Mit seiner Forschungs- und Entwicklungserfahrung unterstützt das Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft (HSG-IMIT) in Villingen-Schwenningen die Industrie bei der konkreten Anwendung der Mikrosystemtechnik. Jüngstes Beispiel ist ein thermischer Neigungssensor, der innerhalb von zwei Jahren in Zusammenarbeit mit Vogt electronic entstanden ist. Im Unterschied zu vielen herkömmlichen Neigungssensoren werden keinerlei mechanische Teile mehr benötigt. Der neue Sensor arbeitet nach einem völlig anderen Prinzip. Er basiert auf der natürlichen Konvektion von Wärme in einem geschlossenen Gehäuse.


Der thermische Neigungssensor nutzt die Tatsache, dass die freie Konvektionsströmung um einen Heizer immer nach oben gerichtet ist, so wie eine Flamme vom Kerzendocht aus nach oben zeigt. Über der Flamme ist es heißer als an ihrer Seite. Die Temperaturunterschiede rings um die Hitzequelle können in einem geschlossenen Raum bzw. einer Kapsel sehr genau bestimmt und verglichen werden. Daraus lässt sich die aktuelle Position des Temperaturfühlers bzw. Sensors in der Konvektionsströmung und im Verhältnis zum Heizer errechnen. Das Herzstück des Sensors besteht aus einem nur drei Millimeter großen Siliziumrahmen. Beim Herstellungsprozess bleiben im Fenster dieses Rahmens parallele Stege wie Saiten einer Harfe stehen. Der mittlere Steg dient als Heizdraht, die seitlichen lassen sich als Thermometer nutzen.


Aus dem Zusammenspiel der Widerstandskraft des Siliziums und der angeschlossenen Elektronik ergeben sich die notwendigen Signale für exakte Messungen. In der horizontalen Ruheposition bekommen die Thermometer immer die gleiche Wärme ab. Sie liegen in der gleichen Isotherme (= Linien gleicher Temperatur in einem bestimmten Abstand von der Hitzequelle). Je stärker man den Chip neigt, desto mehr kommt einer der seitlichen Stege in den Strom der vom mittleren Draht aufsteigenden Hitze. Die Thermometer liegen dann in unterschiedlichen Isothermen. Aus der Differenz der Temperaturmessungen bzw. aus den unterschiedlichen Signalen lassen sich Grad und Dauer der Neigung des Sensors errechnen und damit des Objekts, in dem er seinen Dienst tut. Auch Beschleunigungen lassen sich messen. Der neue Sensor reagiert im Medium Luft bereits nach 300 ms und kann Lageveränderungen schon ab 0,007 Grad erkennen. Seine Sensitivität wird mit 1,6 mV/Grad angegeben. Der Messbereich erstreckt sich über eine ganze Umdrehung (360°).


Der Winzling verschleißt so gut wie nie, verbraucht kaum Energie (~ 20 mW) und lässt sich einfach und preiswert in großen Stückzahlen aus Siliziumwafern fertigen. Der komplette Chip dürfte nach Schätzungen des HSG-IMIT nur etwa ein Zehntel vergleichbarer mechanischer Neigungssensoren kosten. Voraussetzung ist jedoch, dass die SOI-Wafer in entsprechender Stückzahl nachgefragt werden und ihr Preis sinkt.

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