„Wir möchten im Dreieck München-Linz-Graz“ einen Power-Cluster schaffen, an dem Technik gelebt und kommuniziert wird“, sagte Karsten Bier, geschäftsführender Gesellschafter der Recom Firmengruppe anlässlich der offiziellen Einweihungsfeier am 8. November in Gmunden. Man habe rund zehn Millionen Euro in Infrastruktur und Ausrüstung investiert, um nicht nur für die derzeit 60 Mitarbeiter ein inspirierendes Umfeld zu schaffen, sondern auch eine Basis für Partner, Kunden und Studenten, um neue Ideen auszutauschen und sich gegenseitig zu befruchten. Das Konzept sei für Jahre in die Zukunft gedacht. So habe man ein nahezu energieneutrales Gebäude realisiert, das nicht nur seinen eigenen Solarstrom gewinnt, sondern auch Wärmeenergie aus einem tief unter dem Gebäude verlaufenden Grundwasserstrom.

Basis, um neue Ideen auszutauschen

Das sehr offen gestaltete Firmengebäude solle die Offenheit des Unternehmens gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten symbolisieren. Man wolle ein Klima schaffen, in dem Mitarbeiter den Mut hätten, quer zu denken und zu versuchen, ungewöhnliche Ideen zu realisieren. Man sehe eine sehr flache Organisationsstruktur als Schlüssel für die hohe Entscheidungsfreude im Unternehmen. In den Köpfen der Mitarbeiter würden viele gute Ideen schlummern – man müsse nur ein Klima schaffen, diese zum Leben zu erwecken. Dies sei eine der wesentlichen Ursachen für das rapide Wachstum des Unternehmens in den vergangenen zehn Jahren gewesen. Jetzt wolle man diese Offenheit bewusst auch auf Partner und Kunden ausdehnen.

Laut Bier wachse der Umsatz im aktuellen Geschäftsjahr wieder mit mehr als 20 %, nachdem er sich in den fünf Jahren seit 2009 weltweit vervierfacht hat. Dabei sei der Zuwachs in den historisch schwächeren Märkten wie Asien und den USA weit überdurchschnittlich gewesen. Neben einer Vielzahl neuer Produkte und neuer Applikationen sei ganz entscheidend gewesen, dass einmal gewonnene Kunden der Marke treu blieben. „Ich kann mich kaum erinnern, dass wir in der jüngeren Vergangenheit einen etablierten Kunden an den Wettbewerb verloren hätten“, sagt Bier nicht ohne Stolz. In den vergangenen Jahren habe man einen großen Aufwand betrieben, die eigenen Produkte noch zuverlässiger zu machen. „Null Prozent Fehlerrate“ sei eines der Unternehmensziele, auch wenn man wisse, dass dies nie ganz erreichbar sein wird. Im eigenen Umweltlabor würde in HALT-Tests bereits bei Prototypen intensiv nach Schwachstellen geforscht, um später vorzeitige Defekte zu vermeiden. Damit sei es Recom gelungen, die „Design Lifetime“ seiner Produkte kontinuierlich zu verbessern. Als Beispiel nennt er die brandneuen Dinrail-Netzteile, die ab Anfang 2015 mit sieben Jahren Garantie ausgeliefert werden. „Fit and Forget“ sei hier die Maxime gewesen, „einfach auf der Hutschiene montieren und vergessen“. Dabei seien die Produkte deutlich günstiger als vergleichbare Produkte vom Wettbewerb.

Als wichtiges Schlüsselthema bei der Entwicklung von Stromversorgungen nennt Bier die „Elektromagnetische Verträglichkeit“.  unter anderem in eine komplett von Rohde & Schwarz ausgestattete 3m-SAC-Kammer (Semi Anechoic Chamber), um beim Test von Prototypen im Vorfeld der Zertifizierung nicht vom Zeitplan externer Labors abhängig zu sein. „Time to Market ist ein kritischer Faktor für den Erfolg eines neuen Produktes“, betont Bier mit Hinweis auf den Zeitverlust im Falle eines Redesigns, das bei einer nicht bestandenen EMV-Prüfung notwendig würde. Im eigenen Labor könne man jederzeit normkonforme Messungen leitungsgebundener und abgestrahlter Emissionen nach CISPR 22 durchführen. Außerdem sei das Labor für Messungen nach EN 61000-4-x und EN 61000-3-2 gerüstet, die insbesondere für LED-Treiber ein wichtiges Kriterium sind. Da aber die beste Ausrüstung ohne die nötige Test-Erfahrung wenige nutze, habe man sich auch personell entsprechend verstärkt. Die Vermeidung von Elektrosmog sei in allen Bereichen der Elektronik ein großes Thema. Deshalb will man bei Recom seine Expertise nun auch Kunden zugänglich machen, um diese bei der Entwicklung eigener Prototypen zu unterstützen.

Durch die Nähe zur Kundenapplikation und zu externen Partnern verspricht sich Recom wichtige Impulse für die Entwicklung neuer Produkte. So sei man gerade in der Endphase der Entwicklung eines programmierbaren LED-Treibers, der im Leistungsbereich von 60 W zu den unterschiedlichsten LEDs passt. Auch bei hochwertigen AC/DC-Netzteilen sei man zunehmend aktiv. So plane man, auch in Leistungsbereiche deutlich jenseits der 60-W-Grenze vorzustoßen und das Know-how bei der Isolation von DC/DC-Wandlern für „medizinische Netzteile“ zu nutzen.

In den kommenden drei Jahren wolle Recom die 100 Millionen-Dollar-Grenze übertreffen. Mit dem neuen Gebäude sei auch noch deutlich mehr zu bewältigen. Dank des neuen Logistik-Centers mit ERP-gesteuertem Lagerlift-System sei es möglich, in der Auftragsbearbeitung neben den regionalen Spezial-Distributoren auch mit international operierenden Broadline-Distributoren (wie Arrow, Bürklin, Conrad, Digi-Key, Distrelec Schuricht, Farnell, Future, Mouser, RS, Rutronik oder Schukat) zusammen zu arbeiten. Die meisten der für die geplante Umsatzverdopplung notwendigen Mitarbeiter würden ohnehin in den beiden Fertigungsstätten in Taiwan gebraucht. Dort habe man insbesondere in der hochmodernen SMT-Fertigung Raum für weitere Fertigungsstraßen, um eine steigende Zahl von Modulen zu produzieren.

Statements von Karsten Bier

Recom ist in den letzten zehn Jahren überdurchschnittlich gewachsen. Wo sehen Sie die Gründe für dieses rapide Wachstum? Gibt es ein Geheimrezept?

Der Trend geht inzwischen ganz klar in Richtung fertiges Modul. Analoges Know-how stirbt in vielen Unternehmen aus. Die komplexe Analogtechnik erfordert tiefgreifende Kenntnisse sowie umfangreiche und jahrelange Erfahrung. Das wird jedoch immer seltener, da sich viele junge Entwickler eher der Digitaltechnik zuwenden. Was auf der einen Seite sehr schade ist, bringt uns aber auch Vorteile, da wir bei Recom über sehr viel Know-how in der Analogtechnik verfügen, das wir in unsere Produkte einbringen können. So betrachtet kauft der Kunde unser Know-how. Zudem erleichtern fertige Module die Zertifizierung des Endproduktes und durch die Massenproduktion sind sie so günstig geworden, dass sich Eigenentwicklungen nur noch ganz selten lohnen.

Ein weiterer Punkt sind unsere weit verzweigten Distributionskanäle. Wir haben das größte Distributionsnetz der Welt mit über 50.000 Kunden. Ein dritter Erfolgsfaktor ist unser umfangreiches Produktportfolio, mit derzeit mehr als 30.000 unterschiedlichen Modulen. Jährlich kommen rund zehn neue Produktfamilien dazu.

Werden Sie Ihr für 2017 gesetztes Umsatzziel von 100 Millionen Dollar erreichen?

Ich sehe bislang keinen Grund, warum wir dieses Ziel nicht erreichen sollten. Nach einem Umsatz von knapp 50 Millionen Dollar nach deutlich über 20 % Wachstum im laufenden Jahr streben wir auch für die kommenden Jahre ein ähnlich hohes Wachstum an. Die neuen Netzteile mit höherer Leistung sind hierbei noch nicht eingerechnet.

Sie wollen ihr Produktprogramm, das sich bisher fast ausschließlich auf DC/DC-Wandler im Leistungsbereich bis 30 W konzentrierte, also ausbauen?

Ja, wir werden unser Produktprogramm konsequent erweitern, so wie wir das vor ein paar Jahren mit dem Einstieg in das AC/DC-Modulgeschäft gemacht haben. Wir arbeiten daran, das eigene Produktportfolio insbesondere bei AC/DC-Netzmodulen und LED-Treibern wesentlich zu erweitern und die Leistungsobergrenze von bislang 60 W deutlich zu erhöhen. Geplant ist erst einmal eine Erhöhung bis 150 W und bis Ende 2015 haben wir uns etwa 240 W zum Ziel gesetzt.

Welches Produktionslevel haben Sie in Ihrer SMT-Fertigung in Taiwan erreicht?

Wir verfügen über zwei Produktionsstätten in Kaohsiung/Taiwan – eine konventionelle Fab für viele unterschiedliche Wandler in kleinen und mittleren Stückzahlen und über eine nahezu vollautomatisch arbeitende SMT-Fab für Massenprodukte. Wichtig war es uns, das eigene Know-how im Unternehmen zu behalten. Eine eigene SMT-Fertigung und das daraus resultierende Fertigungs-Know-how sind nicht nur wichtig zur Sicherung der Qualität sondern auch für die Entwicklung neuer Produkte. Seit Ende 2011 verfügen wir mittlerweile über vier SMT-Linien, was in der Stromversorgungsbranche eher ungewöhnlich ist. Großkunden erwarten diese Qualität und dieses Know-how, wenn sie Factory-Audits bei uns durchführen.

Vor einiger Zeit schon berichtete Recom über Plagiate beziehungsweise minderwertige Nachbauten. Haben sich diese Probleme im Laufe der Zeit geändert?

Vor ein paar Monaten noch war es regelrecht exzessiv. Im Moment ist es wieder etwas ruhiger geworden. Wir bemühen uns illegale Anbieter aufzuspüren und mit rechtlichen Schritten gegen Produktpiraterie vorzugehen. Kunden können sich schützen, indem sie ihre Wandler ausschließlich bei autorisierten Distributoren beziehen.

Welches sind Ihre zukünftigen Ziele und Herausforderungen?

Was Sie bei der Eröffnung unseres Headquaters in Gmunden gesehen haben, ist ein Konzept, und ein Konzept muss immer leben. Wir wollen uns mit der Einweihung der neuen Firmenzentrale bewusst für Partner und Universitäten öffnen. So soll über den eigenen Bedarf hinaus ein Elektronik-Cluster entstehen, der Zugriff hat auf unsere Prüflabors. Das heißt wir brauchen einfach Zeit. Weiterhin kommt es darauf an, wie sich die neuen Produkte vermarkten lassen. Auch unsere Wettbewerber werden darauf reagieren. All dem müssen wir uns stellen. Das ist ja auch spannend. Unser großer Vorteil ist, dass wir eine starke Brand haben und unsere Kunden uns voll unterstützen.

(ah)

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