Bild 1: Das BOM Manager Tool des Distributors Digi-Key bietet Entwicklungsteams Informationen über die Verfügbarkeit von Bauteilen während des Entwicklungszyklus.

Bild 1: Das BOM Manager Tool des Distributors Digi-Key bietet Entwicklungsteams Informationen über die Verfügbarkeit von Bauteilen während des Entwicklungszyklus. (Bild: Digi-Key)

Über die letzten dreißig Jahre hat sich in der Elektronikindustrie langfristig als Tendenz herausgebildet, dass sich die Nachfrage nach Bauelementen für militärische und industrielle Anwendungen immer mehr zugunsten der Consumer-Elektronik verschiebt.

Dieser Richtungswechsel stellt aber gerade die Entwickler vor Herausforderungen, die weiterhin industrielle und militärische Produkte entwerfen. Denn die Bedürfnisse des Consumer-Bereichs bringen andere Anforderungen an die Hersteller von Bauelementen mit sich. Entsprechende Anwendungen konzentrieren sich eher auf zusätzliche Funktionen und die Leistungsmerkmale neuartiger Bauelemente.

Im Allgemeinen werden diese alle zwei Jahre neu entwickelt, um im Einklang mit dem Zeithorizont der kleiner werdenden Halbleitergeometrien zu stehen. Bauteile, die nicht mit neuartiger Prozesstechnik gefertigt werden, gelten schnell als veraltet beziehungsweise obsolet. Für Entwickler von Consumer-Geräten stellt dies kein Problem dar, da die allgemeine Lebensdauer dieser Produkte gut mit der Verfügbarkeit der Bauteile harmoniert.

Unterschiedliche Zeithorizonte in Industrie und Consumer Electronics

Entwickler industrieller oder militärischer Anwendungen entwerfen jedoch Produkte, die eine Lebensdauer von über einem Jahrzehnt haben können. Zwar stehen industrietaugliche Bauelemente, zum Beispiel für erweiterte Temperaturbereiche, zur Verfügung, die Hersteller über einen längeren Zeitraum anbieten. Diese Spezialbauteile sind jedoch in der Regel teurer als Bauelemente, die für Consumer-Elektronik vorgesehen sind, da sie unter rauen Umgebungsbedingungen betrieben werden.

Für andere Anwendungen, die diese erweiterte Funktionalität nicht benötigen, bieten herkömmliche Bauelemente ein wesentlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass es nur eine begrenzte Auswahl industrietauglicher Komponenten gibt. Die für die Anwendung erforderliche Leistungsfähigkeit ist dann nur mit consumer-gerechten Bauteilen umsetzbar.

Genehmigungs- und Design-in-Prozesse brauchen Zeit

Wenn Bauteile nur im Zeithorizont neuster Prozessknoten zur Verfügung stehen, bringt dies einige Branchen in Schwierigkeiten. Automotive-Systeme und Medizintechnik durchlaufen zum Beispiel längere behördliche Genehmigungs- oder Design-in-Prozesse. Dies führt dazu, dass die Bauteile, die zur Herstellung dieser Produkte erforderlich sind, von den Herstellern als ausgereift bewertet werden, wenn der Genehmigungs- oder Entwurfsprozess einmal abgeschlossen ist.

Die Langzeitverfügbarkeit von ICs kann auch von ihrer Funktion abhängen. Speicher-ICs sind ein gutes Beispiel dafür. Speicherhersteller wollen stets auf dem letzten Stand der Schnittstellenstandards wie DDR4 oder LPDDR3 sein, während sie die Unterstützung früherer Standards abkündigen, sobald neue in Kraft treten.

Entscheidet sich ein Hersteller, ein Produkt abzukündigen, ruft er zu einer letztmaligen Kaufgelegenheit dieses Produkts auf. Dem Kunden wird damit eine Frist von mindestens sechs Monaten eingeräumt, bevor die Produktion eingestellt wird. Es liegt dann am Kunden, herauszufinden, ob eine zweite Bezugsquelle oder alternative Produkte zur Verfügung stehen. Ist diese keine Option, muss eine Schätzung erfolgen, wie viele Einheiten für den Lebenszyklus des Produkts benötigt werden. Danach erfolgt ein Bestellauftrag.

ECKDATEN

Weil zumindest in nächster Zeit Consumer-Elektronik-Designs weiterhin die Branche dominieren werden, ist das Thema Obsoleszenz auch weiterhin wichtig für die Entwickler. Die Unterstützung durch einen Distributor, der regelmäßig mit den Herstellern zusammenarbeitet, kann dabei helfen, ein länger verfügbares Produkt auf den Markt zu bringen, das minimale Bedenken hinsichtlich einer Abkündigung von Bauteilen verursacht. Effektives Design ist mitunter hilfreich. Allerdings kann auch die Zusammenarbeit mit einem Distributor wie Digi-Key  dafür sorgen, dass alternative Bauteile und eine langfristige Versorgung sicher verfügbar sind. Digi-Key bietet eine Reihe von Dienstleistungen zum Thema Obsoleszenz an.

Abkündigungen und grauer Markt

Dieser Vorgang kann sehr zeitaufwendig sein, und es besteht die Gefahr, dass der Stichtag für die Bestellung vergessen wird. Ist dies der Fall, muss der Entwickler entweder einen Weg finden, die benötigten Bauteile zu beschaffen oder das Produkt mit einem neuen Bauteil neu entwickeln oder auch umgestalten. Eine weitere Möglichkeit, als Käufer abgekündigte Bauelemente zu erhalten, ist der graue Markt: Unternehmen, die mehr Bauteile gekauft haben, als sie benötigen, verkaufen dort manchmal ihre überschüssige Ware. Allerdings finden sich auch skrupellose Anbieter im grauen Markt, die gefälschte Bauteile in die Lieferkette einbringen.

Distributoren spielen bei diesem Abkündigungsprozess eine wichtige Rolle für ihre Kunden, denn sie kommunizieren mit ihren Lieferanten über die Verfügbarkeit und Fertigung von Bauteilen. Sie haben ein Gespür dafür, wenn ein Hersteller damit beginnt, die Produktion zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Diese Informationen können dann an die eigenen Kunden weitergegeben werden. Distributor Digi-Key entwickelt und verbessert die Informationen über Produktänderungsmitteilungen immer weiter, um seine Kunden auf dem Laufenden zu halten.

Ähnliche Baureihen finden

Kunden können aber auch durch ihre eigenen Prozesse von einer Produktabkündigung und dem Aufkauf letzter Chargen betroffen sein. Interne Anweisungen beenden dann den Kauf von Bauteilen mit älteren Herstellungsdaten. Offensichtlich sind die Bauelemente dieses letzten Aufkaufs am schwersten von dieser Richtlinie betroffen.

Für die Unternehmen, die letzte Aufkauffristen nicht wahrgenommen haben, besteht eine weitere Option. Hersteller produzieren meist Produktserien, die austauschbar sind oder bei der Implementierung lediglich ein geringfügiges Redesign erfordern. Die weniger nachgefragten Bausteine der Serie sind die ersten, die abgekündigt werden, während andere Varianten der Serie länger in Produktion bleiben. So kann ein Hersteller von Mikrocontrollern (MCUs) mehrere Varianten eines Produkts anbieten, wobei sich nur wenige Peripheriebestandteile zwischen diesen Varianten ändern.

Code, der für die abgekündigten MCUs geschrieben wurde, sollte dann weiterhin für die anderen Varianten derselben Serie funktionieren. Auch hier können Distributoren ihren Kunden Beratung anbieten. Digi-Key verfügt über eine technische Abteilung, die Kunden ermöglicht, ähnliche Bauteile zu finden, die kompatibel sind und die gleichen Formfaktoren und Leistungsmerkmale bietet.

Obsoleszenz im Design berücksichtigen

Die beschriebenen Abläufe sollen Herstellern helfen, Ersatzprodukte für bestehende Designs zu finden. Für neue Designs besteht aber noch eine weitere Möglichkeit. Wird von Beginn an eine Obsoleszenz mit eingeplant, vereinfachen sich die Abläufe, und später treten keine Probleme auf. Über eine Zusammenarbeit mit Lieferanten lässt sich die wahrscheinliche Verfügbarkeit von Bauteilen herausfinden. Damit wird eine Auswahl der Varianten begünstigt, die die längste Unterstützung erhalten.

Einige Hersteller verpflichten sich, über einen langen Zeitraum hinweg einen Kundendienst für einen Teil ihrer Produkte anzubieten. So hat Intel hat zum Beispiel einige seiner PC-Prozessoren als Standard-Bauelemente für Anwendungen mit langer Lebensdauer vorgesehen. Diese Produkte werden in einigen Fällen über ein Jahrzehnt hinweg angeboten und unterstützt. Werden diese Bauelemente bereits bei der Entwicklung des Endprodukts mit einbezogen, erhalten Entwickler die Gewissheit, dass ihr Produkt auch in Zukunft hergestellt werden kann.

Auch hier können Distributoren eine zentrale Rolle spielen, da sie die Möglichkeit haben, Kunden während der voraussichtlichen Lebensdauer dieser Bauelemente zu beraten. Digi-Key bietet Kunden Informationen über die mögliche mittel- und langfristige Verfügbarkeit der gelieferten Bauteile. Das Unternehmen kann sogar die Stückliste von Kunden einsehen, um nach Bauelementen zu suchen, die möglicherweise in naher Zukunft abgekündigt werden.

Diese Methode bietet jedoch keine hundertprozentige Sicherheit. Einige Bauteile verfügen möglicherweise über Funktionen, die nicht repliziert werden können. Unter diesen Umständen ist womöglich ein Vertrag mit einem Distributor hilfreich, um eine bestimmte Anzahl von Bauelementen während der Produktlebensdauer auf Lager zu halten. Im Gegenzug kann der Distributor eine Mindestabnahme von Bauteilen verlangen, die der Kunde im Laufe der garantierten Einlagerungszeit abnimmt.

Auch ähnliche Baureihen lassen sich mitunter als geeigneter Ersatz verwenden. Das ist zum Beispiel bei dem abgekündigten MSP430F1101 (links) und dem MSP430F1101A von Texas Instruments (rechts) der Fall.

Auch ähnliche Baureihen lassen sich mitunter als geeigneter Ersatz verwenden. Das ist zum Beispiel bei dem abgekündigten MSP430F1101 (links) und dem MSP430F1101A von Texas Instruments (rechts) der Fall. Digi-Key

Obsoleszenz in Kauf nehmen

Eine weitere mögliche Strategie liegt darin, Obsoleszenz in Kauf zu nehmen und den Entwicklungszyklus entsprechend zu ändern. Beim Design-in von Bauteilen, die keine Langzeitverfügbarkeit bieten, geht man davon aus, dass ein Teil dieser Bauelemente abgekündigt wird. Somit sollte sichergestellt sein, dass sich jedes Bauteil durch ein anderes ersetzen lässt – mit minimalen Änderungen des Gesamtdesigns. Es kann sein, dass ein Bauteil nicht mehr in einem bestimmten Gehäuse erhältlich ist, also sollte man darauf vorbereitet sein, mit minimalem Redesign auf ein anderes Gehäuse zu wechseln. Berücksichtigt man Obsolezenz also gleich zu Beginn eines neuen Designs, minimieren sich die Risiken, die später auftreten können, wenn ein Bauteil abgekündigt wird. Ein einfacher Übergang zu einem neuen Design ist somit möglich.

Programmierbare Logikbausteine (PLDs) können bei Obsoleszenzproblemen helfen. Die PLD-Hersteller sind stets bemüht, ihre Bauteile zukunftssicher zu gestalten. Sie gewährleisten, dass ihre Produkte gegenseitig durch pinkompatible Nachfolgegenerationen ersetzt werden können. Die neuen Bauelemente ermöglichen es den Kunden auch, den Code einfach von den älteren Varianten zu portieren.

Ein ähnliches Szenario findet sich bei der Auswahl eines Mikrocontrollers oder Mikroprozessors. Viele Prozessoren basieren auf einer Standardarchitektur, die häufig von mehreren Herstellern verfügbar ist. Wenn ein Design auf einer dieser Standardarchitekturen basiert hilft dies später, Probleme zu verhindern, die sich durch die spezifische Architektur eines einzelnen Herstellers ergeben könnten. Ein ähnlicher Ersatz für den Prozessor kann schwer zu finden sein – aber es sollte ziemlich einfach sein, einen Prozessor mit einem Formfaktor und Leistungsmerkmalen zu finden, die ähnlich sind. Da die Peripherie des Prozessors wahrscheinlich ähnlich ist, erfordert die Anpassung der Software an den neuen Prozessor vielleicht nur die Änderung der Gerätetreiber, um die Speicherzuweisung für die Peripherie neu zuzuordnen.

Eine Kombination aus einem Mikroprozessor, programmierbarer Logik und Peripherie auf einem einzigen Chip ist oft ein effektiver Ersatz für einen Chip mit festen Funktionen, der abgekündigt wurde. Der Austausch des Festfunktions-ICs wird zwar entsprechende Design-Ressourcen erfordern, kann aber eine geeignete Methode sein, um die Funktion des abgekündigten ICs zu ersetzen – vor allem, wenn das IC eine entscheidende Rolle für die Systemfunktion spielt.

Steve Vecchiarelli

Senior Principal Supply Chain Solutions bei Digi-Key

(tm)

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