Eine App fällt nicht einfach vom Himmel. App-Entwicklung erfordert Planung und strukturiertes Vorgehen.

Eine App fällt nicht einfach vom Himmel. App-Entwicklung erfordert Planung und strukturiertes Vorgehen.Rudie, Adrian Hillman – Fotolia.com

I. Ziele formulieren

Am Anfang steht die Formulierung der Ziele. Dabei sollten die Verantwortlichen darauf achten, dass diese auch quantifizierbar sind. Ein mögliches Ziel besteht darin, bis zum Ende des Jahres eine bestimmte Anzahl an Downloads zu erreichen. Downloads gehören zu den beliebtesten Kennzahlen, sind aber oft trügerisch. Denn häufig passiert es, besonders bei kostenlosen Apps, dass die Anwender eine App herunterladen, kurz ausprobieren und dann direkt wieder löschen. Das bedeutet, dass die Anzahl der Downloads vielleicht stetig steigt, die aktiven Installationen im schlimmsten Fall aber gegen Null laufen. Daher sollte neben den Downloads auch die Anzahl der aktiven Installationen im Auge behalten werden. Häufig wird auch die Anzahl der monatlich aktiven User, kurz MAU, als Kennziffer verwendet. In diesen Fällen handelt es sich häufig um Apps mit Anmeldepflicht.

II. Das richtige Betriebssystem

Noch vor zwei Jahren  gab es wenige Gründe eine App für Android zu veröffentlichen. Die Zahl der Anwender war gering, der Aufwand und die damit verbundenen Kosten hoch. Zu diesem Zeitpunkt fiel die Entscheidung fast ausschließlich auf das Betriebssystem iOS von Apple. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Android ist mindestens genauso wichtig wie die Konkurrenz. Für ein einzelnes Betriebssystem zu entwickeln, ist bereits ein aufwendiger Prozess, für zwei oder drei verschiedene umso mehr. Daher fällt oft die Entscheidung zunächst nur auf eines der beiden Systeme, zumeist iOS. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die App auch auf anderen Systeme ausgeweitet. In jedem Fall sollte die Entscheidung, für welches Betriebssystem entwickelt wird, von der eigenen Zielgruppe abhängen.

III. Von der Konkurrenz lernen

Falls die Konkurrenz bereits einen Schritt weiter ist und ihre eigene App veröffentlicht hat, muss dies noch lange nicht von Nachteil sein. So lässt sich in Ruhe untersuchen, auf welche Inhalte oder Funktionen der Wettbewerb besonderen Wert legt und wie dieser seine App präsentiert. Ebenfalls analysiert werden sollten Punkte wie Stabilität oder Sicherheit, die für Anwender besonders wichtig sind. In einem weiteren Schritt sollten Bewertungen und Kommentare näher betrachtet werden, falls die App bereits über solche verfügt. Daraus können wertvolle Rückschlüsse gezogen werden, welche Funktionen besonders gut ankommen, aber auch welche Probleme die App verursacht.

Die Ersatzteil-App von Viessmann ermöglicht es Handwerkern, durch Scannen des Barcodes ­Informationen zum jeweiligen Einzelteil abzurufen. Wo immer möglich, sollten solche besonderen Funktionen von Smartphones in einer App ­berücksichtigt werden.

Die Ersatzteil-App von Viessmann ermöglicht es Handwerkern, durch Scannen des Barcodes ­Informationen zum jeweiligen Einzelteil abzurufen. Wo immer möglich, sollten solche besonderen Funktionen von Smartphones in einer App ­berücksichtigt werden.Viessmann

IV. Besonderheiten von Smartphones beachten

Im Gegensatz zum Laptop oder Desktop-PC verfügen Smartphones über Eigenschaften, die Applikationen zulassen, die auf keinem anderen Endgerät möglich sind. Dazu gehört beispielsweise der integrierte GPS-Empfänger, der den Grundstein für viele Location Based Services gelegt hat. Oder aber die Kamera, die es erlaubt QR- oder EAN-Codes auszulesen und dadurch weitere Inhalte und Funktionen zu aktivieren. Die Ersatzteil-App von Viessmann  ermöglicht es Handwerkern beispielsweise, durch Scannen des Barcodes Informationen zum jeweiligen Einzelteil abzurufen. Wo immer möglich, sollten diese Besonderheiten in einer App berücksichtigt werden, um dadurch zusätzliche Mehrwerte für die Anwender zu schaffen.

V. Der Nutzer im Mittelpunkt

Oft gepredigt und mindestens genauso häufig vernachlässigt: Die App sollte den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und nicht nur den eigenen Vorstellungen. Besonders bei der Benutzerführung werden oft fatale Fehler begangen. Daher ist gelungenes Interface-Design die Arbeit von Profis. Damit sind Experten im mobilen Bereich gemeint. Denn zwischen mobilen Endgeräten und klassischen Web- oder Desktop-Anwendungen gibt es viele Unterschiede und Stolpersteine. Angefangen bei den geringeren Bildschirmgrößen bis hin zum Touchscreen gibt es jede Menge Faktoren, die es beim Erarbeiten einer Nutzeroberfläche zu beachten gilt. Im Zentrum des Geschehens stehen dabei immer die Anwender. Denn diese haben nur wenig Geduld und bevorzugen vor allem intuitive Oberflächen. Es muss also ein gesunder Kompromiss zwischen Standards und kreativen Ideen gefunden werden, um so unbedarfte Nutzer abzuholen und sich positiv von der Konkurrenz abzusetzen.

VI. Lieber kleine Schritte als große Patzer

Häufig wird der Versuch unternommen, eine eierlegende Wollmilchsau zu entwickeln. Diese Apps sind vollgepackt mit allerlei Funktionen, obwohl nur ein Bruchteil davon wirklich genutzt wird. Das treibt nicht nur die Entwicklungskosten unnötig in die Höhe. Auch die Fertigstellung der App dauert länger. In dieser Zeit kann es passieren, dass ein Konkurrent seine eigene App veröffentlicht. Daher lautet die Vorgabe, sich zunächst auf die Kernfunktionen zu konzentrieren, welche die Zielgruppe auch primär nutzt. Nach und nach können dann weitere Features implementiert werden, um die App zu verbessern.

VII. Rechtliche Stolpersteine

Neben all der Kreativität und Begeisterung für Apps wird manchmal der Eindruck erweckt, das Mobile Business stelle einen rechtsfreien Raum dar. Dem ist ganz und gar nicht so. Apps unterliegen genau wie Websites und Desktop-Anwendungen rechtlichen Rahmenbedingungen, die es einzuhalten gilt. Dazu gehören Nutzungsbedingungen genauso wie eine AGB und ein rechtskräftiges Impressum. Diese Punkte dürfen auf gar keinen Fall auf die leichte Schulter genommen werden und verlangen ebenso viel Sorgfalt wie ordentliches Design und ausreichende Funktionstüchtigkeit.

Mit der Deutsche Bahn App können Reisende von unterwegs schnell ihre Verbindungen prüfen.

Mit der Deutsche Bahn App können Reisende von unterwegs schnell ihre Verbindungen prüfen.Redaktion IEE, Deutsche Bahn

VIII. Mehrwerte schaffen

Apps müssen mehr sein als eine reine Unternehmensdarstellung im Kleinformat. Es müssen Mehrwerte für die Kunden geschafften werden, die diese auch unterwegs konsumieren und  nutzen möchten. Die Deutsche Bahn App erlaubt es zum Beispiel, von unterwegs Tickets zu buchen. Mehrwerte zu schaffen, speziell für mobile Geräte, mag auf den ersten Blick schwierig erscheinen, jedoch gibt es in fast jedem Fall Möglichkeiten, sinnvolle Angebote zu entwickeln. Denn nur so kann sich eine App neben den bestehenden Produkten und Services etablieren und lässt sich tatsächlich als Marketing-Kanal nutzen.

IX. Der richtige Partner macht‘s

In den wenigsten Fällen ist im Unternehmen die Expertise vorhanden, um eine App umzusetzen. Daher ist es nur logisch, sich auf die Suche nach einem adäquaten Partner zu machen, der bei Konzeption und Umsetzung unterstützt. Viele Unternehmen greifen auf bereits bestehende Kontakte zu Agenturen zurück. Allerdings sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass diese bereits Erfahrungen mit Apps gesammelt haben. Ist dies nicht der Fall, sollte nach einem zusätzlichen Dienstleister mit umfangreichem Fachwissen gesucht werden.

X. Die Präsentation muss auch stimmen

Eine App, in die viel Arbeit geflossen ist, sollte auch dementsprechend in den App Stores präsentiert werden. Dazu gehört nicht nur ein aussagekräftiger Text, der die Funktionen der App erläutert. Auch Abbildungen sind ein wichtiges Instrument zur Produktpräsentation. Sie sollten so ansprechend wie möglich gestaltet werden. Einfache Screenshots lassen sich mit zusätzlichen Informationen anreichern und schaffen so zusätzliche Anreize für Anwender die App herunterzuladen. Liegt ein Video zu der App vor, so lässt sich dieses bei Google Play ebenfalls einsetzen.

XI. Testen, testen, testen

Die Entwicklung einer App kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Ein gutes Stück dieser Zeit sollte dabei für ausgiebige Testphasen eingeplant werden. Besonders, wenn die App auf mehreren Betriebssystemen gleichzeitig veröffentlicht werden soll, ist eine umfangreiche Testperiode unumgänglich. Alleine die schiere Masse an verfügbaren Endgeräten mit unterschiedlichen Versionen und Hardware-Ausstattungen erfordert bei Android eine längere Testperiode. Aber auch beim iPhone steigt die Zahl der im Markt genutzten iOS-Versionen und Geräte stetig. Die Testphase lässt sich allerdings auch nutzen, um die eigenen Kunden über die App zu informieren und dadurch schon frühzeitig auf diese aufmerksam zu machen. Kunden können eingeladen werden, an Beta-Tests teilzunehmen und dadurch aktiv an der Entwicklung mitzuwirken. Dadurch werden oft Fehler entdeckt, die Projektbeteiligten bisher nicht aufgefallen sind. Wertvolles Feedback zur Logik oder Nutzerführung aus erster Hand können noch während der Entwicklung beachtet werden.

Eine Landingpage bietet mehr Möglichkeiten eine App positiv darzustellen.

Eine Landingpage bietet mehr Möglichkeiten eine App positiv darzustellen.Redaktion IEE, N24

XII. Endlich im App Store – und jetzt?

Die Veröffentlichung im App Store garantiert leider noch lange keine Downloads. Nur die wenigsten Anwender achten darauf, welche Apps neu sind, sondern nutzen zum Beispiel die Charts als primäre Informationsquelle. Wie also können die vorher gesteckten Ziele erreicht werden?  Mit Marketing und PR-Maßnahmen, wie dies auch bei anderen Produkten der Fall ist. Außerdem sollten alle verfügbaren Kanäle genutzt werden, über die auch bisher mit den Kunden kommuniziert wurde. Dazu gehören Newsletter und natürlich die eigene Internetseite. Ebenfalls empfehlenswert ist das Einrichten einer eigenen Landingpage, die über die App informiert. Auf einer solchen Landingpage gibt es mehr Möglichkeiten, eine App positiv darzustellen als in den App Stores. Anschließend sollte eine Pressemitteilung formuliert und über die üblichen Kanäle veröffentlicht werden. Aber auch Zeitschriften und Web-Portale, die sich schwerpunktmäßig mit den Themen Apps und Smartphones beschäftigen, sollten unbedingt zum Empfängerkreis dazugehören. Dadurch wird zusätzliche Reichweite geschaffen. Ebenfalls einsetzen lässt sich mobile Bannerwerbung, um neue Nutzer zu generieren. Diese ist jedoch wesentlich kostspieliger als PR-Maßnahmen.

Buch zum Thema

App-Marketing für iPhone und Android

Es reicht nicht aus eine App einfach nur zu veröffentlichen und auf den Erfolg zu warten. Der Autor Rafael Mroz zeigt in seinem Buch alle wichtigen Stellschrauben, an denen Entwickler drehen müssen, um eine App erfolgreich zu machen und sie im hart umkämpften App-Markt zu positionieren. Im ersten Teil lernt der Leser alle Schritte kennen, die vor Veröffentlichung einer App wichtig sind. Denn der Erfolg einer App wird durch Entscheidungen definiert, die in einem frühen Stadium getroffen werden.  Der zweite Teil des Buches behandelt die erfolgreiche Vermarktung nach Veröffentlichung der App. Der Leser lernt verschiedene Marketing-Maßnahmen kennen und erfährt, wo er seine App am besten bewirbt. Ein Kapitel zur Erfolgsmessung rundet das Buch ab. Es richtet sich sowohl an Entwickler, die ihre eigene Idee umsetzen möchten, als auch an App-Publisher, die ihre Idee von externen Dienstleistern umsetzen lassen. Auch Unternehmen, die bereits online präsent sind und nun den Sprung in die mobile Welt wagen wollen, können von den Inhalten profitieren.

Rafael Mroz

ist Online-Marketing-Consultant und unter anderem verantwortlich für die Konzeption und Vermarktung von Mobile Apps

(mf)

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