Moderne Roboterarme bremsen und versetzen Lasten mit mehreren Vielfachen der Erdbeschleunigung (1 g = 9,81 m/s²) in Bewegung. Auch Roboter-geführte Bildverarbeitungssysteme, wie sie bei Schweiß- und Montagerobotern und in 3D-Scanning-Anlagen zum Einsatz kommen, müssen diesen Beschleunigungen standhalten – ohne an Auflösung oder Kontrast zu verlieren. Hierbei treten Werte von bis zu 10 g auf. Zum Vergleich: Selbst bei den wildesten Achterbahnen wirken maximal 6 g auf die Passagiere. Speziell die Objektive sind den Vibrationen an der Spitze der Roboterarme ausgesetzt. Gleiches gilt auch für Kamera-Objektiv-Installationen an großen Maschinen mit rüttelnden oder rotierenden Elementen.
Crash Test Objektive
In den meisten Machine-Vision Installationen kommen industrielle Kameras und Festbrennweitenobjektive mit C-Mount zum Einsatz, die auch unter den schwierigen Bedingungen im industriellen Umfeld eine konstante Bildqualität liefern müssen. Daher hat Fujifilm einen Testaufbau zum Messen der Robustheit gegen Stöße und Vibrationen für Objektive entwickelt: Der Aufbau versetzt Objektiven erst Stöße aus sechs unterschiedlichen Richtungen senkrecht zur optischen Achse mit einer Stärke von 10 g. Anschließend setzt ein Vibrationstisch die Objektive verschiedenen sinusförmigen Vibrationen gemäß IEC 60068-2-6 aus. Diese Vibrationen haben zunächst eine Amplitude von 0,75 mm und steigern sich von 10 bis 60 Hz. Von 60 bis 500 Hz wirken Beschleunigungen von 100 m/s² (ca. 10 g). Anschließend sinkt die Vibrationsfrequenz wieder, wobei sich dieser Zyklus 50-mal wiederholt. Final belasten abermals 10-g-Stöße aus sechs unterschiedlichen Richtungen senkrecht zur optischen Achse die Objektive.
Verschobene Achse und weniger Auflösungsvermögen
Als Folge der Prozedur änderten sich bei einigen getesteten Objektiven die Position der optischen Achse und das Auflösungsvermögen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich durch die Stöße und Vibrationen die optische Achse konventioneller Objektive um bis zu 26 µm verschiebt. Viele der immer häufiger eingesetzten CMOS Global Shutter Sensoren besitzen jedoch Pixel mit einer Kantenlänge von lediglich 3,45 µm und einer Diagonale von 4,88 µm. Bei diesen Sensoren ändert sich die Achse also um 6 bis 8 Pixel. Abweichungen in dieser Dimension sind für hochgenau kalibrierte Mess-Systeme wie 3D-Scanner fatal. Die Intensität dieser Effekte hing jedoch stark von dem mechanischen Design eines Objektivs ab – ein oft unterschätzter Faktor bei der Auswahl von Festbrennweiten-Objektiven.
Nur wenige Objektive konnten nämlich den enormen Belastungen des Tests deutlich besser standhalten. Bei ihnen verschob sich die optische Achse lediglich um 4 bis maximal 10 µm, was bei den oben genannten CMOS Global Shutter Sensoren etwa 1 bis 3 Pixeln entspricht. Insbesondere das Auflösungsvermögen blieb so gut erhalten, dass es keine Abnahme der Kontraststärke gab – diese Art von Objektiven erfüllt somit die Anforderungen von Bildverarbeitungssystemen unter mechanischen Belastungen.
Kein Knick in der Optik
Eine Analyse ergab, dass bei den wenig robusten Objektiven die innenliegenden Linsen starr mit Hochleistungsklebern fixiert waren. Den Stößen und Vibrationen des Tests konnte dieser Kleber allerdings nicht standhalten. Einige Linsen lösten und verschoben sich. Zudem reagiert Kleber empfindlich auf Feuchtigkeit und Temperaturwechsel.
Im Gegensatz dazu besitzen die robusteren Objektive eine elastische Fixierung der internen Linsenanordnung. Sie ist zur Patentierung angemeldet und verringert die Menge des benötigten Klebers. So sind etwa die Fujinon HF-12M Objektivserie für 2/3“~1“-Sensoren mit 2,1-µm-Pixeln sowie die 6 und 50 mm Modelle der HF-5M-Serie für bis zu 1.1“-Sensoren mit 3,45-µm-Pixeln bereits nach diesem Konzept aufgebaut.
Bei der Auswahl von Kameraobjektiven für mechanisch beanspruchte Bildverarbeitungssysteme ist neben der optischen Leistungsfähigkeit insbesondere ihre Robustheit gegen Stöße und Vibrationen entscheidend. Da diese Informationen oft nicht aus den Datenblättern hervorgehen, empfiehlt es sich, einen kompetenten Berater hinzuzuziehen. Entwickler sollten idealerweise reproduzierbare und realitätsnahe Vergleichstests mit verschiedenen Optiken durchführen. Nur so lassen sich unangenehme Überraschungen vermeiden, etwa eine über die Zeit degradierende Bildqualität und falsche Messergebnisse der Bildverarbeitungssysteme.
Messung des Auflösungsvermögens
Das Auflösungsvermögen der Objektive wurde vor und nach dem Test mit Hilfe eines mit sehr kleinem Text bedruckten Testcharts gemessen. Normalerweise kommen hierfür Charts mit sogenannten Siemenssternen zum Einsatz. Hierüber lässt sich das maximale Auflösungsvermögen einer Kamera-Objektiv-Anordnung bestimmen, dies jedoch stets nur an wenigen bestimmten Bereichen im Bild. Im Gegensatz dazu liefert das gleichmäßig mit kleinem Text bedruckte Chart die Verteilung der Kontrastintensität über das gesamte Kamerabild. Entscheidend ist hier lediglich der Vergleich der berechneten Kontraststärke vor und nach dem Test. Auch hier zeigte sich, dass der mechanische Stress des Testablaufs bei den meisten Objektiven zu einer deutlichen Abnahme des Kontrasts und damit des Auflösungsvermögens führt. Ein Verhalten, das diese Optiken für raue industrielle Einsatzszenarien unbrauchbar macht. Dies gilt insbesondere für mobile Systeme, wie Roboter-geführte 3D-Scanner, aber auch für ortsfeste Installationen in widrigen Bedingungen.
Nina Kürten
(ml)