Feuchtigkeit ist ein hartnäckiger Feind der elektronischen Baugruppe. Sie kann Störungen verursachen und ist auch für Kriechströme verantwortlich. Nicht selten sind die Schädigungen so gravierend, dass es zum Ausfall der elektronischen Baugruppe kommt. Aber auch die Miniaturisierung fordert ihren Tribut. Mit den immer schrumpfenden Leiterbahnabständen steigt die dazwischenliegende Spannung immens. Daher ist es mehr denn je erforderlich, unter wirtschaftlich optimalen Bedingungen die Funktionsfähigkeit der Geräte auch im späteren Einsatz sicherzustellen.

Jedoch sieht sich der Anwender stets in einem Zielkonflikt. Heute reicht es nicht, einfach irgendeine Schutzbeschichtung vorzunehmen. Je nach Anforderung sind spezifische Lacksysteme erhältlich – die eierlegende Wollmichsau, also eine Schutzbeschichtung, die alle Anforderungen abzudecken vermag, gibt es nicht und wird es wohl in absehbarer Zeit auch nicht geben. Die Kompromissbereitschaft, die Elektronikfertigern abverlangt wird, ist indes hoch, weiß Dr. Manfred Suppa, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Lackwerke Peters zu berichten: „Wir müssen permanent Kompromisse machen. Kompromisse in Bezug auf Kontamination, in der Reinigung, in der Applikation oder auch Kompromisse die uns vom Verbraucher oder von der Baugruppe selbst aufgedrückt werden.“

In der Designphase die richtigen Hebel ansetzen

Es liegt nicht daran, dass die Parameter heutzutage nicht definiert sind – darüber sind sich die Experten der Podiumsdiskussion einig. Vielmehr müssen Reinigungsverfahren, Materialauswahl und Beschichtungstechnologie zusammenspielen. „Die Lackierung einer Baugruppe hört sich sehr, sehr einfach an“, nimmt Gerd Schulze Anlauf. Der Sales Manager von Nordson Asymtek macht auf einen wesentlichen Aspekt aufmerksam: „Eine Baugruppe ist keine flache Oberfläche, sondern sie weist eine extrem komplexe Topologie auf. Durch die unterschiedlichen Bauteile sind rund dreißig verschiedene Materialien vereint, auf denen der Lack überall gleichmäßig gut haften muss. Das zu realisieren, ist schon etwas anspruchsvoll.“

Bereits während der Designphase gilt es, das Anforderungsprofil genau auszuloten. Was muss beispielsweise die Baugruppe im Feld aushalten, welchen Umweltbedingungen ist sie ausgesetzt. „Wenn man von Anfang an, also in einer sehr frühen Designphase die Anforderungen sauber definiert, kann man sich später sehr viele Kosten sparen und gleichzeitig Sicherheit haben“, ergänzt Dr. Helmut Schweigart, Leiter Technologieentwicklung von Zestron Europe und macht auf ein weiteres Detail aufmerksam: „Man muss vorher abklären, welcher Sicherheitsaspekt zu berücksichtigen ist. Das führt automatisch zur Frage der Beschichtungsart. Bereits in der Designphase sollten die kritischen Stellen nach Möglichkeit entschärft werden, so dass sich beispielsweise Kriechströme erst gar nicht ausbilden können. Damit hat man schon den ersten Einstieg in Schutzkonzepte.“

Theorie und Praxis klaffen auseinander

Jedoch sieht es in der Praxis ganz anders aus. „Meistens fängt man an, über eine Schutzlackierung nachzudenken, wenn man ein Problem hat, häufig in Form von Feldrückläufen“, berichtet Dr. Suppa von Lackwerke Peters. Daher sei es sinnvoll, bereits im Vorfeld über eine Schutzlackierung nachzudenken. Aspekte, die da einfließen sind der Korrosionsschutz, der Schutz vor Feuchtigkeit und Schmutz.

Gerade die Feuchtigkeit ist ein breit zu fassender Begriff. Denn Feuchtigkeit gibt es bereits in der Atmosphäre. Wäre das ein Grund, eine Schutzbeschichtung vorzunehmen? Wohl kaum. Ist allerdings die Baugruppe einem steten Klimawechsel ausgesetzt, dann könnte die damit einhergehende Betauung sehr wohl eine Schutzbeschichtung erforderlich machen. Doch ist auch hier der der Übergang von einer leichten bis hin zur massiven Betauung fließend. „Manchmal reicht die Luftfeuchtigkeit, um zu Ausfällen zu führen – es muss nicht unbedingt Betauung sein“, führt Dr. Schweigart von Zestron die Schwierigkeit einer sinnvollen Abwägung aus.

Beschichtungsfehler minimieren

Es gibt fünf Grundtypen an Schutzlacken, die Lackwerke Peters mit verschiedenen Einstellungen im Programm haben. Dickschichtlacke bis 200 µm Dicke sind lösemittelfrei und härten schnell unter UV-Licht. Lösemittelhaltige Lacke zeigen andere Vorteile. Welcher Lack wozu passt ist abhängig von der Applikation, der Substratoberfläche und den Anforderungen bezüglich physikalischer und chemischer Beständigkeit, von der Art der Härtung und den einzuhaltenden Normen. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Beschichtungstechniken wie die selektive Beschichtungen nach unterschiedlichen physikalischen Verfahren, die Tauch- und Flutlackierung, die Dickschichtlackierung, Spray- und Druckverfahren und den Verguss gegen Klimaeinflüsse.

Daher kommt es sehr auf die künftigen Anforderungen der Baugruppe an, welches Lacksystem mit welcher Beschichtungstechnologie zum Einsatz kommt. Häufig im Einsatz ist die selektive Schutzbeschichtung. Schon allein deshalb, weil es Komponenten auf dem Board gibt, die keinesfalls mit Schutzlacken in Berührung kommen dürfen, da sonst deren Funktion beeinträchtigt wird. Das können Steckerleisten, Messpunkte und andere Anschlussbereiche oder sensible Bauteile sein. „Normalerweise kann keine Baugruppe komplett beschichtet werden“, merkt Gerd Schulze von Nordson Asymtek an. Daher sei es unbedingt nötig, dass „die kritischen Bereiche der Baugruppe kontrolliert mit den Schutzlackierungen versehen werden, um sicherzustellen, dass die Schutzfunktion gewährleistet ist, aber die anderen Bereiche gezielt frei bleiben“. Sprühverfahren sind dafür recht schlecht geeignet, weil der Sprühnebel unkontrolliert Lack freisetzt. „Aus diesem Grund sollte man Verfahren einsetzen, um den Schutzlack selektiv in vorgesehene Bereiche zu applizieren.“

Neben den Anforderungen an das Verfahren wie Taktzeit, Flexibilität, Bedienfreundlichkeit der Software und Stabilität, werden heute besondere Anforderungen an die Prozesskontrolle und an qualitätssichernde Maßnahmen gestellt. Durch entsprechende Regelungen, die in den automatisierten Anlagen integriert sind, lassen sich Veränderungen der Prozessparameter und somit auch die Fehlerrate deutlich reduzieren. Eine Anlage muss in der Lage sein, sämtliche Parameter wie Schichtbreite, Schichtdicke, Temperatur, Materialdrücke oder Luftdrücke zu erfassen und zu vergleichen um sie entsprechend zu reproduzieren. Beispielsweise wird es in der Automobilbranche immer wichtiger, dass die Produktionsdaten erfasst werden, um so zu dokumentieren, dass man die richtigen Prozessparameter und die richtigen Einstellungen vorgenommen hat. Auf diese Weise ist auch eine Rückverfolgbarkeit gegeben. Dabei spielt die Software eine zentrale Rolle, betont Gerd Schulze: „Alle Parameter werden mit der Software programmiert, um sicherzugehen, dass die Produktion fehlerfrei laufen kann.“

Allerdings gibt es viele Parameter, die einzustellen sind. Da kann es passieren, dass der Bediener in der Annahme das Richtige zu tun, möglicherweise die falschen Einstellungen vornimmt. Bei den heutigen Anlagen sind auf der Bedienoberfläche daher überhaupt keine Regler mehr vorhanden. Dadurch, dass die Parameter programmiert werden, lassen sie sich auch kontrollieren – und die Programme mit einem Passwort schützen. Dabei wird ein Sollwert vorgeben und ein gewisses Toleranzfenster erlaubt. Der Bediener kann das Programm auswählen und ausführen, hat aber keinerlei Zugriff auf die Toleranz. „Verabeitungsparameter lassen sich daher nur durch den Prozessingenieur bearbeiten, um so sicherzustellen, dass die Vorgaben eingehalten werden“, versichert Gerd Schulz und fügt hinzu: „Da ist keine unautorisierte Manipulation mehr möglich.“

Korrossionsschutz: Dritte Auflage des Leitfadens

Innerhalb des Arbeitskreises „Korrosionsschutz in der Elektronik und Mikrosystemtechnik“ der Gesellschaft für Korrosionsschutz e.V. wurde der Leitfaden zur Anwendung und Verarbeitung von Schutzlacken für elektronische Baugruppen überarbeitet. Die aktuell erschienene dritte wurde inhaltlich deutlich erweitert. Schwerpunkt des Leitfadens sind Auswahlkriterien, Anwendungsgebiete, Anforderungsprofile und Applikationshinweise für Schutzbeschichtungen. Die Publikation ist aus der Erkenntnis entstanden, dass ein umfassendes und grundlegendes Verständnis der Beschichtung und ihrer Funktion auf elektronischen Baugruppen für deren Nutzung unter klimatisch anspruchsvollen Bedingungen erforderlich ist.

 

Die GfKORR, Gesellschaft für Korrosionsschutz e. V., ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Fachleuten aus Industrie, Forschung und Handwerk, deren Zielsetzung in der Vermeidung von Korrosion und ihren Folgeschäden liegt. Durch den wissenschaftlich-technischen Erfahrungsaustausch sowie die Förderung von Forschung und Weiterbildung, sollen die Ursachen für Korrosion eruiert werden, um in der Folge effektive Korrosionsschutzmaßnahmen für alle verfügbaren Werkstoffe zu entwickeln.

 

Durch Korrosion und deren Folgen werden allein in Deutschland jährlich Kosten in Milliardenhöhe verursacht. Direkte und indirekte Kosten durch Produktions- oder Leistungsausfälle summieren sich zu einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von etwa 3 bis 4 Prozent des Bruttosozialprodukts. So ist die Förderung einer fundierten Ursachenforschung und der effizienten Wissensvermittlung auf allen Gebieten der Korrosion und des Korrosionsschutzes durch die GfKORR für alle Wirtschaftszweige auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes – durch Vermeidung von Ressourcenverschwendung und Energieeinsparung – interessant.

Optimale Schutzbeschichtung setzt hohe Reinheit voraus

Da das Beschichten der Baugruppe in der Regel den letzten Schritt in der Wertschöpfungskette darstellt, können sich Fehler in diesem Fertigungsschritt drastisch auf die Produktionskosten auswirken und zu verheerenden Ausfällen im Feld führen, weiß Dr. Helmut Schweigart von Zestron zu berichten: „Um eine optimale Haftung der Schutzbeschichtung zu gewährleisten und spätere Rissbildung und Delaminationseffekte zu vermeiden, ist es wichtig, dass eine hohe Reinheit der Baugruppe vor dem Beschichten gesichert ist.“ Ein optimierter Reinigungsprozess mit Analyse in der Vorstufe der Beschichtung der Baugruppe stellt sicher, dass der Schutzlack sicher haftet.

Die Auswahl eines Reinigungsverfahrens sollte zuerst über die technischen Notwendigkeiten erfolgen. „Bei nachgelagerten Beschichtungsprozessen ist es vor allem wichtig, durch die Reinigung eine möglichst hohe Oberflächensauberkeit zu erreichen. Natürlich müssen die Substrate sauber werden, aber wie sauber es nun sein muss, ist oft unklar. Dabei ist zu unterscheiden, ob es um kosmetische bzw. optische Sauberkeit geht oder ob an die Oberflächenreinheit konkrete Anforderungen gebunden sind. Ein Indikator für die benötigte Oberflächenreinheit sind die der Reinigung nachgelagerten Prozessschritte.

Bei der Auswahl eines geeigneten Reinigungsprozesses spielt vor allem die optimale Abstimmung von Reinigungsmechanik und -chemie eine große Rolle“, erklärt Dr. Schweigart. Dabei geht vor allem darum, Harzrückstände und Aktivatorenrückstände zu entfernen, da sie zu schlechter Beschichtungs- und Bondhaftung sowie zu Korrosion und elektrischen Ausfällen führen. „Jeder Reinigungsprozess ist individuell. Das bedeutet auch, dass das benötigte Reinigungsmedium oder die Reinigungsanlage speziell auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt werden müssen“, gibt der Experte zu bedenken. „Man muss sich entscheiden, ob man sich Breitbandig aufstellt, dann erfordert dies mehrere Reinigungssysteme. Oder wenn man weiß, dass man sich auf zwei Baugruppentypen festlegen kann, dann kann man sich entsprechend auf wenige Reinigungsmedien hinoptimieren.“

Trends im Baugruppenschutz

In über 90 Prozent  der Anwendungen wird lösemittelhaltiger Lack eingesetzt. Das wird sich künftig ändern, ist sich Dr. Manfred Suppa von Lackwerke Peters sicher: „Der Trend zu lösemittelarmen oder gar lösemittelfreien Lacken ist unverkennbar. Gerade jene, die hohe Volumina verarbeiten sind limitiert in ihren Lösemittelverbrauch.“ Auch werden dazu spezielle Auftragstechniken entwickelt. Für Dr. Suppa ist auch die Schnelligkeit ein Aspekt, der immer mehr in den Vordergrund rücken wird: „Der Beschichtungsprozess muss schnell sein und darf nicht zu viel Platz einnehmen.“ Immer größerer Beliebtheit werden sich auch UV-härtende Lacksysteme erfreuen. Sie trocken nicht nur schnell – künftig ließen sich wesentlich kompaktere, effizientere UV-Strahler einsetzen, die die Lacke noch schneller in nur wenigen Sekunden auszuhärten vermögen.

Weitere „Trendsetter“ sind der steigende Anspruch auf Hochwertigkeit. Eine höhere Klimabeständigkeit und Umweltfreundlichkeitsaspekte liegen ebenfalls hoch im Kurs. Parallel dazu müssen die Lacksysteme immer preiswerter sein.

Höhere Zuverlässigkeit

Durch die Beschichtung mit Schutzlacken können elektrische Schaltungen vor dem negativen Einfluss von Feuchtigkeit, Lösemitteln, Staub und anderen Verunreinigungen geschützt werden, die ansonsten zu Beeinträchtigungen und Fehlfunktionen führen würden. Darüber hinaus verhindern Schutzbeschichtungen wirkungsvoll das Wachstum von Dendriten und die Oxidation auf der bestückten Leiterplatte. Jedoch sollte man sich bereits beim Anforderungsprofil entscheiden, welche Schutzbeschichtung am sinnvollsten ist.

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

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