OPC UA: die harmonisierte Lösung für die Fabrik und Prozess-Industrie – skaliert vom Feld bis in die Cloud (und zurück).

OPC UA: die harmonisierte Lösung für die Fabrik und Prozess-Industrie – skaliert vom Feld bis in die Cloud (und zurück). (Bild: OPC UA)

Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

● Wie kann die Zukunft der IT/OT-Konvergenz aussehen?

● Lösung: OPC UA als durchgängiger und einheitlicher Standard, welcher harmonisiert in der diskreten Fertigung wie auch in der Prozessindustrie, der Energiewirtschaft usw. nicht nur für die vertikale Anbindung IT/OT eingesetzt wird, sondern sich auch in der Feldebene etabliert.

● Dazu eine einheitliche Semantik auf der Basis von OPC UA-Core oder Companion Spezifikationen.

Stefan Hoppe, Präsident der OPC Foundation erklärt im Interview mit der Redaktion, dass der Standard OPC UA als harmonisierte Lösung im Prozessumfeld und der Fabrik zum Dream-Team für die Konvergenz von OT und IT wird.

Herr Hoppe, ist eine Migration traditioneller Feldbus- und Echtzeit-Ethernet-Protokolle hin zu einer einheitlichen Kommunikationslösung überhaupt möglich?

Stefan Hoppe: Die Migration ist grundsätzlich möglich, aber natürlich erfolgt das nicht von heute auf morgen, sondern ist eher ein langsamer Prozess. Über viele Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg werden herkömmliche Feldbus- und Echtzeit-Ethernet-Protokoll weiter existieren. Dennoch wird es eine Marktfokussierung geben und neben den etablierten EtherCAT, Ethernet-IP und ProfiNET langfristig eine durchgängige OPC UA Lösung am Markt wachsen können. Wichtig dabei ist, dass Anwender in die Lage versetzt werden, frei zu entscheiden anhand einer transparenten Kosten/Nutzen Rechnung – aber eben basiert auf Standards. Genau dafür werden Standards wir OPC UA, Ethernet TSN und das TSN-Profil aus der IEC/IEEE 60802 benötigt.

In Kombination mit dem Ethernet Advanced Physical Layer (APL), Single Pair Ethernet (SPE) und Ethernet Time-Sensitive Networking (TSN) kann OPC UA die Anforderungen der Feldebene abdecken. Wie wichtig war dieser Entwicklungsschritt und welche für neue Anwendungsgebiete eröffnete dies?

Eine durchgängige Vernetzung mit Ethernet bis in die Feldebene - sowohl in der diskreten Fertigung wie auch in der Prozessindustrie – schafft die Voraussetzung dafür, dass OPC UA als durchgängige industrielle Interoperabilitätslösung inklusive einheitlicher Informationsmodelle durchgängig vom Feld bis in die Cloud (und auch in umgekehrter Richtung) genutzt werden kann. Mit Ethernet TSN unterstützt Standard Ethernet zudem eine deterministische Datenübertragung, was die Voraussetzung für zahlreiche Automatisierungsanwendungen ist, wie beispielsweise schnelle horizontale Communication, Motion Control, Remote I/Os, oder auch Prozessdatenerfassung in Echtzeit.

Im ersten Schritt wurde die horizontale (und mit optional mit TSN auch deterministische) Anbindung von Geräten aus unterschiedlichen Ökosystemen ermöglicht. Was sind die Herausforderungen um eine vertikale Erweiterung bis in die Feldebene zu realisieren?

Die für den ersten Use Case Controller-to-Controller erarbeiteten Konzepte werden auch für die Erweiterung auf den Use Case Controller-to-Device genutzt. Allerdings werden Feldgeräte (Devices) üblicherweise durch die überlagerte Steuerung parametriert und in den operativen Betrieb gebracht. Deswegen sind Themen wie Bootstrapping und Parametrization elementare Funktionen für die vertikale Erweiterung. Die Vielfalt der unterschiedlichen Feldgeräte macht zudem die Erarbeitung gerätetyp-spezifischer Informationsmodell inklusive einer einheitlichen Semantik notwendig. Also beispielsweise ein Motion-Profil für Motion Devices und ein I/O-Profile für dezentrale E/A-Peripherie.

Für die vertikale Erweiterung bis in die Feldebene ist auch wichtig, dass Feldgeräte mit begrenzten Ressourcen Berücksichtigung finden.

Stefan Hoppe ist sich sicher, dass der Standard OPC UA als harmonisierte Lösung zum Dream-Team für die Konvergenz von OT und IT wird.
Stefan Hoppe ist sich sicher, dass der Standard OPC UA als harmonisierte Lösung zum Dream-Team für die Konvergenz von OT und IT wird. (Bild: OPC UA)

Zitat

„Die Industrie sollte sich unbedingt an internationalen Standards orientieren.“ - Stefan Hoppe

Warum sind Advanced Physical Layer (APL) und das Time-Sensitive Networking (TSN) wichtige Technologien, um OPC UA in die Feldebene zu bringen?

APL ist eine wichtige Technologie, um Ethernet als physikalische Schicht von der Edge in die Feldebene in der Prozessindustrie zu etablieren. Dabei unterstützt APL die Besonderheiten in Anwendungen der Prozessindustrie, wie große Entfernungen und die Installation in explosionsgefährdeten Bereichen. TSN ist eine IT-Infrastruktur um Echtzeitkommunikation zu ermöglichen. IT und OT Protokolle können eine gemeinsame Netzwerkinfrastruktur nutzen, ohne dass deren Funktionalität eingeschränkt bzw. Charakteristik verändert wird.  Wichtig ist dabei, dass sich der Markt auf ein gemeinsames TSN-Profil (IEC/IEEE 60802) einigt, damit Konvergenz und Koexistenz tatsächlich protokollübergreifend möglich sind. Wir kooperieren daher eng mit anderen Organisationen wie PNO damit es nur „ein TSN“-Kabel wird. Diese Koexistenz ist nicht nur für die Konvergenz von IT und OT unabdingbar; sie ist auch ein wichtiger Aspekt bei der Migration bestehender „Brownfield“-Lösungen auf Basis herkömmlicher Feldbusprotokolle.

OPC UA – eine Lösung für alles. Was bestärkt Sie, dass dieses Ziel erreichbar ist? Und ist dafür nicht eine große Überzeugungsarbeit in der Industrie notwendig?  

OPC UA wird heute bereits von allen relevanten Marktführern aus der IT (u.a. Microsoft, SAP, Google, AWS) und OT (u.a. Mitsubishi, Rockwell Automation, Siemens – aber von 80% Weltumsatz der Top 50 OT-Firmen) unterstützt und ist die gesetzte neutrale Technologie mit sehr breiter Akzeptanz.

OPC UA ist ein Baukastensystem, das sich einfach an neue Bedürfnisse bzw. Anforderungen anpassen und erweitern kann. Da OPC UA protokollunabhängig ist, können sehr leicht auch weitere IT Infrastrukturen unterstützt werden, wie z.B. 5G, WiFi-6/7.

Zahlreiche Organisationen auf der ganzen Welt – an erster Stelle hier zu nennen der VDMA mit dem Ansatz der Weltsprache der Automatisierung- helfen mit, Informationsmodelle für die verschiedensten Anwendungsfälle auf Basis von OPC UA definieren, was die Akzeptanz auch auf Anwenderseite über die letzten Jahre signifikant erhöht hat. OPC UA ist quasi als Standard gesetzt, u.a. auch Industrie 4.0.

Zur SPS in Nürnberg wird erstmals eine Multi-Vendor Controller-to-Controller Interoperabilitätsdemo gezeigt?

3 Jahre nach dem Launch der FLC Initiative im November 2018 wird auf dieser SPS Messe erstmals eine Multi-Vendor Demo gezeigt. mit Fokus Controller-to-Controller Interoperabilität: Steuerungen und Netzwerkkomponenten von insgesamt über 20 Herstellern sind kombiniert, um einen herstellerübergreifenden Datenaustausch über OPC UA und OPC UA FX zu ermöglichen.

Die OPC Foundation stellt mit der FLC Initiative das Gravitätszentrum für OPC UA basierende Kommunikation für die Feldebene – mehr als 320 Experten von 65 Firmen arbeiten kooperativ zusammen. Keine andere Organisation erbringt diese Koordinationsleistung zwischen Mitbewerbern.

Was sind weitere Themen der OPC Foundation auf dieser Messe?

Definitiv ist der Themenbereich „OPC UA for Cloud” ein weiteres Highlight womit wir das Skalieren von OPC UA bis in die Cloud adressieren: OPC UA over MQTT wird erstmals live gezeigt - nicht basiert auf Prototypen sondern auf kommerziell verfügbaren Produkten: aus Controllern direkt in Cloud Lösungen und bi-direktional zurück - oder auch UA basierte Cloud Repositories, OPC UA Cloud Confederation und beeindruckende Anwendungen von equinor mit der OPC UA-Anbindung an Microsoft Azure oder Renault und der UA-Anbindung an GoogleCloud.

Für das Zusammenwachsen von Information Technology und Operational Technology gibt es keine Schablone. Gefragt sind individuelle Lösungen bei den Unternehmen. Wie sollte die Industrie nach Ihrer Meinung vorgehen?

Die Industrie sollte sich unbedingt an internationalen Standards orientieren. Hierzu zählt OPC UA als IEC-Standard und durchgängige Lösung mit einheitlichem Protokoll und einheitlichen Informationsmodellen, die weltweit breiteste Akzeptanz genießt. OPC UA bietet Anbietern aber auch eigene Lösungen zu integrieren und sich mit zusätzlichen Angeboten zu individualieren zu können – aber eben standardisiert.

Wie kann die Zukunft der IT/OT-Konvergenz aussehen?

OPC UA als durchgängiger und einheitlicher Standard, welcher harmonisiert in der diskreten Fertigung wie auch in der Prozessindustrie, der Energiewirtschaft usw. nicht nur für die vertikale Anbindung IT/OT eingesetzt wird, sondern sich auch in der Feldebene etabliert. Dazu eine einheitliche Semantik auf der Basis von OPC UA-Core oder Companion Spezifikationen von unseren Partner-Organisationen.

Stefan Hoppe, President der OPC Foundation.
Stefan Hoppe, President der OPC Foundation. (Bild: OPC UA)

NÄHER BETRACHTET

OPC UA FX – Status heute

Das erste Release der Field Level Communications Initiative besteht aus vier Spezifikationsteilen (OPC UA Parts 80-83) und fokussiert sich auf die C2C-Kommunikation (Controller-to-Controller) zum Austausch von Prozessdaten und Konfigurationsdaten mithilfe von OPC UA Client / Server- und PubSub-Erweiterungen in Kombination mit Peer-to-Peer-Verbindungen und einer Basisdiagnose:

•Part 80 (OPC 10000-80) gibt eine Einführung und einen Überblick in die grundlegenden Konzepte der Verwendung von OPC UA für die Kommunikation auf Feldebene.

•Part 81 (OPC 10000-81) spezifiziert das Basisinformationsmodell und die Kommunikationskonzepte, um die verschiedenen Use Cases und Anforderungen der Fabrik- und Prozessautomatisierung zu erfüllen.

•Part 82 (OPC 10000-82) beschreibt Netzwerkdienste, wie beispielsweise Topologie-Erkennung und Zeitsynchronisation.

•Part 83 (OPC 10000-83) beschreibt die Datenstrukturen für den Austausch von Informationen, die für das Offline-Engineering erforderlich sind, unter Verwendung von Deskriptoren und Deskriptor-Paketen.

Zwei weitere Arbeitsgruppen der Field Level Communications Initiative, die wichtige Spezifikationen für eine Standardisierung von Motion und Functional Safety erarbeiten, haben ebenfalls Fortschritte erzielt:

• Die Safety Arbeitsgruppe, die aus einer Zusammenarbeit mit der Profibus Nutzerorganisation entstanden ist, wird in Kürze die Version 2.0 der OPC UA Safety Spezifikation (OPC 10000-15) veröffentlichen, die Erweiterungen für OPC UA PubSub enthält.

•Die Motion Arbeitsgruppe hat - in Zusammenarbeit mit ODVA und Sercos International - im Mai 2020 begonnen, eine Architektur und ein Informationsmodells für Geräte zur Bewegungssteuerung und -regelung zu entwickeln.

Der Advanced Physical Layer (APL) und das Time-Sensitive Networking (TSN) sind besonders wichtige Technologien für die OPC Foundation in ihrer Strategie, OPC UA in die Feldebene zu bringen.

 

Kooperationen zur Beschleunigung

Die OPC Foundation hat sich der Advanced Physical Layer (APL) Projektgruppe angeschlossen, um die Entwicklung und Förderung eines Advanced Physical Layers (APL) für Industrial Ethernet zu unterstützen, der für den Einsatz in anspruchsvollen Anwendungen und explosionsgefährdeten Bereichen in der Prozessindustrie unabdingbar ist.

Eine weitere Liaison wurde mit den Standardisierungsorganisationen IEC SC65C, sowie IEEE 802.1 geschlossen, um das IEC / IEEE 60802 TSN-Profil für industrielle

 

OPC UA und TSN - der technische Ansatz

TSN als Sammlung von IEEE Standards erweitert das Anwendungsspektrum von OPC UA auf Bereiche, die eine deterministische Kommunikation erfordern. Neben einem direkten Layer-2-Mapping von OPC UA auf TSN für Anwendungen mit entsprechenden Anforderungen an Echtzeitfähigkeit und Protokolleffizienz ist ein Layer-3-Mapping über UDP spezifiziert, um einen flexiblen Einsatz von OPC UA in der Prozessindustrie und auch in der Fabrikautomation zu ermöglichen.

Der technische Ansatz, um OPC UA bzw. OPC UA FX mit einem unterlagerten Ethernet TSN zusammenzubringen, basiert zum einen auf der modularen Architektur von OPC UA, welche eine klare Trennung zwischen Anwendungs- und Netzwerkschicht unterstützt. Zum anderen wird eine Modellierung verschiedener Dienstgüten (Quality of Service = QoS) für den Datentransport vorgenommen, welche eine Abbildung der Informationen und Dienste mit ihren jeweiligen anwendungsspezifischen QoS-Anforderungen auf die zugrunde liegenden Kommunikationsprotokolle ermöglicht, um so spezifische QoS-Fähigkeiten für die verschiedenartigen Anwendungen bereitzustellen. Mit diesem Ansatz bleiben alle Basisdienste, die Informationsmodelle, die semantische Selbstbeschreibung und die Sicherheitsmechanismen unverändert und abwärtskompatibel. Dadurch können bestehende Toolkits weiter genutzt und auch konventionelle OPC UA-Geräte in die Kommunikation eingebunden werden.

Die Zeitsynchronisation in einem TSN-Netzwerk ist ein entscheidender Aspekt einer TSN-Lösung, so auch für OPC UA bzw. OPC UA FX über TSN. Es besteht ein breiter Branchenkonsens, IEEE Std 802.1AS-2020 als Zeitsynchronisationsmechanismus der Wahl für die herstellerübergreifende TSN-Interoperabilität zu verwenden. Entsprechend setzt auch OPC UA bzw. OPC UA FX bei der Uhrzeitsynchronisation mit TSN von Anfang an auf diesen Standard. Die zeitgesteuerte (deterministische) Übertragung ist ein weiterer wichtiger Aspekt für eine Echtzeit-Kommunikationslösung, auch für OPC UA FX über TSN. Dies bedeutet, dass nicht alle Arten von OPC UA bzw. OPC UA FX-Datenverkehr „geplante“ Übertragungen unterstützen müssen, auch nicht alle OPC UA FX Geräte. Dies wird oft als Netzwerkkonvergenz bezeichnet und ist ein weiterer Schlüsselfaktor von TSN. Für OPC UA FX Anwendungen, die auf geplante Übertragungen angewiesen sind, arbeitet die OPC Foundation derzeit an der Integration der anwendungsrelevanten Aspekte der TSN-Stream-Reservierung in OPC UA. Diese Integration baut auf bestehenden IEEE-Standards (z. B. IEEE Std 802.1Qcc-2018) auf und orientiert sich an laufenden IEEE-Standardisierungsprojekten (z. B. P802.1Qdd und P802.1Qdj), sowie an dem IEC/IEEE 60802 TSN Profile for Industrial Automation, um die größtmögliche herstellerübergreifende Interoperabilität von TSN zu erreichen.

OPC UA FX (Field eXchange) Endgeräte werden über OPC UA konfiguriert, online oder offline, wohingegen Netzwerkinfrastrukturgeräte über gängige Netzwerkmanagementprotokolle konfiguriert werden. Daraus folgt, dass OPC UA keine bewährten Management-Protokoll für die Konfiguration von Netzwerkgeräten (wie SNMP, Netconf) ersetzen soll. Grundsätzlich wird sowohl eine zentrale wie auch eine dezentrale Konfiguration unterstützt. Dabei sind die für die TSN-Konfiguration maßgeblichen Protokolle im TSN IA Profile IEC/IEEE 60802 definiert. Die Rolle von OPC UA und OPC UA UA FX im Kontext des Netzwerkmanagements besteht darin, relevante industrielle Anwendungsszenarien und entsprechende Konfigurationsworkflows für zeitkritische OPC UA- und OPC UA FX-Anwendungen bereitzustellen.

Damit unterschiedliche Protokolle eine einheitliche Netzwerkinfrastruktur nutzen können, gibt es ein klares Bekenntnis der OPC Foundation zum IEC/IEEE 60802-Profil. Dies erachten wir nicht nur im Hinblick auf die Konvergenz von IT und OT als wichtig, sondern auch um die Koexistenz der verschiedenen etablierten industriellen Kommunikationsprotokolle in einer gemeinsamen Netzwerkinfrastruktur zu ermöglichen und nicht zuletzt, um die Migration traditioneller Feldbus- und Echtzeit-Ethernet-Protokolle hin zu einer einheitlichen Kommunikationslösung zu unterstützen.

Autoren

Stefan Hoppe, President OPC Foundation

Peter Lutz, Director FLC Initiative, OPC Foundation

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