Robotik

Mit der steigenden Automatisierung in der Mobilität, dem Einzug von Assistenz- und autonomen Systemen, können viele Anwendungen mit mobiler Robotik abgedeckt werden. (Bild: STW)

E-Mobilität
Nach Meinung von Steffen Dieterle, müssen Regierung und Grundversorger Mittel und Wege finden, um den Verbrauchern und Käufern Sicherheit zu geben, dass Strom aus nachhaltigen Quellen gewonnen wird. (Bild: STW)

IEE: Die Elektromobilität wird als Schlüssel zur Mobilität der Zukunft zurzeit angepriesen. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie für eine weitere Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland?

Steffen Dieterle: Nach wie vor brauchen wir einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur. Für Personen, die keine Möglichkeit haben, ihr Elektroauto zu Hause zu laden, ist das Netz nach wie vor zu dünn ausgebaut. Darüber hinaus haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt, dass auch die grundlegende Energieversorgung und damit einhergehend die Preise stabiler ausgestaltet werden müssen. Hier müssen die Regierung und die Grundversorger Mittel und Wege finden, um den Verbrauchern und Käufern Sicherheit zu geben, dass der Strom aus nachhaltigen Quellen gewonnen wird und trotzdem möglichst preisstabil bezogen werden kann. Potenzial gibt es auch im öffentlichen Nahverkehr und bei kommunalen Fahrzeugen. Mit ihren Fahrprofilen bieten sich diese Fahrzeuge für einen elektrischen Betrieb an.

IEE: Ein Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu entwickeln. Sehen Sie hier Chancen für die deutsche Industrie sich entsprechend global zu positionieren?

Steffen Dieterle: Deutschland hat als Land der Autobauer die besten Voraussetzungen, sich auch im Bereich E-Mobilität an die Spitze zu setzen. Was die letzten Jahre eindrucksvoll gezeigt haben: Das allein reicht nicht. Fragile Lieferketten sorgen für Stillstände am Band sowohl bei Zulieferern als auch bei den Fahrzeugherstellern selbst. Aktuell entstehen viele Produktionsstätten großer Batteriezellenhersteller. Dass sich mit Intel und TSMC die größten Chip- und Halbleiterhersteller ebenfalls in Deutschland positionieren wollen, ist meiner Meinung nach mindestens so wichtig. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung für die Elektrofahrzeugproduktion und den Anspruch der deutschen Automobilindustrie.

 

Industrie-4.0
Die Landtechnik ist eine der führenden Industrien hinsichtlich der Digitalisierung und der Realisierung von „Industrie-4.0-Konzepten“. (Bild: STW)

IEE: Die Förderrichtlinie Elektromobilität nimmt kommunale und gewerbliche Flotten mit hoher Verkehrsleistung im kommunalen Umfeld in den Blick. Wo würden Sie Fixpunkte in der Förderung sehen, in kommunalen und gewerblichen Fahrzeugen, Agrar-Fahrzeugen oder PKW?

Steffen Dieterle: Hinsichtlich der reinen Menge an Fahrzeugen und somit der einzusparenden Emissionen haben der öffentliche Nahverkehr und große gewerbliche Fahrzeugflotten für den Güterverkehr wahrscheinlich den größten Einfluss. Wir als Spezialisten für mobile Arbeitsmaschinen sehen jedoch auch in Bau-, Land- und Forstwirtschaft oder auch Kommunalmaschinen großes Potenzial in der Elektrifizierung der Fahrantriebe. Wir sehen an dieser Stelle auch eine Möglichkeit zu einem Paradigmenwechsel. Mit der steigenden Automatisierung in der Mobilität, dem Einzug von Assistenz- und autonomen Systemen, glauben wir, dass viele Anwendungen mit mobiler Robotik abgedeckt werden können. Kleine, elektrisch angetriebene und autonom fahrende Maschinen, welche etwa Aufgaben im Straßendienst, der Grünflächenpflege, aber auch in der Landwirtschaft, zum Beispiel in der Futterausbringung, übernehmen können.

IEE: Die Vision von STW lautet „Wir ermöglichen Innovationssprünge in mobilen Maschinen“. Ein hehres Ziel. Beschränkt sich dieses nur auf mobile Maschinen oder sind auch andere elektrifizierte Fahrzeuge miteingeschlossen?

Steffen Dieterle: Wie gerade angeklungen, arbeiten wir mit großem Engagement an neuen Fahrzeugkonzepten, insbesondere der mobilen Robotik. Beispielsweise entwickeln wir aktuell gemeinsam mit Innovationsführern auf dem Gebiet der Antriebstechnik und Prozesssoftware einen Demonstrator, der die Möglichkeiten der mobilen Robotik aufzeigt: ROVO AI. Es handelt sich um eine anwendungsneutrale Fahrzeugplattform. Elektrisch angetrieben kann die Plattform beliebige Anbaugeräte wie Schaufel, Mähwerk und Transportbox aufnehmen. Mittels Softwarebausteinen lässt sich die Intelligenz der Maschine an die jeweiligen Anforderungen beliebig anpassen. Dieses Konzept ist vorteilhaft für Maschinenbetreiber wie -hersteller, da die Varianz in der Produktion stark sinkt. Der Maschinenbetreiber, beispielsweise der Kommunalhof oder der Landwirt, benötigen hingegen eine geringere Zahl spezialisierter Maschinen, da sie mit der universellen Plattform mehrere Anwendungen gleichzeitig abdecken könnten. Das ist unserer Meinung nach ein gutes Beispiel für echte Innovationssprünge. Diese Idee würde die Industrie revolutionieren. Die Umsetzung mit spezialisierten Partnern zeigt unsere Vorstellung, wie man auch als Mittelständler innovationsstark agieren kann. Die Komplexität der Maschinen ist so hoch, dass nur gemeinsam echte Innovation erwachsen kann. Wir arbeiten daher seit Jahren an der Erweiterung unserer Partnernetzwerks und STW Eco-Systems.

Batterie-Management
Das schnellladefähige eKart, das mit neuen Batterie-Management-System mBMS.3 ausgerüstet ist, entstand im Rahmen des Forschungsprojekts D-See. (Bild: STW)

IEE: STW hat einen Schwerpunkt seiner Kunden in der „Agrartechnik“. Geben Sie uns einen Einblick in den Stand des Einsatzes von Industrie 4.0- Technologien in der „Agrartechnik“ und wo es noch hingehen kann?

Steffen Dieterle: Die Landtechnik ist eine der führenden Industrien hinsichtlich der Digitalisierung und der Realisierung von „Industrie-4.0-Konzepten“. Ansätze wie Smart Farming oder Precision Farming zielen hierauf ab. Das heißt, dass die hochautomatisierten Landmaschinen einerseits mit maximaler Effizienz ernten, beispielsweise über die digitale Integration von optimierten, satellitengestützten Fahrwegen, aber auch die umweltschonende, mechanische Bekämpfung von Unkräutern, die mithilfe von optischen Sensoren erfasst und individuell erfasst werden können. Somit wird der Einsatz von Spritzmitteln stark reduziert. Es gibt hierzu zig Beispiele.

Die gesamte Prozesskette in der Landwirtschaft ist schon an dem Punkt angekommen, welchen sich andere Industrien als Ziel gesetzt haben. Die Erntelogistik ist in der Regel voll digitalisiert, von der Entscheidung des optimalen Erntezeitpunkts, über die Vernetzung der Ernte- und Transportmaschinen bis hin zur Anbindung an das Farm Management und die digitale Einbindung der Lebensmittelbörsen.

Und der Trend geht hin zur Robotik. Die großen Landmaschinenhersteller arbeiten seit Jahren beispielsweise an autonomen Schleppern oder auch Schwarmkonzepten. Das heißt viele kleine Roboter übernehmen die Arbeit auf dem Feld, von der Saat, über die Feldpflege bis zur Ernte. In der Logistik sind solche Ansätze bereits Realität. Mit den Möglichkeiten des 5G-Standards sind solche Maschinenschwärme auch außerhalb eines geschlossenen Gebäudes mit eigener Netzinfrastruktur umsetzbar.

IEE: Batteriemanagementsysteme sind zunächst für die Überwachung und die korrekte Steuerung von Batteriesystemen zuständig. Neben der Überwachung der Batterie muss ein BMS auch in der Lage sein, mit anderen Steuergeräten zu kommunizieren und entsprechende Parameter der Batterie vorzugeben bzw. bereitzustellen. Welche Ansätze zu einer solchen Umsetzung gibt es?

Steffen Dieterle: An dieser Stelle ist vor allem die nahtlose Integration ins Ökosystem des jeweiligen Fahrzeugs zu nennen. Straßenfahrzeuge und Arbeitsmaschinen haben hier ihre individuellen Spezifika. Das BMS muss standardmäßig eine universelle Kommunikationsschnittstelle bereitstellen. Ebenso müssen bei Bedarf individuelle Schnittstellen in einfacher Weise implementierbar sein.

Weiterhin müssen wir uns technologisch an der Automobilindustrie orientieren – der elektrische Pkw ist das Leitprodukt der Elektromobilität. Das betrifft die Bauteilauswahl, die anzuwendenden Standards für die funktionale Sicherheit, die Hochvolt-Sicherheit und die Ladetechnik. Und zuletzt braucht es eine möglichst universelle Konfigurierbarkeit, um das BMS an das jeweilige Layout einer Hochvolt-Batterie anpassen zu können. STW verfolgt zudem den Ansatz von großen Energiespeichern, die aus parallel geschalteten identischen Batterien zusammengesetzt sind. Die BMS-Lösungen von STW unterstützen dies von je her.

IEE: Angesichts der starken Nachfrage nach E-Autos suchen Hersteller nach Möglichkeiten, um deren Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ein besonderes Interesse gilt dabei dem Batteriemanagement-System, das leitungsgebunden oder wireless umsetzbar ist. Wohin wird die Entwicklung gehen?

Steffen Dieterle: Wireless BMS Lösungen haben in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erfahren. Erste Systeme scheinen bereits in Serie zu sein. Die unbestrittenen Vorteile liegen in der Reduzierung der Verkabelung und der damit verbundenen Produktionsfehler. STW beobachtet diese Entwicklung aufmerksam, setzt aber derzeit noch auf eine kabelgebundene Vernetzung der Einzelkomponenten. Der dafür erforderliche Aufwand konnte aber mittlerweile deutlich reduziert werden und somit ist auch das Fehlerpotenzial sehr gering. Vermutlich werden beide Ansätze noch lange koexistieren.

 

IEE: STW besuchte die Battery Show 2021 in Stuttgart. Welche Themen waren für Sie interessant und welche neuen Erkenntnisse nahmen Sie für neue Produkte mit?

Steffen Dieterle: Der Markt für mobile Hochvoltbatterien gestaltet sich immer vielfältiger. Neben den bekannten Zulieferern für die Automobilindustrie, erscheinen zunehmend neue Akteure auf dem Markt, die auch immer wieder neue Applikationen entdecken und dafür individuelle Batterielösungen entwickeln. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Marktnischen oder ein Prototypengeschäft.

Zum Schwerpunkt dieser Dynamik entwickeln sich ganz klar Osteuropa und die Türkei. Die Kunden in aus diesen Regionen haben keineswegs nur ihre regionalen Märkte im Blick, sie zielen auf den gesamten europäischen Markt und oft auch auf den Weltmarkt. Insofern suchen sie auch Zulieferer, welche „world class“ Qualität liefern können und über ein entsprechendes Standing im Markt verfügen.

Wir haben großes Interesse an unserem neuen Batterie-Management System mBMS.3 registriert. Es scheint genau die Bedürfnisse der neuen Player zu erfüllen. Mit unserem Standpartner, dem Lieferanten von effizienter Antriebstechnik für die E-Mobilität, Hofer Powertrain konnten wir ein schnellladefähiges eKart präsentieren, das bereits mit diesem System ausgerüstet ist. Es war im Rahmen des Forschungsprojekts D-SEe entstanden, bei dem wir auch mit anderen Institutionen eng zusammenarbeiten.

IEE: Anschließende Frage: Welche Zukunft sehen Sie für die E-Mobilität?

Steffen Dieterle: Der Notwendigkeit eines raschen Wandels zur E-Mobilität ist schon seit einigen Jahren unstrittig. Aus ökologischer Sicht gilt er schon lange als alternativlos. Billiger fossiler Kraftstoff hat uns aber lange im Glauben gehalten, diesen Wandel gelassen angehen zu können. Die jüngsten Entwicklungen an den Märkten haben nun auch den letzten diese Illusion genommen.

Mit den jüngst beschlossenen Maßnahmen zum schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien ist zumindest in Deutschland gewährleistet, dass immer mehr Ökostrom zur Verfügung steht und somit auch die Energie nachhaltig erzeugt sein wird. Politisch sind wir in Deutschland auf einem guten Weg beim Ausbau der erneuerbaren Energien und schaffen somit die Grundlage für eine nachhaltige Elektromobilität. STW wird mit kontinuierlich weiterentwickelten Batterie-Management Systemen seinen Beitrag dazu leisten, um die technologisch beste Batterietechnik auf den Markt zu bringen. (hw)

 

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