Für die Montage bedrahteter Bauelemente in SMT-Prozessen sind neben den SMT-Anlagen zusätzlich Geräte für die THT-Fertigung erforderlich. Es bietet sich also nahezu an, für Steckverbinder und andere bedrahtete Bauteile das Reflow-Lötverfahren anzuwenden. Dazu wurden Through-Hole-Bauelemente für die automatische Bestückung sowie die hohe thermische Belastung im Reflow-Ofen konstruiert; der Begriff Through-Hole-Reflow (THR) entstand.

Bild 1: Schematische Darstellung einer THT-Lötstelle im Querschnitt; ideale Lötung mit Lotdurchstieg 100%.

Bild 1: Schematische Darstellung einer THT-Lötstelle im Querschnitt; ideale Lötung mit Lotdurchstieg 100%.Göpel electronic

Bild 1 zeigt schematisch eine THT-Lötverbindung im Querschnitt. Das durch den Lotschwall der Lötwelle abgegebene Lot fließt bedingt durch die Kapillarwirkung von der Lot-Quellseite (Lötseite) zur Lot-Zielseite (Bestückseite). Es benetzt dabei die Anschlussfläche der Lötseite, umschließt den Pin und bildet durch den Pinüberstand auf der Lötseite einen Lotmeniskus aus.

Abnahmekriterien für THT-/THR-Lötstellen

In der IPC-A610 sind die Abnahmekriterien definiert, um nach erfolgter Lötung zwischen guten und schlechten Lötstellen unterschieden zu können. Tabelle 1 gibt einen auszugsweisen Überblick über die Kriterien.

Tabelle 1: Übersicht ausgesuchter Abnahmekriterien für THT-Lötstellen nach IPC-A610E.

Tabelle 1: Übersicht ausgesuchter Abnahmekriterien für THT-Lötstellen nach IPC-A610E.Göpel electronic

Nun ist eine Prüftechnologie erforderlich, welche die genannten Abnahmekriterien erfüllt. Am Beispiel eines mehrreihigen Steckverbinders (Bild 2) gibt Tabelle 2 eine Übersicht der Prüfabdeckung von AOI- und 3D-AXI-Systemen. AOI-Systeme sind gut geeignet zum Bewerten der umlaufenden Benetzung des Pins und der Hülse sowie der benetzten Anschlussfläche auf der Lötseite einer THT-Lötverbindung. Nachteilig an klassischen 2D-AOI- oder neuartigen 3D-AOI-Systemen ist jedoch, dass sich oft nur die Lötseite beurteilen lässt. Das liegt daran, dass die Pins auf der Bestückseite meist durch den Bauteilkörper selbst verdeckt sind. Eine Beurteilung der Lötstellen auf der Bestückseite ist mit einem AOI-System deshalb nicht möglich. Auch der Zinndurchstieg bleibt der klassischen AOI-Technologie verborgen.

Bild 2: Steckverbinder aufgenommen mittels AOI von oben (li) und unten (re).

Bild 2: Steckverbinder aufgenommen mittels AOI von oben (li) und unten (re).Göpel electronic

Abhilfe durch eine höhere Prüftiefe schafft ein modernes 3D-Röntgensystem wie das X-Line-3D. Die 3D-Röntgeninspektion macht nicht nur die Lötstellen der Bestückseite (also unter dem Bauteilgehäuse) sichtbar, sondern kann auch den Lotdurchstieg sowie das Lotvolumen berechnen.

Neben der 3D-Röntgentechnologie findet in der Praxis auch die 2,5D-­Röntgenbildaufnahme (Schrägdurchstrahlung) zum Prüfen des Zinndurstieges Anwendung. Die Bewertung des Lotdurchstieges mit einem 2,5D-Röntgenbild gestaltet sich indes speziell bei mehrreihigen Steckverbindern oft sehr schwierig, da sich die Pins der einzelnen Reihen gegenseitig verdecken.

Tabelle 2: Übersicht der Prüfabdeckung von 2D-/3D-AOI- und 3D-AXI-Systemen.

Tabelle 2: Übersicht der Prüfabdeckung von 2D-/3D-AOI- und 3D-AXI-Systemen.Göpel electronic

Zudem sind im 2,5D-Bild mehrreihige Steckverbinder für das Klassifikationspersonal schwerer zu interpretieren als im dreidimensionalen Schnittbild, das die Lötstelle stets von oben als Scheibe darstellt. Ein weiterer Nachteil der 2,5D-Aufnahme ist die aufwändigere Programmierung. Während das 3D-AXI-System X-Line 3D die Lötstellen stets normiert in der Draufsicht zeigt und so einheitliche Prüfalgorithmen zum Einsatz kommen können, muss in der 2,5D-Technik stets die Prüffunktion an den entsprechenden Schrägdurchstrahlungswinkel angepasst werden.

Die Salami-Taktik

Wie erfolgt die THT-/THR-Inspektion im X-Line 3D? Zum Berechnen des Zinndurchstiegs wird die THT-Lötstelle digital in Scheiben unterteilt. Ähnlich wie beim Schneiden einer Salami entstehen Scheiben der Dicke d und deren mit Lot bedeckte Fläche wird berechnet. Bild 4 zeigt den digitalen Schnitt schematisch.

Zum Berechnen des Zinndurchstieges definiert die THT-Prüffunktion des X-Line 3D anschließend eine minimal zulässige Scheibenfläche in Quadratmillimetern und prüft Scheibe für Scheibe, ob diese minimale Fläche unterschritten wird. In diesem Fall ist dies das Abbruchkriterium zum Bestimmen des Lotdurchstiegs. Die Durchstiegshöhe h wird dann von der Maschine in Millimetern berechnet und im Fehlerfall ist dieser Messwert neben dem Röntgenfehlerbild am Reparaturplatz/Klassifikationsplatz angezeigt. Zusätzlich zur Bestimmung des Lotdurchstieges kann das System das Lotvolumen in Kubikmillimetern berechnen. Dazu werden wie zuvor bei der Durchstiegsbestimmung zwischen Löt- und Bestückseite N-Scheiben der Dicke d erzeugt und für jede Scheibe das individuelle Volumen berechnet. Die Volumensumme aller Scheiben ergibt schließlich das Gesamtvolumen.

Im Falle einer THR-Lötstelle kehren sich Lot-Quellseite und Lot-Zielseite um; die Abnahmekriterien bleiben jedoch dieselben. Eine Prüfung von THR-Lötstellen ist somit ohne Weiteres möglich. Bedingt durch das Ausgasen des Flussmittels der Lotpaste während des Lötvorgangs sind bei THR-Lötstellen jedoch oft mehr Lufteinschlüsse innerhalb der Lötstelle zu finden. Gerade hier bietet sich der Einsatz des Röntgensystems X-Line 3D an, um Unterbrechungen im Zinndurchstieg zu detektieren.

Programmierung so leicht wie nie

Die intuitive Gestaltung der Systemsoftware XI-Pilot sowie die Kombination von 3D-Röntgenprüfung und AOI im Gerätesystem X-Line 3D AXOI macht die Parametrierung der THT/THR-Lötstelleninspektion kinderleicht. Programmierer können zur besseren Orientierung auf einem farbigen AOI-Übersichtsbild arbeiten und sich darüber halbtransparent die CAD-Daten der Baugruppe visualisieren lassen.

Auf einen Blick

Als wohl älteste Montagetechnik im Bereich der Leiterplattenfertigung hat die Through-Hole-Technology (THT) auch im Zeitalter der Surface-Mounted-Technology (SMT) ihre Berechtigung, denn bis heute werden bedrahtete Bauteile häufig im Wellenlötverfahren montiert. Um nicht nur „die Spitze des Eisberges“ zu betrachten, ist beim Prüfen der Lötstellen von THT/THR-Steckverbindern ein Blick in die Tiefe notwendig. Dabei genügt ein reines AOI-System zur Fehlerfindung den IPC-A610-Abnahmekriterien nicht, nur in Kombination mit 3D-Röntgentechnologie lässt sich unter anderem eine Aussage über den Zinndurchstieg und das Lotvolumen treffen.

Zum Parametrieren der THT-Prüffunktion sind lediglich die entsprechenden Steckverbinder auszuwählen, die Röntgenbilder (Schnitte) erscheinen daraufhin passgenau über dem AOI-Bild. Die Parametrierung der Prüffunktion erfolgt anschließend über wenige Schieberegler, um die Geometrie der THT-Lötstelle sowie nötige Grauwertschwellen einzugeben. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil der 3D-Röntgentechnik: Die Lötstellen sind stets in normierter Draufsicht gezeigt, so lässt sich eine einheitliche Bauteilbibliothek verwenden. Ein integriertes Debug-Statistik-Tool verhilft darüber hinaus, Messwerte aus N-Baugruppeninspektionen untereinander zu vergleichen und Messwertgrenzen zu optimieren.

Schnell, Schneller, X-Line 3D

Das patentierte Bildaufnahmekonzept des X-Line 3D ermöglicht die THT/THR-Prüfung im Takt der Produktionsline. Alle zur 3D-Rekonstruktion benötigten Röntgenbilder (Schrägdurchstrahlungsbilder) werden in der Bewegung (scan) aufgenommen und in Echtzeit verrechnet (rekonstruiert). Die scannende Bildaufnahme ist hierbei um den Faktor drei bis vier schneller als bei Systemen mit flächiger Stop-and-go-Bildaufnahmetechnologie. So lassen sich auch große Baugruppen mit vielen Steckverbindern taktzeitgerecht prüfen.

SMT Hybrid Packaging 2015: Halle 7A, Stand 111

Andreas Türk

ist als Bereichsleiter für die Automatischen Röntgeninspektionssysteme bei Göpel Electronics in Jena verantwortlich.

(mou)

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