Sicher vom laufenden Prozess in den Standby- oder Energiesparmodus und wieder zurück. Und nicht das Ausschalten der Anlagen vergessen.

Sicher vom laufenden Prozess in den Standby- oder Energiesparmodus und wieder zurück. Und nicht das Ausschalten der Anlagen vergessen.The Sign – Fotolia.com, Alex White – Fotolia.com, Phoenix Contact

Grundlage für die Entwicklung eines Energiemanagement-Systems ist die Kenntnis des genauen Ressourcenbedarfs einer Produktionsanlage. Dieser hängt von den eingesetzten Fertigungstechnologien und den jeweiligen Nutzungs- und Betriebsbedingungen der Anlage ab. Im Rahmen des Forschungsvorhabens Green Carbody Technologies wurde der Energie- und Ressourceneinsatz in einer produzierenden Anlage feingranular erfasst. Die Applikation umfasste alle für den Karosseriebau einer Automobil-Fertigung typischen Füge-, Montage- und Handling-Verfahren. 

Zu Beginn des Projekts ist eine detaillierte und aussagekräftige Datenbasis geschaffen worden. Dazu wurden mehr als 420 Messpunkte an den vorhandenen Prozess- und Automatisierungsgeräten definiert, um die benötigten Energien mit entsprechenden Verbrauchsmessgeräten und -zählern zu ermitteln. Neben der elektrischen Energie betraff dies auch die Druckluft. Insbesondere der Energiebedarf der Laser- und Punktschweißprozesse erwies sich als hochdynamisch, da die Schweißströme in kurzen Zeitintervallen stark ansteigen.

Forschungsprojekt im Detail

Innovationsallianz ‚Green Carbody‘

Die Innovationsallianz ‚Green Carbody‘ hat zum Ziel, eine kosten-, termin- und ressourcengesteuerte Karosseriefertigung mit 50 % weniger Energieeinsatz zu realisieren. Es geht vor allem darum, neue technische Lösungsansätze zu entwickeln. Insbesondere wird über konkrete Einzelziele und methodisch modellhafte, vorausschauende Konzepte Wissen geschaffen, geprüft und gesichert, um zukünftige Produktionsabläufe bei gleichem Output mit weniger Energieeinsatz und Ressourcenverbrauch umsetzen zu können. Für die Projekte war eine Laufzeit von drei Jahren (Start 1. Januar 2010) vorgesehen. Das Forschungsvolumen der beteiligten Unternehmen betrug insgesamt rund 100 Millionen Euro. Davon wurden 30 Millionen Euro in gemeinsame Verbundprojekte investiert. In den Verbünden arbeiteten mehr als 60 Unternehmen und Forschungsinstitute zusammen. Die Teilnehmer des Teilprojekt ‚Konfigurierbares Energiemanagement-System einer Karosseriebaulinie‘  waren Audi, Kuka, Phoenix Contact, Rittal, Siemens, Trumpf, Volkswagen und das Fraunhofer-Institut IWU. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte die Initiative im Rahmenkonzept ‚Forschung für die Produktion von morgen‘ mit 15 Millionen Euro.

Um auch bei vergleichsweise kurzen Prozesszuständen ein repräsentatives Abbild der beim Schweißprozess verbrauchten Energie zu erhalten, sind sämtliche Daten dieser Messpunkte in einem zeitlichen Abstand von zehn Millisekunden aufgenommen und abgespeichert worden. Das stellte besondere Anforderungen an das Messkonzept und hier speziell an die umzusetzende Topologie, die Kommunikations-Architekturen sowie die Leistungsfähigkeit der Hardware. Zum Einsatz kamen zum Beispiel leistungsfähigen Remot Field Controller (RFC), die die Weiterverarbeitung und Archivierung der Daten in den geforderten Zeitintervallen ermöglichen. Ergänzend wurde der Energiebedarf der Prozessperipherie der Anlage erfasst, also beispielsweise der Schmauchabsaugung, Belüftung und Beleuchtung.  

Fokus auf Schweißen und Transport

Anschließend ermöglichte die Dokumentation der Prozessfolgeschritte eine Zuordnung der elektrischen Leistungsaufnahmen sowie der Druckluft-Volumenströme der Schweiß- und Handling-Roboter zu den einzelnen Prozessschritten der Komponenten. Durch diese Korrelation ließ sich der Ressourceneinsatz den unterschiedlichen Prozessphasen und Produktionsschritten zuordnen und analysieren. Die Messergebnisse zeigten deutlich, dass insbesondere bei den Prozessfunktionen Laser- und Punktschweißen sowie beim robotergestützten Transport der Bauteile zwischen den Prozess- und Einlegestationen Optimierungspotenziale vorhanden sind. Das Ergebnis der Untersuchungen erlaubte eine Ableitung von Anforderungen an das Energiemanagement-System.

Vorgehensweise und Verallgemeinerung der Datenauswertung und Analyse

Vorgehensweise und Verallgemeinerung der Datenauswertung und AnalysePhoenix Contact

Aus den Analysen ging hervor, dass die Nutzung eines Energiemanagement-Systems vorrangig in der fertigungsfreien Zeit sowie während der Betriebspausen ohne Produktivitäts-Beschränkungen sinnvoll ist. Um die Optimierungspotenziale in diesen Zeiträumen aufzuzeigen, sind die fertigungsfreien Zeiten eines Produktionsjahres ermittelt worden. Damit sich die Untersuchungen vergleichen und die Ergebnisse übertragen lassen, haben die Beteiligten des Forschungsvorhabens ein Referenz-Schichtmodell definiert, das von 46 Arbeitswochen mit fünf Arbeitstagen und drei Schichten pro Produktionstag ausgeht. Auf Basis dieser Zahlen beträgt die fertigungsfreie Zeit eines Jahres 37 %. Die Bestimmung des maximal erreichbaren Verbesserungspotenzials bezieht sich auf diesen Zeitraum.

In vier Stufen zu weniger Energieverbrauch

Um die Anlage in einen energetisch optimalen Zustand zu versetzen, ist ein vierstufiges Betriebszustands-Modell definiert worden:

  • Betriebszustand ‚Produktion‘

Alle in der Applikation im Einsatz befindlichen Komponenten sind im Nennbetrieb und die Anlage produziert.

  • Betriebszustand ‚Produktionsbereit‘

Die Anlagenkomponenten warten auf den nächsten Zyklusstart und lassen sich verzögerungsfrei in den Zustand ‚Produktion‘ überführen. Der Wechsel wird durch die prozessführende SPS oder durch das Einlegen neuer Teile gesteuert.

  • Betriebszustand ‚Betriebsbereit‘

Während kurzer Arbeitspausen nehmen die Anlagenkomponenten diesen Zustand ein, um ihr Energieniveau zu senken.

  • Betriebszustand ‚Aus‘

Bei langen Unterbrechungen des Herstellungsprozesses sind die Anlagenkomponenten durch Leistungsschalter oder Ventile vom Versorgungsnetz getrennt. Der Übergang in den Betriebszustand ‚Aus‘ setzt voraus, dass sich die Anlage geplant und automatisch wieder in den Zustand ‚Produktionsbereit‘ überführen lässt. Die vier Betriebszustände erlauben die vorhersagbare Beschreibung des gesamten Anlagenverhaltens.

Das erweiterte Betriebszustandsmodell der Anlagenkomponenten macht die Produktion energieeffizienter.

Das erweiterte Betriebszustandsmodell der Anlagenkomponenten macht die Produktion energieeffizienter.Phoenix Contact

Energie-SPS gibt den Takt

Um diese vier Schritte in den Prozess zu integrieren kommt eine Energie-SPS zum Einsatz. Sie schlägt der prozessführenden Steuerung vor, wann die Komponenten, Anlagenteile und Anlagen in die energieoptimierten Zustände ‚Betriebsbereit‘ und ‚Aus‘ versetzt werden können, wobei die prozessführende SPS den Wechsel steuert. Die Energie-SPS ist parallel zur prozessführenden Steuerung über eine von den Projektpartnern gemeinsam definierte Ethernet-Schnittstelle mit dem überlagerten Leitsystem verbunden, bei dem es sich typischerweise um ein Manufacturing Execution System (MES) handelt. Sie erhält vom Leitsystem aus den dort hinterlegten Produktionsdaten Informationen über den Beginn und die Dauer der geplanten fertigungsfreien Zeiten. Die Daten, die zur Ermittlung der optimalen Aus- und Einschaltstrategie notwendig sind, umfassen die schaltbaren Betriebszustände der Komponenten und deren jeweiliges Energieniveau, die zugehörigen Transitionsbedingungen, -zeiten und Energieverbräuche während der Transitionszeit sowie die funktionalen Abhängigkeiten der Anlagenteile und -komponenten.

Bei der Entscheidung über den optimalen Betriebszustand in fertigungsfreien Zeiten berücksichtigt die Energie-SPS die Informationen aus dem Leitsystem sowie die hinterlegten Beschreibungen der unterlagerten Anlagenkomponenten. Das Ergebnis gibt die Energie-SPS als Schaltanforderung an die prozessführende SPS weiter, bei der sie den Zustandswechsel anfragt. Sollte die entsprechende Transition in den vorgeschlagenen Betriebszustand aus prozess- oder sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich sein, wird die Anfrage abgewiesen. Die prozessführende Steuerung meldet den gültigen Betriebszustand der Anlage an die Energie-SPS sowie das Leitsystem zurück.  

Nicht nur für Karosseriebau geeignet

Pro Jahr lassen sich mit dem Energiemanagement-System bis zu 15 % des Energiebedarfs einsparen.

Pro Jahr lassen sich mit dem Energiemanagement-System bis zu 15 % des Energiebedarfs einsparen.Phoenix Contact

Die Verbesserungspotenziale, die sich aus dem gemessenen Energiebedarf der Referenzanlage sowie der jeweiligen Infrastruktur ergeben, verdeutlichen, dass der Einsatz eines derartigen Energiemanagement-Systems und die damit verbundene Nutzung des Betriebszustands ‚Aus‘ in der fertigungsfreien Zeit zu einem um 15 % niedrigeren jährlichen Energiebedarf führt. Die im Forschungsverbund entwickelte Lösung ist ohne Einschränkungen auf alle Anlagentypen in der Industrieautomation portierbar, sofern unterschiedliche Betriebszustände definiert und die zugehörigen Parameter bekannt sind. Im besten Fall wird das Konzept auch auf die energieoptimierte Schaltung der Medienversorgung und der Produktionshalle ausgeweitet.

Frank Knafla

ist Master Specialist Energy Efficiency bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Bad Pyrmont.

Mark Richter

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Automatisierung am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz.

(mf)

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