Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann prägte einst den Satz: „Sobald jemand in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer neuen Sache Schüler werden.“ Der augenscheinlich leichtfertige Satz ist allerdings Alltag in der SMT-Fertigung, denn: Wenn Leiterplatte, Bauelement und Prozess nicht hundertprozentig harmonieren, ist Ingenieurskunst gefragt. Schülern gleich, setzten sich gut 150 Teilnehmer in den Konferenzraum des Hotels Blau Colonia Sant Jordi Resort & Spa im mallorquinischen Colonia de Sant Jordi, um zwei Tage lang den Referenten interessiert zu lauschen und sich angeregt in Diskussionen mit den Experten zu vertiefen: Neben der eng getakteten Konferenz, gab es wieder zahlreiche Möglichkeiten, um sich auszutauschen. Die diesjährige Konferenz schloss mit der Expertenrunde „Wir fragen – wir antworten“ und bot allen Teilnehmern nochmals die Möglichkeit, Fragen zum Fertigungsalltag, zum Design, zu den Materialien und Prozessen zu stellen.

Bauelemente diktieren Elektronikfertigung

Vom „begehbaren“ Transistor bis hin zu ultrakleinen Winzlingen in weniger als 70 Jahren – der rasanten Entwicklung der Halbleiter musste sich die Elektronikfertigung stets anpassen. Dr. Hans Bell, Entwicklungsleiter von Rehm Thermal Systems, erläutert, dass „ohne William B. Shockley, Walter H. Brattain und John Bardeen wären wir nicht da, wo wir heute in der elektronischen Welt sind.“ Diese Forscher erfanden im Jahr 1947 den Transistor, für den sie im Jahr 1956 den Nobelpreis erhielten. Dabei hatten die drei Wissenschaftler nichts anderes erreicht, als dass sie den Strom mittels eines elektrischen Signals steuerten. Dass dieses neue elektronische Bauelement eine ernstzunehmende Konkurrenz für die damalige unverzichtbare Elektronenröhre war, ahnte da noch keiner.

Die Entwicklung des Transistors brachte jedoch neue Möglichkeiten zur Herstellung von Schaltungen in der Elektronik. Und in der Tat, die Nachfrage nach elektronischen Geräten, allen voran Smartphones, Tablets und immer mehr Wearables, ist ungebrochen und treibt die Halbleiterschmieden ungebremst zu Höchstleistungen an. So wundert es nicht, dass der Hunger nach Halbleitern kontinuierlich steigt. Betrug der Weltmarkt für aktive und passive Bauelemente im Jahr 2000 rund 360 Mrd. Dollar, so kletterte der weltweite Umsatz bis zum Jahr 2014 um 38 Prozent auf 497 Mrd. Dollar. Interessant dabei ist die Verlagerung der Weltmarktanteile: Während sich die Regionen Afrika, Mittlerer Osten, Südost-Asien, Japan, Amerika und Europa zur Jahrtausendwende mehr oder weniger die Waage hielten, so hat Asien/Pazifik 2014 mit einen Weltmarktanteil von 284,9 Mrd. Dollar unangefochten die Spitzenposition im globalen Halbleiterkonsum erreicht, gefolgt von den USA (88 Mrd. Dollar), Europa inklusive Nahost und Afrika (65,2 Mrd. Dollar) und Japan (59,1 Mrd. Dollar).

Immer kleiner, immer flacher

Indes, der technologische Wandel bei den Halbleitern lässt sich schnell zusammenfassen, argumentiert Hans Bell von Rehm mit Blick auf die derzeit kleinste Bauform 03015m (metrisch): „Es wird immer kleiner.“ Das zeigte Bernhard Lange von Texas Instruments anschaulich anhand der IC-Gehäuseentwicklung. Der Leiter des Labors für Gehäuse- und Bauelemente-Qualifikation von Texas Instruments (TI) in Freising, erläutert, dass die Gehäuseformen QFN und WCSP bei TI die „Highrunner“ sind, da sie eine hohe Packungsdichte erlauben. Während passive Bauelemente die Treiber des Miniaturisierungstrends sind, müssen die aktiven Bauelemente nachziehen und nicht nur kleiner in ihrer Bauform, sondern vor allem flacher werden. Derzeit ist beispielsweise das X2QFN das derzeit flachste QFN und das DSBGA (Die-Sized BGA) das momentan kleinste am Markt erhältliche BGA. Unweigerlich zwingt die fortschreitende Miniaturisierung zur dritten Dimension in Form von IC-Modulen wie etwa Micro-SiPs. „Wir stapeln die ICs und sehen da noch einige Möglichkeiten, um die Integration voranzutreiben. Aber wir bewegen uns heutzutage schon ziemlich nah an der physikalischen Grenze dessen, was machbar ist“, erläutert Lange.

König der Miniaturisierung – zumindest was passive Bauelemente anbelangt – ist derzeit wohl Murata: 03015-Kondensatoren und Widerstände sind die momentan kleinsten Bauteile der Welt und seit dem Jahr 2012 auf dem Markt. Für Norbert Bauer, Section Manager Quality Assurance von Murata Electronics, sind die MLCCs die „Marylin Monroe der Elektronik“ – formschön und kapriziös. Die Vielschicht-Keramikkondensatoren zeichnen sich gegenüber allen anderen Kondensatoren durch eine wesentlich kompaktere Bauweise aus. Mit bis zu 1000 extrem dünner Lagen (Stacks) können die Chipkondensatoren aufgebaut sein – und das bei Bauhöhen von lediglich 0,125 mm in der ultradünnen Variante. Der Trend geht hin zu Fillet less MLCC, da sich mit dieser Baugröße durchaus Lotmaterial einsparen lässt, jedoch: „Der Fertigungsprozess muss sitzen.“

Mit diesen Miniaturisierungsbestrebungen einher geht die elektronische Baugruppe, die im Zuge dessen immer funktionaler wird und mit mehr Power nebst wesentlich höhere Frequenzen stemmen muss. „Heute sind 80 GHz kein Thema mehr“, erläutert Bell. Parallel dazu wird Pastendruck anspruchsvoller und so rückt der Lotpastentyp Typ 5 mit Korngrößen von 10 bis hin zu 25 µm immer mehr in den Vordergrund. Letztlich zwingt die anhaltende Miniaturisierung die Elektronikfertiger dazu, den gesamten Prozess in der Fertigungslinie neu zu überdenken.

Leiterplatten im Visier

Auch weiterhin wird die Halbleiterindustrie auf Silizium im sprichwörtlichen Sinne bauen, da es sich um ausgereifte Prozesse handelt, die weiterhin eine hohe Zuverlässigkeit der Chips ermöglichen. Dass es noch kleiner geht, hat nun IBM unter Beweis gestellt und jüngst ein Verfahren vorgestellt, mit dem sich Chips in einer Strukturweite von nur noch 7 nm herstellen lassen. Die aktuellen fortgeschrittenen Chips, die in Massenproduktion hergestellt werden, bringen es auf Strukturweiten von 14 nm. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 7000 Mal dicker. Noch kleinere funktionierende Strukturen in der Datenverarbeitung kennt die Natur aber durchaus: Ein DNA-Strang ist noch sechs Mal dünner. Bis allerdings Halbleiter mit einer Prozessgeometrie von 7 nm in Serie möglich sind, wird die nächste Chip-Generation den Zwischenschritt mit 10 nm einlegen, wofür die grundsätzlichen Voraussetzungen bereits geschaffen wurden.

19. EE-Kolleg

Bald zwei Jahrzehnte lädt die Veranstaltung mit hochkarätigen Referenten und Experten entlang der elektronischen Baugruppenfertigung nach Mallorca ein. Im kommenden Jahr wird die Konferenz vom 16. bis 20. März 2016 wieder in Colonia des Sant Jordi stattfinden. Das Thema könnte kaum aktueller sein: “Validierung von Prozessen”. Dabei werden Fragen wie, welche Prozesse wie validiert werden genauso erörtert, wie jene, in welchen Bereichen die Überprüfung, Verifizierung, Kontrolle von Prozessen notwendig ist. Man darf also gespannt sein!

Im Gegenzug dazu, steht die Leiterplattenindustrie vor der enormen technologischen Herausforderung, bezahlbare Leiterplatten zu generieren, die in der Lage sind, den Fortschritten in der Halbleitertechnik zu folgen. Derzeit sind die üblichen Strukturgrößen der Leiterbahnen und Leiterabständen bei zwischen 80 µm und 100 µm angesiedelt. Wie also lässt sich die Brücke zu Halbleitern mit extremen Architekturen schlagen? Eine Antwort darauf könnten Multifunktionale Boards mit so genannten Embedded-Components sein, die gewissermaßen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nicht nur, dass sich passive und auch aktive Bauelemente in die Leiterplatte integrieren lassen und sich dadurch eine hohe Integrationsdichte der Platine erreichen lässt. In Kombination mit flexiblen Materialien ist es möglich, die Funktionalität des Boards noch weiter zu steigern, da diese Materialien verschiedene elektrische, mechanische, thermische, optische, fluidische, induktive und in der Weiterführung sensorische und auch aktorische Aufgaben übernehmen können.

Die sich daraus ergebenden Vorteile summiert Dr. Jan Kostelnik, Research & Development von Würth Elektronik, zügig zusammen: Neben dem Schutz vor Umwelteinflüssen sind die eingebetteten Bauelemente sicher vor Vibration, Stoß oder Druck. Zudem ergeben sich kurze Signalwege, wodurch es beispielsweise möglich sei, Blockkondensatoren näher an Bauteile zu platzieren. Ebenso ist das Wärmemanagement sichergestellt, da Harz im Vergleich zu Luft eine um den Faktor 10 bessere Wärmeverteilung erlaubt, wodurch sich Bauelemente näher an Wärmesenken (Aluminium-Heatsink) anbringen lassen. Nicht unerheblich ist der Plagiatsschutz, lassen sich doch Komponenten blickdicht im Aufbau „verstecken“, wodurch ein Reengineering der Schaltung erschwert wird. Schließlich ergeben sich weitere Miniaturisierungspotentiale, da sich Bestückfläche auf den Außenlagen einsparen lassen.

Ein eindrucksvolles Beispiel für den Einsatz des Multifunktionalen Boards ist der Nachweis des Higgs-Boson-Teilchens am Cern, weshalb sich Kostelnik die rhetorische Frage erlaubt, ob der Nachweis der Higgs-Boson-Teilchen nur mit Twinflex möglich war. „Das Cern-Experiment funktioniert glücklicherweise nur mit Elektronik“, merkt er ergänzend an. Protonen prallten im Jahr 2013 bei nahezu Lichtgeschwindigkeit im Kreisbeschleuniger LHC des Cern aufeinander. Im Vakuum des LHC (Large Hadron Collider), das in etwa dem des Weltalls entspricht, wurden jene Teilchen nachgewiesen, die fälschlicherweise auch als Gottesteilchen bekannt wurden. Die Entwicklung begann im Jahr 1996: Gemeinsam mit den Cern-Forschern und weiteren Partnern hat Würth Elektronik für den LHC-Detektor Atlas (A Toroidal LHC Apparatus) eine Schaltung mit einer hohen Verdrahtungsdichte für den Pre-Processor (PPrMCM) aufgebaut, der zur Datenvorverarbeitung entwickelt wurde. Dabei hat Würth seine Leiterplattentechnik Twinflex als vier Layer-All-Microvia verwendet, der auf einem Kupfer-Heatsink aufgebracht, für ein optimales Wärmemanagement sorgte. Der Atlas-Detektor liefert den Wissenschaftlern zuverlässig Bilddaten der Ergebnisse von Kollisionen – und zwar in schier unvorstellbar großen Mengen: rund 20 Mio. Kollisionsbilder pro Sekunde. Von einem „Nebeneffekt“ der Cern-Forschung profitieren längst jeden Tag Milliarden Menschen – das World Wide Web, das 1993 von Cern für die öffentliche Nutzung freigegeben wurde.

Dreidimensionale Leiterplatten

Ein weiterer Trend in der Entwicklung der Elektronik ist, dass „wir dreidimensional werden. Uns reicht die Zweidimensionalität schon lange nicht mehr aus, um all die Funktionen in die Strukturen einzubringen“, verdeutlicht Hans Bell von Rehm. „Wir müssen die dritte Dimension erschließen und das können wir seit ein paar Jahren ziemlich gut“, resümiert er.

Unter der Devise „Es muss nicht immer Starrflex sein“ stellte Wilfried Neuschäfer, Gründer und Inhaber von Neuschäfer Elektronik, lötbare Verbindungstechniken vor, die die Leiterplatte eben in jene dritte Dimension hieven können. „Starrflex und Kaviar sind für mich in etwa in der gleichen Preisklasse“, nimmt Neuschäfer Anlauf. „Es geht darum, Montagekosten zu sparen“, wirbt er. Denn nur die wenigsten Leiterplatten funktionieren ohne externe Beschaltung, weshalb sehr oft Drahtverbindungen zum Einsatz kommen, um Schaltelemente, Steckverbindungen oder weitere Leiterplatten anzuschließen. Mit der „Jumper“ genannten Verformungstechnik eröffnen sich ganz neue Perspektiven beim Aufbau von elektronischen Geräten. Die Jumper-Familie umfasst ein breites Spektrum an Verbindungselementen, die sich mit SMT-Bestückautomaten problemlos bestücken lassen, eine rekonstruierbare Verformung erlauben, mechanisch stabil sind und auch hohen Strombelastungen trotzen. Die Jumper gibt es in verschiedenen Längen, Rastermaßen und mit sehr unterschiedlichen Trägermaterialien.

Spannende Vorträge

Wie lassen sich technologische Prozesse effizient optimieren? Das weite Spektrum der fundierten Vorträge während des Europäischen Elektroniktechnologie-Kollegs, ließen keine Fragen offen. Vor allem die Anwender- und Erfahrungsberichte fanden hohen Anklang bei den Zuhörern. So berichtete Rainer Taube von Taube Electronic wie sich ein Design für die zuverlässige Verarbeitung von μ-Components realisieren lasst. Thoralf Meiburg, Microelectronic Packaging Dresden zeigte die Herausforderungen bei der Herstellung von Kameramodulen auf und Henryk Maschotta von Thales Transportation Systems, stellte das hauseigene Linienkonzept für Low-Volume und High-Mix und die Prozessfreigabe an kritischen Bauelementen vor. Maschotta legte dar, wie es bei Thales gelang, eine Voidquote von 10 Prozent zu realisieren. Dies gelang mit einer inline-tauglichen Dampfphasen-Lötanlage, der Condenso XP von Rehm Thermal Systems.

In ihrem Vortrag animierte Katrin Hundhausen von Atempause zu stressminimierenden Übungen.

In ihrem Vortrag animierte Katrin Hundhausen von Atempause zu stressminimierenden Übungen.Marisa Robles Consee

Mit Klaus Weßing von Gigaset Communications wurde ein weiterer Erfahrungsbericht offeriert: Der Vortrag „Design for Manufacturing – Potenzial durch Standardisierung“ zeigte, warum Plattformstrategien an Bedeutung zunehmen: Eine der Anforderungen liegt in der Beherrschung hoher Variantenvielfalt in Produktentwicklung und -fertigung. Das Unternehmen konnte seine Produktvarianz trotz Standardisierung sicherstellen. Design for Manufacturing ermöglicht es, Anforderungen an die Produktion in den frühen Designphasen eines neuen Produktes aufzunehmen und somit frühzeitig richtige Entscheidungen bereits in der Entwicklung zu treffen. Über aktive Ermüdungsversuche an Mikrovias referierte Günter Grossmann vom EMPA. Fast erweckt es den Eindruck, als liebe er es, Vias sterben zu sehen, stelle er doch das Forschungsprojekt VIA vor. Das Projekt hat es sich zum Ziel gemacht, systematische Qualitätsprobleme zu detektieren, die Auswirkung der Strombelastung auf die Lebensdauer von Vias zu untersuchen und ein beschleunigtes Testverfahren zu erarbeiten. Im EMPA wurde ein aktiver Temperaturwechseltest mit kontrolliertem Temperaturhub aufgebaut.

„Tesla meets SMT: Design und Herstellung eines Trafos“ war das Vortragsthema von Matthias Haubner von TDK-Epcos. Schließlich berichtete Kurt-Jürgen Lang von Osram Opto Semiconductors über die LED-spezifische Verarbeitungsprozesse in der SMT-Fertigung. Nicht minder uninteressant war der traditionelle „exotische“ Vortrag, den dieses Jahr Katrin Hundhausen von Atempause darbot. In ihrem Vortrag „Was wir brauchen, um langfristig gut arbeiten zu können“ erklärte sie, dass in Deutschland die Fehltage um 4 Prozent auf gut 12 Arbeitstage pro Jahr gestiegen sind. Motiviert, gesund und zufrieden arbeiten – wie geht das? Als Basis einer langfristigen guten Arbeit stehen die Gesundheit und ein gutes Stressmanagement.

Wissen mit Tradition

Das 18. EE-Kolleg widmete sich den Bauelementen und den Herausforderungen in der SMT-Fertigung. Anhand von verschiedenen Vorträgen wurden deren Konstruktionsprinzipien und Lösungen für die SMT-Fertigung diskutiert und erörtert. Zudem wurden interessante AVT-Konzepte vorgestellt und die Teilnehmer hatten ausgiebig Gelegenheit, ihre eigenen Fragestellungen mit den Referenten zu diskutieren. Veranstalter waren ASM Assembly Systems, Asys Group, Balver Zinn, Christian Koenen, Kolb Cleaning Technology, Rehm Thermal Systems und Zevac.

Marisa Robles Consée

Chrefredakteurin Productronic

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