I did it my way

Das folgende Interview ist – als Einstieg zum Heft-Schwerpunktthema Stromversorgungen – Hans Mahr von Nano-80 gewidmet. Es veranschaulicht den zum Teil abenteuerlichen Werdegang des „Philosophen der Branche“.

ES: Herr Ing. Mahr, Sie haben sich vor 20 Jahren entschlossen, in das kalte Wasser mit Namen „Nano-80“ zu springen. Wie war Ihr beruflicher Werdegang bis dahin?

Mahr: Kurz vor meiner Realgymnasium-Matura im Jahre 1959 (ich habe sechs Jahre Latein gelernt!) entdeckte ich meine Liebe zur Radiotechnik. Der „Radiopraktiker“, eine Beilage zur damals populären Zeitschrift „Funk und Film“ veröffentlichte einen Lehrgang für Radiotechnik und Bauanleitungen für Radioempfänger. Nach erfolgreicher Realisierung einer Bauanleitung, bei den ersten Worten des Radiosprechers aus „meinem Radio“ beschloss ich, nicht Beamter, sondern Radiotechniker zu werden.

ES: Mit der Realgymnasium-Matura war das aber nicht einfach, oder?

Mahr: Es war unmöglich. Daher arbeitete ich ein Jahr lang im Akkord als Montagearbeiter in der Radiofabrik Minerva, um mir das von Prof. Dohnal am TGM eingerichtete „Radiotechnische Institut“, einen viersemestrigen Lehrgang für Spätberufene leisten zu können. Während des vierten Semesters kamen bereits Vertreter großer Industriefirmen, um uns anzuwerben. Ich entschied mich im Jahre 1963 für das Angebot von Telefunken, Ulm.

ES: Dort wurden aber keine Radio- oder Fernsehempfänger hergestellt.

Mahr: Nein, sondern Empfänger-, Spezial-, Mikrowellen-, Bild- und Oszillographenröhren. Ich wanderte ein halbes Jahr lang durch Entwicklungslabors, Fertigung und Prüffelder zur Einschulung und landete dann im Vertrieb. Durch meine Kundenbesuche lernte ich Deutschland und seine schönen Städte kennen.

ES: Und warum blieben Sie nicht in Ulm?

Mahr: Ich hätte mich voll integrieren und die deutsche Staatsbürgerschaft anstreben müssen. Als Ausländer durfte ich das wichtige Militärgeschäft nicht wahrnehmen. Zur Aufgabe der österreichischen Staatsbürgerschaft konnte ich mich aber nicht entschließen und außerdem: Wien bleibt Wien! Ich verließ daher im Jahre 1966 Telefunken-Ulm und übersiedelte zur österreichischen Telefunken-Vertretung nach Wien, zunächst ELIN, dann AEG-Telefunken in der Brünner Straße.

ES: Und Ihr Produktbereich waren Röhren?

Mahr: Nicht nur, sondern auch Halbleiter, die mehr und mehr eingesetzt wurden, und auch passive Bauelemente. Ich betreute vor allem die damals noch mit sieben Herstellerfirmen(!) starke österreichische Radio- und Fernsehindustrie und auch die an Bedeutung zunehmende Elektronikindustrie.

ES: Und wie verlief Ihre Karriere im AEG-Telefunken Konzern?

Mahr: Nach neun Jahren Bauelementevertrieb hatte ich genug positive und negative Erfahrungen in einem Großunternehmen gesammelt und wollte einmal mein Wissen nach meinen eigenen Vorstellungen umsetzen. Also mehr Freiheit – weniger Sicherheit.

ES: Das heißt, in einer Kleinfirma?

Mahr: Ja. Die Gelegenheit dazu bot mir im Jahre 1972 Frau Lippert, Inhaberin der Fa. Rios. Dort konnte ich „Marketing“ lernen und üben, alles von der Produktauswahl über den Einkauf, den Verkauf bis zum Geld eintreiben bei säumigen Zahlern.

ES: Und was passierte im Jahre 1980?

Mahr: Eine Beteiligung an der Fa. Rios wurde mir nicht ermöglicht. Ich war damals 39 Jahre alt und hatte immer behauptet: was man mit 40 nicht erreicht hat, schafft man später nicht mehr. Der Traum von Freiheit und Selbständigkeit und die Angst vor dem näher rückenden 40.Geburtstag waren so groß, dass ich mich entschloss, den Sprung in das kalte Wasser zu wagen, obwohl die Zeit dafür denkbar ungünstig war. Die Banken kassierten damals für Betriebsmittelkredite 13,5 Prozent und mehr.

ES: Und wie ging der Sprung vor sich?

Mahr: Eine große europäische Halbleiterfirma suchte einen Distributor für Österreich und wandte sich an Othmar Lackner, der aber schon einen Mitbewerber in seinem Lieferprogramm hatte. So kamen wir auf die Idee, am 13. Dezember 1980 gemeinsam eine Firma zu gründen. Ich selbst wollte die Vertretung von Elektro Automatik, dem damals noch jungen Hersteller von Labornetzgeräten und von SEE, dem ebenfalls jungen Hersteller von Koax-Armaturen für Kabelfernsehanlagen, einbringen.
Leider, heute sage ich Gott sei Dank, kam es anders. Die Halbleiterfirma entschied, nicht mit einem Newcomer zu arbeiten, sondern auf einen etablierten Distributor zu vertrauen.

ES: Und Nano-80?

Mahr: Ich begann am 1. Juli 1981 mit meinen Aktivitäten. Die Firma bestand aus mir, einem Schreibtisch mit Telefon im Büro von Othmar Lackner und einem Lagerraum in meiner Wohnung. Nach vier Monaten als Untermieter bezog ich ein eigenes Büro in der Favoritenstraße und engagierte eine Mitarbeiterin. Meine Frau half mit, während der Sohn in der Schule war. Erst drei Jahre später leisteten wir uns einen weiteren Vertriebstechniker.

ES: Und wie sah das Vertriebsprogramm aus?

Mahr: Ich baute von Anfang an auf drei Säulen: Stromversorgungen, Halbleiter und Bauteile für Kabelfernsehanlagen. Diese Risikoverteilung hat sich sehr bewährt, denn die Umsätze verliefen oft gegensätzlich. Wenn die Kabelnetze forciert ausgebaut wurden, stagnierten die Industrieumsätze und umgekehrt. In Summe konnten wir eine stetig wachsende Umsatzentwicklung feststellen.

ES: Wie viele Mitarbeiter hat Nano-80 heute?

Mahr: Parkinson hat festgestellt, dass das ideale Team aus fünf Personen besteht, vier Experten und ein Vorsitzender, der von der Materie nicht viel verstehen muss. Wir sind bei vier Experten stehen geblieben, einer davon ist in Personalunion auch Vorsitzender.

ES: Und die Umsatzentwicklung?

Mahr: Von 5,5 Millionen Schilling im ersten vollen Geschäftsjahr 1982/83 haben wir auf 23,5 Millionen im Jahr 1999/2000 gesteigert. Das erfordert vollen Einsatz aller Mitarbeiter, viel mehr kann man mit unseren Produkten nicht bewältigen, ohne die bisher herrschende Sorgfalt aufzugeben. Bei uns sind die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klar verteilt, alle wissen, was sie zu tun haben.

ES: Welche Verkaufsphilosophie vertreten Sie?

Mahr: Sie haben anscheinend erkannt, dass ich mehr Philosoph als Kaufmann bin, dem stimme ich zu. Wir wollen nicht Massenprodukte verkaufen, bei denen um Groschen und um die Gunst des Einkäufers gefeilscht wird, sondern wir suchen Nischen und bieten nur Produkte von Herstellern an, die wir persönlich kennen und von deren guter Arbeit wir überzeugt sind. Vor allem bei Stromversorgungen, die ja in einer Anlage die am meisten belastete und gefährdete Baugruppe sind, haben wir immer nur Geräte verkauft, von denen wir selbst überzeugt waren und die wir notfalls auch selbst reparieren konnten. Anfangs war das übrigens häufig meine Beschäftigung nach Feierabend. Dazu ist aber notwendig, die Geräteentwickler im Herstellerwerk persönlich zu kennen, damit sie jederzeit bereit sind, Schaltungsunterlagen und ihre Erfahrung zur Verfügung zu stellen und uns telefonisch Hilfestellung zu leisten. Das hat bisher immer bestens funktioniert. Unser Bestreben ist noch immer, ein defektes Gerät möglichst am Tag des Eintreffens zu reparieren und wieder an den Kunden zurückzusenden. Bei den immer kompakter und komplexer werden Schaltnetzteilen ist das aber leider manchmal nicht mehr möglich, da hilft nur noch Rücksendung an das Herstellerwerk. Zum Glück ist aber die Zuverlässigkeit von Stromversorgungen im Laufe der Jahre deutlich gestiegen.

ES: Wie verhalten Sie sich bei Lieferproblemen?

Mahr: Wir sagen unseren Kunden immer die Wahrheit. Viele meinen, als Verkäufer müsse man ab und zu lügen, aber dieser Meinung schließe ich mich nicht an. Wir versprechen nicht zwei Wochen Lieferzeit, nur um den Auftrag zu erhalten, wenn wir von vorneherein wissen, dass das nicht einzuhalten ist. Bei unerwartet auftretenden Engpässen bewähren sich die freundschaftlichen Beziehungen, die wir zu den Mitarbeitern in Entwicklung, Fertigung , Prüffeld und Vertrieb unserer Lieferwerke unterhalten und die ich alle persönlich kenne. Im Notfall wird Nano-80 bevorzugt behandelt.

ES: Und wie wirkt sich das aus?

Mahr: Unsere Freunde wissen, dass wir nur im Notfall um Hilfe bitten und dann wird unser Auftrag vorgezogen. Dringend benötigte Bauteile oder Geräte lassen wir auch auf eigene Kosten per Expressdienst einfliegen, um die vom Werk verursachte Verzögerung wieder aufzuholen und unseren Kunden nicht hängen zu lassen.

ES: Und honorieren das Ihre Kunden auch?

Mahr: Nicht immer und nicht sofort, aber ich vertrete die Meinung, dass die Qualität eines Lieferanten am besten dann zu erkennen ist, wenn es Probleme gibt. Wir scheuten uns nicht, einmal an einem Tag nach Klagenfurt und zurück zu fahren, um bei der Inbetriebnahme einer Anlage unerwartet aufgetretene Probleme bei den Netzteilen zu beseitigen. Natürlich kostenlos. Reklamationen sind die beste Gelegenheit, zu zeigen, was man kann und was man bereit ist, für den Kunden zu tun.

ES: Wie ist Ihr Führungsstil?

Mahr: Bei uns haben alle Mitarbeiter Handlungsvollmacht. Wenn ich ihnen die Bewältigung ihrer Aufgaben nicht zutraute, wären sie nicht bei uns. Da wir alle in einem Großraumbüro arbeiten, wissen alle über alle Vorgänge zumindest ungefähr Bescheid. Der Anrufer kann erwarten, dass seine Frage sofort und kompetent beantwortet wird und dass er nicht das häufig zu hörende Keyboard-Geklapper und die Antwort „ist nicht im Computer, haben wir nicht“ hören muss. Auch die übliche Antwort „da muss ich mich erst schlau machen (!) und Sie zurückrufen“ versuchen wir zu vermeiden.

ES: Wer sind die Gesellschafter von Nano-80?

Mahr: Meine Frau, die mitarbeitet, mein Sohn, der die TU absolviert hat und derzeit seine ersten beruflichen Erfahrungen in einem Softwareunternehmen sammelt, und ich selbst. Wir sind also ein Familienbetrieb.

ES: Wenn ich richtig gerechnet habe, stehen Sie kurz vor Ihrem sechzigsten Geburtstag. Sind Sie jetzt auch so nervös wie vor dem vierzigsten?

Mahr: Nein, denn ich mache mir keine Sorgen mehr um die Zukunft. Nach langjährigen Kontakten zu Weisheitslehrern verschiedenster Weltanschauungen bin ich überzeugt, dass derjenige, der seine Arbeit gewissenhaft und mit Freude erledigt und wer an das Gute im Menschen glaubt, nicht untergehen kann.

ES: Wie ist das mit dem Guten im Menschen zu verstehen?

Mahr: Als ich mit Nano-80 startete und Waren einkaufen musste, gab es Lieferanten, auch in USA, die mich aus meiner früheren Tätigkeit kannten und selbstverständlich mit 30 Tagen Zahlungsziel belieferten. Große Bauteilelieferanten in Wien, die mich noch länger kannten, bestanden darauf, die erste Lieferung sicherheitshalber als Barverkauf anzuwickeln. So machte ich die Erfahrung: die einen halten jeden Neukunden für einen Gauner, bis er sie vom Gegenteil überzeugt, die anderen, zu denen ich mich zähle, halten ihn für einen anständigen Menschen, bis er sie vom Gegenteil überzeugt. Ich habe zwar bei einigen Konkursfällen finanziellen Schaden erlitten, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass ein Gauner dahinter steckte. Außerdem waren es keine Neukunden.

ES: Für welche Hobbys nehmen Sie sich Zeit.

Mahr: Nicht für die üblichen wie Tennis oder Golf. Ich war 14 Jahre lang bis 1992 freiheitlicher Bezirksrat in Wien 22, weil ich Einfluss auf die Entwicklung dieses dynamisch wachsenden Stadtteils nehmen wollte. Außerdem bin ich seit 13 Jahren im Pfarrgemeinderat der Pfarre St. Christoph in Wien 22 tätig.

ES: Wie geht es weiter mit Nano-80?

Mahr: Da ich nicht die Absicht habe, mich mit den üblichen Tricks in die Frühpension zu schwindeln, kann man davon ausgehen, dass ich auch zum Silberjubiläum von Nano-80 noch Geschäftsführer bin, es sei denn, meine Mitgesellschafter entziehen mir das Vertrauen. In vier bis fünf Jahren werde ich aber entscheiden müssen, wer die Staffette übernehmen soll bzw. fragen, wer sie haben will. Sobald sich ein geeigneter Nachfolger meldet, bin ich gerne bereit, als „Konsulent“ in die zweite Reihe zurückzutreten und zu akzeptieren, dass auch er sagt: „I do it my way!“.

ES: Wir danken für das Gepräch.

Nano-80
Tel. (01)203 79 01-0
office@nano80.at
www.nano80.at

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