BGstock72- stock.adobe.com

Um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen und junge Leute für Elektrotechnik zu begeistern, lassen sich Schulen und Unternehmen einiges einfallen. (Bild: BGstock72- stock.adobe.com)

Elektro- und Informationstechnik spielt für viele gesellschaftliche Themen eine große Rolle. Damit ist sie für junge Menschen nicht nur spannend, sondern auch von großer Bedeutung, um die Herausforderungen der Zukunft zu lösen.

Den Fachkräftemangel nutzen, um für Nachwuchs zu werben – wie geht das?

So kann der aktuelle Fachkräftemangel auch als Chance genutzt werden, um die Themen der Elektro- und Informationstechnik in die Schulen zu tragen. Dabei müssen die Schüler die neuesten Entwicklungen in der Branche gar nicht vollständig verstehen. Viel wichtiger ist es ihnen zukunftsrelevante Technik, offene Fragestellungen, gesellschaftliche Zusammenhänge und die praktische Relevanz von Technik nahezubringen.

Um das Image von Elektrotechnik in der Öffentlichkeit zu verändern, vor allem aber um Nach­wuchs in den Schulen zu finden, brauchen Schüler Berührungspunkte zu den Arbeitsweisen und Aufgaben in der Elektro- und Informationstechnik. An vielen Standorten organisieren Schulen, Hochschulen und Industrie bereits erfolgreiche Programme, um Nach­wuchs zu gewinnen.

Universitäten bringen Elektro- und Informationstechnik an Schulen

Seit 2017 arbeiten das Friedrich-Ebert-Gymnasiums in Hamburg mit der Technischen Universität Hamburg zusammen, um Jugendliche in Forschungsprojekte im Bereich Elektro- und Informationstechnik einzubinden. Hier können Schüler ab der achten Jahrgangsstufe bei ausgewählten Forschungsprojekten mitmachen. Sie sind in die Projekte aktiv eingebunden und können hautnah erleben, was es heißt, in der Elektronik-Forschung zu arbeiten, und es gibt sogar eine finanzielle Entlohnung.

Aber nicht nur an weiterführenden Schulen, sondern bereits in der dritten und vierten Jahrgangsstufe ist es gut möglich, elektro­technische Grundlagen und eine Begeisterung für das Fachgebiet zu schaffen. Denn in der Grundschule legt man den Grundstein für die Begeisterung der Kinder. Da in diesem Alter in der Regel noch keine Hürden oder vorgefassten Meinungen existieren, ist es möglich, Kindern ein vorurteilsfreies, positives Bild der Elektro- und Informationstechnik zu vermitteln. Gerade jungen Kindern sind leicht dafür zu begeistern Widerstandsgrößen umzurechnen, einen Maschenumlauf in einer Schaltung vorzunehmen oder die Knotenregeln anzuwenden. Das zeigte sich bei Kindern in Grundschulen in Nordrhein-Westfalen. Die RWTH-Aachen bringt hier die Elektro- und Informationstechnik mit verschiedenen Programmen in die dritte und vierte Jahrgangsstufe.

Karriere in der Elektronik: Welche Möglichkeiten es gibt und was sich verdienen lässt

Frau sitzt vor einem Monitor und schaut ein Leiterplatten-Layout. Ein Mann schaut mit ihr zusammen auf den Bildschirm

Entdecke die Welt der Elektronikkarriere! Für Berufsanfänger bieten sich vielfältige Chancen: Unser neuer Schwerpunkt zum Thema Karriere informiert über attraktive Berufsbilder, Bildungsmöglichkeiten, und Aufstiegsmöglichkeiten in der Elektronikbranche. Unsere umfassende Seite gibt wertvolle Einblicke und hilfreiche Ratschläge, um deine Karriere in der Elektronik erfolgreich zu starten. Egal ob du Interesse an der Elektronikentwicklung, der Systemintegration oder der Forschung hast, hier findest du die Informationen, die du benötigst, um in diesem dynamischen und zukunftsorientierten Bereich durchzustarten.

Im Saarland haben sich die Wissenschaftler etwas einfallen lassen, um Schülern spannende Einblicke in Forschung und Studium zu eröffnen. Am exklusiven Tag der Technik kamen sie im Frühjahr 2023 einen Schultag lang vor Ort mit einem umfang­reichen Programm wie Science Rallye, Kurzvorträgen, Experimentierworkshops und Hightech zum Staunen.

Firmen geben Schülern Einblicke in ihre Arbeit

Auch die Firmen der Elektronik-Branche wollen Schülern Elektrotechnik und insbesondere das eigene Unternehmen nahebringen. Zusätzlich zu Berufsinformationsmessen, an denen sie sich präsentieren, geben zahlreiche Unternehmen Schülern die Möglichkeit, ein Schülerpraktikum zu machen. Interessierte Junge Leute können sich so vor Ort ein Bild von der Arbeit machen, und oft hilft es Ihnen später schon einmal in Kontakt mit einer Firma zu stehen, wenn sie sich für eine Stelle dort interessieren. Außerdem macht sich ein Praktikum in jeder Bewerbung gut. Oft können nicht nur einzelnen Schüler, sondern die ganze Klasse ein Unternehmen kennenlernen, beispielsweise bei einer Firmen-Führung, wie sie das Robotik-Unternehmen Kuka anbietet. Hier gibt es auch Schulkooperationen in denen Schüler über das gesamte Jahr verteilt an Projekten arbeiten, wie zum Beispiel an der Konstruktion eines eigenen Roboters.

Ein Tag im Unternehmen: Girls‘ Day und Maus-Türöffner-Tag

Neben Aktionen, die von einzelnen Firmen oder Hochschulen ins Leben gerufen werden, gibt es bundesweite Angebote, um Schülern die Möglichkeit zu geben, Unternehmen kennen zu lernen. Ein solches Angebot ist der Girls‘ Day, der inzwischen jedes Jahr stattfindet. An diesem Tag laden viele Unternehmen in der Elektronik-Branche Mädchen ab der fünften Klasse ein. Ich kann mich noch erinnern, wie ich 2006 auf diese Veranstaltung aufmerksam wurde: Eine Freundin besuchte einen Elektronik-Hersteller und kam begeistert zurück. Drei Jahre später entschied sie sich tatsächlich für Elektrotechnik als Studienfach. Das große Potential solcher Initiativen bestätigt eine Wirkungsstudie: immer mehr Teilnehmerinnen können sich nach diesem Tag eine Ausbildung oder ein Studium in diesen Bereichen vorstellen.

Auch die „Maus“ weiß, wie spannend und wirkungsvoll es für Kinder ist, in die Arbeit von Erwachsenen reinzuschnuppern. Deshalb können sich Firmen für den bundesweiten Türöffner-Tag anmelden, um Kindern und ihren Familien bei freiem Eintritt einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. An diesen Tagen lernen Kinder zum Beispiel die Arbeiten des VDE Prüf- und Zertifizierungsinsti­tutes kennen und testen elektrische und elektronische Gerätschaften. Von Chemie über Kühlkammern bis hin in den leisesten Raum Deutschlands ist alles dabei. Nach der Tour durchs Institut gibt es noch ein Bausatz zum Löten.

Mentoren und Schüler für Schüler

Es gibt also einiges, das Schulen, Hochschulen und Unternehmen tun, um Schüler für Elektrotechnik zu begeistern. Allerdings müssen es nicht immer große Institutionen sein – auch jeder einzelne, der selbst gerne in der Elektronik-Branche arbeitet, kann sein Wissen und seine Begeisterung weitergeben, zum Beispiel in einem Mentoring-Programm wie „Cyber-Mentoring“, eine Online-Mentoring-Programm für Mädchen in MINT. Interessierte Frauen, die selbst im MINT-Bereich tätig sind oder ein MINT-Fach studieren, betreuen ein Jahr lang eine Schülerin im Alter von 10 bis 18 Jahren. Mentorin und Schülerin entscheiden zusammen, wie umfangreich Sie welche MINT-Projekte bearbeiten wollen. Sie können zum Beispiel untersuchen, warum leere Batterien höher hüpfen, oder eine App programmieren.

Wie viel Spaß Technik machen kann, können auch Schüler selbst vermitteln. Bei einem Schülerforum an der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg können sich Schüler ab der 5. Jahrgangsstufe mit einem Vortrag zu einem selbstgewählten technisch-wissenschaftlichen Thema bewerben. Mitschüler sind eingeladen, als Zuschauer teilzuneh­men, um sich von den spannenden technischen Themen begeistern zu lassen.

„Jugend forscht“, „Invent a Chip” und andere Wettbewerbe

Ein Anreiz um sich mit etwas zu Beschäftigen ist immer die Aussicht, sich damit am Ende mit anderen zu messen und eventuell sogar etwas zu gewinnen. Das ist 2023 zum 59. Mal im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend Forscht“ möglich. Kinder und Jugendliche mit Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik können sich hierfür ab sofort online anmelden.

Dieses Jahr gewann Tom Kuttler beispielsweise einen 5. Preis für die Entwicklung einer Modellrakete mit Schubvektorsteuerung. Er konstruierte eine 1,65 Meter hohe Minirakete, die sich dank Schubvektorsteuerung wie die große Falcon 9 von SpaceX autonom beim Flug in die Senkrechte zurücklenkt.

Einen zweiten Preis gewannen Stefanie Eski, Florian Brütsch und Babett Ludwig. In ihrem Projekt erfasst ein Minirechner Spannungen und Ströme in Solarzellen. Sinkt die Leistung einer Zelle, etwa weil sie von Laub bedeckt ist, registriert die Software dies und gleicht die Verluste aus. Dadurch verhindert sie, dass die Leistung der übrigen Zellen sinkt – das Modul kann auch in diesem Fall annähernd seine Maximalpower entfalten.

Ein weiterer Wettbewerb im Bereich Elektrotechnik ist „Invent a Chip“, der vom VDE und BMMF gefördert wird. Hier reichen Schüler der Jahrgangs­stufen 8 bis 13 aller Schulen Ideen für neue technische Anwendungen ein, die in einer integrierten Elektronik umgesetzt werden können. Danach erhalten sie Schulungen in einer Hardware-Beschreibungssprache um einen FPGA-Baustein (Field Programmable Gate Array) zu programmieren, mit dem sich die Anwendung umsetzten lässt.

Mit Spaß zu MINT in den MINT-Labs

Schüler, die sich außerhalb von Schule und Unternehmen mit Technik beschäftigen und dabei auch noch Spaß haben wollen, sind bei Institutionen wie den MINT-Labs in Regensburg richtig.  Hier können sie experimentieren und ausprobieren. Im Vordergrund stehen der Spaß und die Freude an allen Themen rund um MINT. In mehreren Labors und Werkstätten und einem Schülerforschungszentrum gibt es zahlreiche Kurse und Aktionen wie beispielsweise einem Calliope Mini-Kurs, in dem Kinder und Jugendliche einen eigenen Roboter, ein autonomes Modelauto, eine intelligente Pflanzenüberwachung oder eine CO2-Ampe programmieren. In einem anderen Kurs speziell für Mädchen sticken die Teilnehmerinnen gemeinsam Antennen in ein T-Shirt. Ein Gremium von Experten aus Schule, Wissenschaft und Wirtschaft begleitet die inhaltliche Tätigkeit des Vereins.

Schon im Kindergarten durch Bücher und Filme Interesse wecken

Auch zu Hause kann man seine Kinder und sich selbst durchaus unterhaltsam in Elektrotechnik weiterbilden. Illustrierte Bücher für Kinder und Erwachsene zum Vorlesen und Selberlesen gibt es dazu bereits für unterschiedliche Bereiche. Von „Babys erstes Semester“ über „Was ist was“ bis hin zu „Elektrotechnik für Dummies“ lässt sich für jede Altersstufe und jeden Vorwissensstand im Bereich Elektrotechnik die passende Lektüre finden. Auch der VDE hat dieses Format aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit einem Illustrator und Fachexperten Themen der Elektro- und Informationstechnik altersgerecht aufgearbeitet. Auf diesem Weg können Erwachsene Kindern unter sechs Jahren mit den Inhalten der Elektro- und Informationstechnik vertraut machen.

Und wer keine Lust zu lesen hat, der kann sich auch vom Fernseher weiterbilden lassen. Von Formaten wie „Löwenzahn“ und „Die Sendung mit der Maus“ habe ich bereits als Kind gelernt, wie das Internet eigentlich funktioniert oder wie ich selbst mit meinem Fahrrad Strom erzeugen kann. Heute schaue ich mit meiner Tochter „Willi wills wissen an“ an, wenn ich ein technisches Thema korrekt und leicht verständlich erklärt bekommen will.   

Songs und Videos und Instagram

Für solche Sendungen und Bücher werden sich Jugendliche vermutlich nicht mehr interessieren. Um diese Zielgruppe anzusprechen, sind eher Social-Media-Aktionen oder Youtube-Videos geeignet.

Die Professur für Schaltungstechnik an der TU-Dresden zeigt, wie das gehen kann: der „Circuit-Song“, der die Grundlagen der Grundschaltungstechniken zusammenfasst, ist garantiert der Hit auf jeder Party.

PartyProfs - The Circuit Song (Official Music Video) | TU Dresden

Auch über Social-Media-Plattformen wie Instagram wollen Universitäten und Unternehmen Jugendliche erreichen. Der VDE plant hier eine groß angelegte Imagekampagne, um Jugendlichen zu zeigen, wie „fly“ Elektrotechnik sein kann („fly sein“ bedeutet in der Jugendsprache wohl „lässig oder cool sein“; ich musste das auch erst mal nachschauen). Viele Elektrotechnik-Firmen setzen inzwischen ebenfalls auf Videos und Social-Media-Posts, um junge Leute auf sich aufmerksam zu machen. Und tatsächlich empfehlen auch Jugendliche selbst Unternehmen, diesen Weg zu gehen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Initiativen können als Vorbild fungieren

Es gibt noch zahlreiche weitere Aktionen und Projekte von Hochschulen, Firmen, Schulen und anderen Organisationen, die bei Schülern mit Spaß das Interesse an Elektrotechnik wecken. Leider bleiben sie meist unter dem gesellschaftlichen Radar, da sie nicht medienwirksam aufgearbeitet werden oder als wenig signifikant gelten. Außerdem wirken solche Maßnahmen oft nur punktuell ohne eine große nachhaltige Wirkung.

Trotzdem sind solche Projekte wichtig, denn sie können Vorbild sein und Mut dazu machen, Elektrotechnik mal anders zu vermitteln und sie zeigen, dass es möglich ist, junge Menschen zu erreichen und nachhaltig für dieses Fach zu begeistern. Jetzt müssen wir die nötigen Strukturen auf Bundesebene schaffen, um die Begeisterung für die Elektro- und Informationstech­nik zu wecken, aufrechtzuhalten und zu steigern.

Der VDE hat dazu in einem Positionspapier das Motto formuliert: „Wir vermitteln die Elektro- und Informationstech­nik von heute, lassen uns morgen von den Errungenschaften der jüngeren Generation des Faches begeistern und lernen wiederum von ihnen.“

Die Autorin: Sabine Synkule

Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)

Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.

Weitere Artikel von Sabine Synkule

Sie möchten gerne weiterlesen?