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(Bild: PCVue)

Prozessüberwachung und -steuerung mit kontextabhängigem und positionsbezogenem HMI: Sobald sich Mitarbeiter einer Maschine nähern, erhalten sie automatisch eine Bedienoberfläche für das betreffende Objekt, anhand derer sie die Komponente prüfen und bedienen können. PCVue

Prozessüberwachung und -steuerung mit kontextabhängigem und positionsbezogenem HMI: Sobald sich Mitarbeiter einer Maschine nähern, erhalten sie automatisch eine Bedienoberfläche für das betreffende Objekt, anhand derer sie die Komponente prüfen und bedienen können. PCVue

Intelligente mobile Endgeräte sind heute eine Lösung für den Fernzugriff – vor allem Mobiltelefone und Tablets. Anwender arbeiten damit jedoch anders als mit Desktop-PCs. Die bisher üblichen Methoden zur Überwachung, Diagnose, Wartung und Steuerung von Prozessen in der Industrie und in der Gebäudeautomatisierung müssen daher neu durchdacht werden. Denn das Navigieren mit einem HMI, das für einen Desktop-Computer entwickelt wurde, ist auf einem viel kleineren Tablet aufgrund der geringen Bildschirmgröße und Mausnavigation komplizierter. Eine Mobilitätsinfrastruktur löst dieses Problem, da Informationen und Steuerungselemente abhängig von Rolle und Standort angezeigt werden. Sie bietet ein dynamisches HMI, das sich anpasst, je nachdem, in welchem Bereich des Betriebs sich der Mitarbeiter befindet, welche Aufgabe er hat und vor welchem Anlagenteil er steht.

Bereits heute sind die Kommunikationsadapter, die IPS (Indoor Positioning System) und das bekanntere GPS (Global Positioning System) erfordern, standardmäßig auf intelligenten Mobilgeräten vorhanden. Mit IPS oder GPS kann das Mobilgerät seinen aktuellen Standort ermitteln. Sobald sich ein Mitarbeiter in einer mobilen App anmeldet, bestimmt diese den Standort des Benutzers und übermittelt ihn in Echtzeit an den Scada-Host. Dieser kann dann ortsgebunden verschiedene Funktionen freischalten. Umgekehrt muss ein Wartungsmitarbeiter wissen, welche Maschinenkomponente sich in welchem Bereich befindet und wie er sich mit dem entsprechenden Server verbinden kann, um Zugriff auf beispielsweise Betriebsdaten oder die Steuerung zu erhalten. Eine Antwort hierauf liefert die Scada Mobility Infrastructure (Scada/MI, Mobilitätsinfrastruktur). Zu ihr gehören innerhalb der verwalteten Anlage angebrachte Geo-Tags – wie Bluetooth Low Energy Beacons (BLE), Near Field Communication (NFC) und QR-Codes – eine App für Mobilgeräte und ein zentraler Server, der die Echtzeitbetriebsdaten der angebundenen Maschinenkomponenten und sonstigen Anlagen bereithält.

Die Mobility-Architektur für Scada-Systeme. PCVue

Die Mobility-Architektur für Scada-Systeme. PCVue

Das zentrale Element ist der Scada-Mobility-Server (SMoS-Server). Er fasst die Informationen unterschiedlicher Bereiche zusammen und liefert eine aufbereitete Darstellung des Scada-Systems beziehungsweise die Gebäudeleittechnik und stellt den Zugriffspunkt für den mobilen Mitarbeiter dar. Ebenso verfolgt der SMoS-Server die Bewegungen der Mobilgeräte. Mitarbeiter erhalten von dem Server, abhängig von ihrem aktuellen Standort und Berechtigungen, Aktionen zur Auswahl oder angeforderte Informationen zum Echtzeitstatus sowie zu historischen oder aktuellen Betriebsdaten der Steuerungen. Dies können auch Zeichnungen, Schemata oder Handbücher sein.

App für mobile Endgeräte

Das mobile Endgerät ist mit dem SMoS-Server über eine App verbunden, die vorhandene Standardnetzwerkverbindungen nutzt. Sie erkennt Geo-Tags und ermittelt abhängig davon die Position des Endgeräts sowie die Komponenten, die sich in dessen unmittelbarer Nähe befinden. Die App liefert dem SMoS-Server Proximity-Informationen (Umgebungsinformationen). So aktualisiert sie zum Beispiel die Bewegungen des Mobilgerätebesitzers, die Präsenz nachverfolgter Gegenstände in seiner Umgebung oder Veränderungen der Benutzerdaten und zeichnet sie auf.

Flussdiagramm des Scada-Mobility-Servers. PCVue

Flussdiagramm des Scada-Mobility-Servers. PCVue

Sicherheit steht an erster Stelle: Es gibt mehrere Authentifizierungsebenen, aus deren Zusammenwirken sich ein gesicherter Betrieb ergibt. Dazu zählt die Authentifizierung des Benutzers vor Verwendung der App, vor der Ausführung von Steuerungsbefehlen sowie die Bestätigung vor der Ausführung einer kritischen Aktion. Außerdem prüft das System mithilfe eines tragbaren Sensors, etwa einem BLE-Beacon, dass sich der Benutzer wirklich in der Nähe des Geräts befindet und die Maschinenvorgänge im Blick hat. Daneben besteht die Möglichkeit der Zwei-Faktor-Authentifizierung über das Einlesen eines weiteren, direkt an der Maschine angebrachten Geo-Tags, zum Beispiel eines QR-Codes (Validator-Tag). Erkennt die SMoS-Logik, dass sich aus den Umgebungsinformationen neue Aktionen ergeben, werden diese dem Mobilgerät übermittelt. Dies kann die Darstellung eines Objekts oder einer Komponente als grafisches Symbol sein, das Anzeigen einer Liste von Messwerten und Betriebsdaten oder der Aufruf einer Webseite.

Für die Mitarbeiter ergeben sich Vorteile: Einerseits spart Scada/MI Zeit ein, die sie sonst brauchen würden, um das gesamte Scada-System nach einzelnen Informationen zu durchsuchen. Andererseits ergibt sich ein höheres Maß an Sicherheit, da der zentrale Server den Aufenthaltsort des Wartungspersonals kennt. Safety-relevante Warnungen werden direkt an den mobilen Mitarbeiter gesendet. Im Notfall erhalten Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen spezielle Anweisungen.

Nur ein Mitarbeiter genügt

Im Anwendungsfall ‚Diagnose‘ ist ein Wartungsarbeiter für einen oder mehrere Bereiche verantwortlich. Während er sich bewegt, erhält er für seinen Verantwortungsbereich die für seinen aktuellen Standort wichtigen Informationen. Dieser Verantwortungsbereich kann sowohl im Kontext der geografischen Nähe als auch in der Funktion des Bedieners gesehen werden. Der SMoS-Server erkennt alle mobilen Wartungsarbeiter und ist in der Lage, Alarmmeldungen an denjenigen Wartungsarbeiter zu senden, der aufgrund seines Standorts am schnellsten eingreifen kann. Die im SMoS-Server verfügbaren Proximity-Regeln schaffen neue Herangehensweisen, wie eine Wartungsstrategie aufzubauen ist: Für Wartungsaufgaben ist es typisch, dass ein Techniker eine Maschinenkomponente beobachtet, bei der der Verdacht einer Fehlfunktion besteht oder diese bereits aufgetreten ist. Das Bauteil wird eindeutig identifiziert und sein Standort durch einen oder mehrere Geo-Tags bestimmt. Bei Annäherung an die Geo-Tags synchronisiert sich die App mit dem SMoS-Server, welcher der App Kontextinformationen und Steuerungsaktionen liefert. Sobald sich eine Person der Komponente nähert, erhält sie automatisch eine Bedienoberfläche für das betreffende Objekt, anhand derer sie die Komponente prüfen und bedienen kann. Außerdem erhalten Mitarbeiter Zugang zu Ressourcen wie Inbetriebnahme-Checklisten, Schaltplänen und Anfahrprozeduren. Im Gegenzug wird vom zentralen Leitsystem die Einbauposition der Komponente geprüft.

Scada-Server als Lebensretter

Die Kenntnisse des SMoS über die Berechtigungen und den aktuellen Standort des mobilen Mitarbeiters bilden ebenso die Grundlage für ein Zutrittskontrollsystem. Wenn darüber hinaus ein Besucher der Einrichtung Zugang zu einem sicherheitsrelevanten Bereich verlangt, erhält der SMoS-Server dadurch Kenntnis von dieser Anforderung, dass sich der Betreffende einem dem Zugangspunkt zugeordneten Geo-Tag nähert (Proximity erreicht). Der Server kann den Zutritt gewähren und überprüfen, ob der Besucher den Bereich jenseits des Zugangspunktes tatsächlich betritt. Das Alarmsystem löst aus, wenn eine unbefugte Person einen gesperrten Bereich betritt oder eine anwesenheitspflichtige Person ihn verlässt. Scada/MI integriert dabei das Konzept zonenbasierender Benutzerberechtigungen: Die Berechtigungen eines Mitarbeiters können sich sowohl in Abhängigkeit von seiner aktuellen Position als auch vom Zustand des Systems oder anderer Umgebungsparameter ändern.

Ein Standortwechsel des Bedienpersonals lässt sich durch das Auswerten von Echtzeitdaten auf 2D-Karten oder 3D-Karten visualisieren. Auch der SMoS-Server kann darauf reagieren, indem er einen Sicherheitsalarm auslöst, die Umgebungsparameter wie Temperatur, Luftstrom oder Beleuchtung anpasst oder Energiesparmaßnahmen einleitet. Der Funktionsumfang der Scada/MI beinhaltet auch Life-Safety-Aufgaben. So ist der Server in der Lage, Evakuierungsmaßnahmen einschließlich der Ermittlung des besten Evakuierungsweges in Echtzeit zu koordinieren und Fluchtwege aufzuzeigen. Er ruft jeden im Gefahrenbereich befindlichen Mitarbeiter zum Verlassen des Gebäudes auf und warnt Personen davor, sich in die falsche Richtung zu bewegen. Beweglichen Gegenständen zugeordnete Geo-Tags werden ebenfalls im SMoS-Server registriert. Die Position dieser Geo-Tags, die direkt an den Gegenständen angebracht sind, werden Zonen zugeordnet, die durch fest installierte Geo-Tags definiert sind. Dies ermöglicht die Nachverfolgung beweglicher Gegenstände innerhalb eines Gebäudes oder einer Anlage.

Pierre de Bailliencourt

ist Präsident und Geschäftsführer von ARC Informatique.

Armin Kaltenbacher

ist technischer Leiter bei der PCVue GmbH.

(mns)

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