software aus einer Hand kommen. Infineon und Nordic Semiconductor – beide
europäische Hersteller – setzen auf hauseigenes Know-how, sowohl was das Design
des Siliziums als auch die Algorithmen betrifft. Ein Update für einen 2027
abgekündigten Chip ist 2032 problemlos möglich, weil keine weiteren Firmen in
die Entwicklung eingebunden sind und somit keine „Blackboxes“ verbaut wurden.
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Technologieentscheidungen im Kontext des CRA
Mit dem CRA verschiebt sich der Fokus vieler
Hersteller: Es reicht nicht mehr aus, einfach „funktionierende” Chips
einzukaufen, denn die Updatepflicht zwingt zu strategischen Entscheidungen. Es
gilt die verschuldensunabhängige Haftung. Das bedeutet, dass der
Gerätehersteller für die Cybersicherheit seines Gerätes haftet und sich nicht
einfach auf Sicherheitslücken in verbauten Komponenten und Bauteilen berufen
kann.
Ein Beispiel: Ein Hersteller setzt auf einen
Bluetooth-Chip in seinem Produkt. Treten in den folgenden fünf Jahren
Sicherheitslücken im Funk-Stack auf, muss er Patches bereitstellen. Hat der
Chip-Hersteller den Funk-Stack nur zugekauft, bedeutet das für den
Gerätehersteller oft mühsame Nachverhandlungen, unklare Zuständigkeiten und ein
Wettrennen gegen Fristen.
Besser aufgestellt sind Anbieter wie Infineon und
Nordic Semiconductor, die Hardware und Funkstacks unter einem Dach entwickeln.
Das senkt das Risiko von Supportlücken und vereinfacht die rechtliche
Absicherung.
Für OEMs bedeutet das: weniger Schnittstellen,
mehr Kontrolle und vor allem eine realistische Chance, auch 2032 noch Updates
für Chips liefern zu können, die bereits 2027 angekündigt wurden.
Ein weiterer
Trend zeichnet sich ab: KI-Software für Mikrocontroller wird immer wichtiger
und die Hersteller wollen sich hierbei nicht allein auf Drittanbieter
verlassen. Neben hauseigenen Funkstacks bieten Infineon und Nordic inzwischen
auch eigene Machine-Learning-Tools an. Infineon setzt bei seinen
PSoC-Mikrocontrollern auf Imagimob Deepcraft, Nordic positioniert seine
nRF-Controller mit Neuton neu – für Anwendungen von Bewegungs- und
Geräuscherkennung bis hin zu Predictive-Maintenance-Szenarien. Beide Hersteller
werden die so vom Kunden erstellten KI-Funktionen auch mittels dafür
optimierten Rechenkernen zukünftig noch weiter auf Energieeffizienz trimmen.
Grundsätzlich
hat der CRA den Qualitätsprozess im Herstellermanagement des Distributors
bereits beeinflusst und wird mittelfristig auch in die Komponentenauswahl der
Gerätehersteller einfließen. Europäische Halbleiterhersteller, die ihre eigene
Software verwenden, versprechen im Hinblick auf die vielen CRA-Auflagen einige
Sorgenfalten weniger für Gerätehersteller als der Einsatz von SoCs, deren
Stacks nur zugekauft und gelabelt wurden.
Ein Gesetz mit weitreichenden Folgen
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Der
CRA polarisiert: Für die einen ist er ein Bürokratiemonster mit
Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Weltregionen, für die anderen ein
notwendiger Schutzschirm – auch, weil er weniger professionelle Marktteilnehmer
aussiebt und so verlässliche Hersteller stärkt. Er ist Teil der
Cybersicherheitsagenda des Bundesinnenministeriums. Diese baut unter anderem
das BSI als zentrale Anlaufstelle aus und versteht Cybersicherheit als
gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft.
Absehbar
ist: Gerade für Start-ups und kleine Firmen werden die Auflagen zur Hürde. So
schreibt der CRA-Meldeprozesse mit einer Reaktionszeit von je nach
Anwendungsfall 24 bis 72 Stunden vor – unabhängig davon, ob es sich um einen
Werktag oder einen Feiertag handelt. So macht er das CE-Zeichen ab Ende 2027 zu
einem Nachweis der Cybersicherheitskonformität. Damit steigen die
Zertifizierungs- und Dokumentationspflichten erheblich.
Herausfordernd
ist insbesondere die Tatsache, dass Hersteller auch fünf Jahre nach dem letzten
Produktverkauf Sicherheitsupdates liefern müssen, sofern die erwartete
Produktnutzungsdauer nicht noch länger ist, selbst wenn das Gerät längst nicht
mehr am Markt ist. Das können Konzerne eher stemmen als kleine Manufakturen,
die ihre Nischenprodukte fast handgefertigt ausliefern. Klar ist aber auch: Die
Größe oder das Alter eines Unternehmens dürfen nicht zulasten der
Produktsicherheit gehen. Distributoren wie Rutronik unterstützen ihre Kunden
daher bereits heute mit Beratung, Webinaren und Partnerschaften, beispielsweise
mit dem TÜV Süd, um die CRA-Anforderungen praxisnah umzusetzen.
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Der
Fachverband Bauelemente Distribution e. V. (FBDi) unterstützt seine Mitglieder frühzeitig
mit juristischem Beistand, FAQs und Leitfäden, um die Anforderungen des CRA
frühzeitig greifbar zu machen. Eine eigens dafür eingerichtete Projektgruppe
arbeitet an der Einstufung von Produkten, der Auslegung von Meldepflichten und
der Unterstützung der Distributoren, damit die neuen Pflichten praxisnah
umsetzbar bleiben. Der Verband entlastet damit nicht nur seine Mitglieder,
sondern schafft auch Orientierung für Gerätehersteller, die sich auf
verlässliche Lieferketten und rechtskonforme Beratung stützen müssen. Eine von
der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe – zu deren Teilnehmern auch
Infineon, dem größten Franchisepartner von Rutronik zählt – arbeitet zudem u. a.
an genaueren Spezifikationen für die Risikobewertung von elektronischen
Bauelementen. Gegen Ende dieses Jahres sollte sich eine Rechtsverbindlichkeit
abzeichnen, wann ein Mikrocontroller juristisch manipulationssicher ist oder
nur sicherheitsrelevante Funktionen erhält.
Fazit
Der
CRA verändert die Branche grundlegend. Gerätehersteller werden künftig nicht
mehr nur nach Preis und Leistung entscheiden, sondern auch nach der Frage: „Wer
hilft mir, fünf Jahre lang sicher zu bleiben?“ Zulieferer, die inhouse
entwickelte Hardware und Software anbieten, nehmen ihren Kunden damit
entscheidende Sorgen ab.
Denn
klar ist: Küchenmaschinen dürfen nicht von Fremden zu Werbeträgern
umfunktioniert werden und Vitalringe sollten keine falschen
Gesundheitswarnungen verbreiten. Diese Beispiele wirken harmlos im Vergleich zu
den Szenarien, die entstehen, wenn Schließsysteme, Identifikations- oder
Zugangsfunktionen kompromittiert werden. (bs)