Notstromaggregate kosten viel Geld und werden selten gebraucht. Sie für die Netzstabilität einzusetzen, bringt Geld und testet das System auf Einsatzfähigkeit.

Notstromaggregate kosten viel Geld und werden selten gebraucht. Sie für die Netzstabilität einzusetzen, bringt Geld und testet das System auf Einsatzfähigkeit.Phoenix Contact

Um das Netz im Gleichgewicht zu halten, muss der Netzbetreiber vorausschauend agieren. Tennet sagt dazu sowohl den Verbrauch für Sekunden als auch für eine längere Zeitspanne vorher. Diese Angaben sind wichtig, um ein drohendes Ungleichgewicht zu verhindern. Ziel ist, dass die erzeugte Energiemenge immer exakt der abgenommenen entspricht. Andernfalls ändern sich Netzparameter wie Spannung und Frequenz, sodass bestimmte Anlagen den Strom nicht mehr verwenden können. Auf die Stromversorger und Netzbetreiber können dann hohe Sanktionen zukommen.

Versorger und Abnehmer regeln über den gesamten Tag mit einem Bonus-Malus-System das Strom-Gleichgewicht. Sind die Möglichkeiten der Parteien jedoch ausgeschöpft, setzt der Netzbetreiber als letztes Mittel die Notversorgung ein. Zu diesem Zweck werden große Prozessindustrien abgeschaltet oder Kraftwerke hochgefahren, die ansonsten nicht mehr für die normale Stromversorgung erforderlich sind. Die Notversorgung muss innerhalb von 15 min bereitstehen. So schnell lassen sich konventionelle Kraftwerke jedoch nicht hochfahren. Es dauert einige Stunden, bis die großen thermischen Kraftwerke die benötigte Strommenge liefern können. Auch die unbeständigen regenerativen Energien wie Windkraft tragen nicht zur Stabilisierung des Stromnetzes bei.

Die Lösung ist der NL Noodvermogenpool – der Notstrompool. Die Idee hatte Maarten Schaareman, der heute als Direktor des NL Noodvermogenpools fungiert. Er gründete das Unternehmen 2011 in Absprache mit Tennet, um den niederländischen Netzbetreiber dabei zu unterstützen, ein zuverlässiges nationales Netz bereitzustellen. Im NL Noodvermogenpool hat sich eine Reihe von Unternehmen zusammengeschlossen, die jeweils über ein oder mehrere Notstromaggregate verfügen. Wenn im nationalen Transportnetz unerwartete Stabilitätsprobleme auftreten, lassen sich die Aggregate zuschalten. Das für den Abruf zum Einsatz kommende Automatisierungssystem entwarf der Systemintegrator Unica.

Technik im Detail

Kleinsteuerung: Datenübertragung über via Ethernet und Mobilfunk

Bei der ILC 151 GSM/GPRS handelt es sich um eine Kleinsteuerung mit integriertem Mobilfunk-Modem. Daher kann die SPS sowohl über Ethernet als auch via Mobilfunk kommunizieren. Wie sämtliche Steuerungen von Phoenix Contact unterstützt der Controller verschiedene IT-Protokolle wie HTTP, HTTPS, FTP, SNMP, SMTP, SNTP, OPC und SQL. Zudem lässt sich die SPS flexibel um I/O-Module aus dem Inline-Automatisierungsbaukasten erweitern. Dazu zählen digitale und analoge I/O-Module sowie Schnittstellen-Komponenten für CAN, RS232, RS485 oder Profibus.  Die Steuerung selbst bietet 16 digitale Eingänge und vier digitale Ausgänge. Außerdem sind 512 kB Programm- und 512 kB Datenspeicher vorhanden. Die erforderliche Engineering-Umgebung PC Worx Express steht kostenfrei zur Verfügung.

Die Besitzer der Notstromaggregate erhalten eine festgelegte Vergütung pro Megawatt und Jahr sowie ein Entgelt für die Nutzung und den bei einem Einsatz verbrauchten Brennstoff. Außerdem werden die Anlagen kostenlos periodisch überprüft. Ein positiver Aspekt ist außerdem, dass so unangemeldet getestet wird, ob das Aggregat ausreichend Leistung liefert. Anhand der Messdaten lässt sich ein fortschreitender Verschleiß des Verbrennungsmotors oder der elektrischen Bestandteile erkennen und rechtzeitig eine Wartung durchführen. Sollte ein Netzproblem auftreten, steht der Generator primär seinem Eigentümer zur Verfügung. Die Anbindung an den NL Noodvermogenpool lohnt sich für die Unternehmen, da die Notstromaggregate nicht nur teuer in der Anschaffung sind, sondern auch in der Wartung, aber meist nur selten oder nie zum Einsatz kommen. So amortisieren sich die Kosten schneller.

Die Kleinsteuerung mit integriertem GSM/GPRS-Modem reagiert auf Anforderungen der Datenbank und sendet Statusinformationen an die Leitwarte.

Die Kleinsteuerung mit integriertem GSM/GPRS-Modem reagiert auf Anforderungen der Datenbank und sendet Statusinformationen an die Leitwarte.Phoenix Contact

Virtuelles Kraftwerk lässt sich schnell hochfahren und fein skalieren

Derzeit befinden sich etwa 100 Notstromaggregate im NL Noodvermogenpool. Das entspricht einer installierten Leistung von rund 55 MW im Dauerbetrieb oder 61 MW Spitzenleistung. Mit der Lösung ist ein flächig verteiltes Kraftwerk entstanden, das sich schnell hochfahren lässt, weil die einzelnen Generatoren eine relativ geringe Anfahrzeit haben. Ein Generator von 1 MW erreicht beispielsweise meist in weniger als 5 min seine volle Leistung. Darüber hinaus kann der Umfang der abgegebenen Leistung durch das Hinzufügen oder Entfernen von Generatoren genau skaliert werden. Ein solches virtuelles Kraftwerk ist somit in der Lage, sofort auf Netzschwankungen zu reagieren und auch erhebliche Abweichungen auszugleichen, die durch das Einspeisen von Energie aus regenerativen Energiequellen resultieren. Bevor die Notstromaggregate der einzelnen Partner in den Pool aufgenommen werden, prüft sie der Systemintegrator Unica.

Server sendet Anforderungssignal an Kleinsteuerungen

Wenn es notwendig ist, fordert Tennet telefonisch beim rund um die Uhr erreichbaren Wachdienst des NL Noodvermogenpools die Notversorgung an. Per Telefon wird der Mitarbeiter des Wachdienstes informiert, welche Energiemenge in den nächsten 5 min bereitgestellt werden soll. Er gibt die Anforderung in ein Webportal ein. Ab diesem Zeitpunkt laufen alle weiteren Schritte automatisch ab. Eine Rotationstabelle, die mit einer Datenbank gekoppelt ist, ermittelt, welche Notstromaggregate zur Verfügung stehen. Denn nicht alle Aggregate der Teilnehmer sind jederzeit nutzbar. Sie kommen nicht zum Einsatz, wenn sie zum Beispiel in der Nähe von Wohnhäusern liegen und ihr Betrieb zu viel Lärm verursachen würde. Deshalb bestimmt die Rotationstabelle, zu welchen Zeiten ein Netzbetrieb denkbar ist und wann nicht. Außerdem haben die Generatoren mit den wenigsten Betriebsstunden Priorität. Dies sorgt für eine gleichmäßige Belastung sämtlicher im Pool vorhandenen Aggregate.

Steht fest, welche Notstromaggregate notwendig sind, um die angeforderte Energie bereitzustellen, sendet der in der Leitwarte installierte Server ein Anforderungssignal an alle betroffenen Aggregate. Diese sind mit einer Kleinsteuerung ILC 151 GSM/GPRS von Phoenix Contact ausgestattet. Da der Controller über ein GSM/GPRS-Modem verfügt, lässt er sich über das Mobilfunknetz erreichen. Neben der Funkkommunikation besteht auch eine kabelgebundene Ethernet-Verbindung, sodass die SPS in jedem Fall den erforderlichen Befehl empfängt.

Wird das Notstromaggregat von der Leitzentrale angefordert gibt es eine akustische und optische Warnmeldung. Die Mitarbeiter haben dann vor dem Anlaufen noch 30 s Zeit den Raum zu verlassen.

Wird das Notstromaggregat von der Leitzentrale angefordert gibt es eine akustische und optische Warnmeldung. Die Mitarbeiter haben dann vor dem Anlaufen noch 30 s Zeit den Raum zu verlassen.Phoenix Contact

Kleinsteuerung sorgt für sicheres Anlaufen

Der Controller verarbeitet das Anforderungssignal und schaltet als erstes eine vor Ort montierte akustische und optische Warnmeldung ein. Diese zeigt an, dass der Generator in 30 s anläuft. Die Zeitspanne reicht aus, damit Personen den Raum verlassen oder sich einen Gehörschutz aufsetzen können. Anschließend erhält die Steuerung die Daten des Notstromaggregats und informiert das System, dass der Generator hochgefahren ist. Gleiches gilt, wenn eine Störung auftritt. In diesem Fall sucht der Server der Leitwarte nach dem nächsten zur Verfügung stehenden Aggregat. Zusätzlich wird dem jeweiligen Unternehmen automatisch per SMS oder E-Mail gemeldet, wenn seine Notstromaggregate angefordert werden, gestört sind oder bei der Verbindung Probleme auftreten.

Sämtliche vom Server angeforderten Generatoren laufen innerhalb von 30 s an. Nach 10 min steht die Nennleistung bereit. So lässt sich der vorübergehende Bedarf schnell decken. Sobald nach 15 bis 60 min das Gleichgewicht im Transportnetz wiederhergestellt ist, meldet Tennet die Notstromaggregate ab und der Server nimmt sie vom Netz. Die zuletzt verwendeten Aggregate kommen dann an das Ende der Prioritätenliste. Durch diese Lösung kann der Netzbetreiber jederzeit auf eine schnell verfügbare Leistungsreserve zurückgreifen und für die gesetzlich vorgeschriebene Netzgüte sorgen. Die industriellen Endverbraucher profitieren von stabileren Produktionsprozessen und somit von einer besseren Produktqualität.

Michael Gulsch

ist Mitarbeiter im Geschäftsbereich Control Systems bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Bad Pyrmont.

(mf)

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