Johanna Schüßler, Bihl Wiedeman: „Die Gateways mit integriertem Sicherheitsmonitor sind unsere Safety-PLCs.“

Johanna Schüßler, Bihl+Wiedeman: „Die Gateways mit integriertem Sicherheitsmonitor sind unsere Safety-PLCs.“Redaktion IEE / Renate Schildheuer

Frau Schüßler, bevor Sie ins Produktmanagement gewechselt sind, haben Sie in der Entwicklung aktiv an der Querkommunikation gearbeitet. Wie funktioniert die Lösung?

Die sichere Querkommunikation funktioniert nach dem Black-Channel-Prinzip. Wir haben dazu auf Standard-Ethernet unser spezielles Protokoll aufgesetzt, das sowohl inhaltlich als auch zeitlich die Datenpakete überprüft. Damit jedes Gerät gleichzeitig die Daten der Sender hören, sofort verarbeiten und darauf reagieren kann, basiert die Kommunikation auf Multicasts.

In der Sicherheitstechnik geht nichts ohne Zertifizierung.

Die sichere Querkommunikationr erfüllt alle Anforderungen der Normen EN 62061, EN ISO 13849-1 bis SIL3 beziehungsweise PLe. Das haben wir selbstverständlich vom TÜV prüfen und zertifizieren lassen.

Wie muss man sich die Multicast-Kommunikation vorstellen?

Die Kommunikation wird komplett in der Asimon 3 G2-Software konfiguriert. Die Geräte lassen sich darüber in Gruppen organisieren, in der jedes Gerät eine eindeutige Adresse hat. Jedem Gerät stehen in seinem Asimon-Programm zusätzlich 31 Bits für die sichere Querkommunikation zur Verfügung, die der Programmierer entweder direkt einem sicheren Eingang oder jedem Verknüpfungsergebnis im Programmcode sicher zuweisen kann. Die Zustände dieser Bits werden dann permanent innerhalb der Gruppe kommuniziert.

Die Informationen von mehreren Geräten kommen dann regelmäßig bei den Empfängern an und bilden dort ein komplettes Prozessabbild?

Im Prinzip ja. Wenn ein Sicherheitsmonitor den Status eines Bits benötigt, lässt sich dieser wie andere Signale als sicheres Eingangssignal im Programm verwenden.

„Die sichere Querkommunikation über die Diagnoseschnittstelle muss nicht programmiert werden, projektieren reicht.“

„Die sichere Querkommunikation über die Diagnoseschnittstelle muss nicht programmiert werden, projektieren reicht.“Redaktion IEE / Renate Schildheuer

Diese Safety-Bits, stehen die auch über die Gateway-Funktion dem betriebsmäßigen Steuerungsprogramm zur Verfügung, beispielsweise um einen Safety-Alarm an die Instandhaltung zu melden?

Die Standard-SPS hat grundsätzlich die Möglichkeit, alle Informationen auszulesen, die dem Safety Monitor vorliegen. Das schließt die Querkommunikation ein. Unsere Geräte verfügen dazu über umfangreiche Diagnosemöglichkeiten sowie frei belegbare Feldbus-Bits, denen sich ähnlich wie den Querkommunikations-Bits bestimmte Informationen zuweisen lassen.

Wie schnell ist die sichere Querkommunikation?

Die Zykluszeit ist abhängig von der Anzahl der beteiligten Geräte. Bei bis zu acht Geräten beträgt die Zykluszeit rund 60 ms, bei bis zu 16 Geräten cirka 90 ms. Für die allermeisten Anwendungsfälle ist das völlig ausreichend, da wir über die Querkommunikation lediglich den übergeordneten Austausch von sicherheitsrelevanten Informationen realisieren. Wenn wirklich sehr kurze Reaktionszeiten gefordert sind, erfolgt das im jeweiligen Sicherheitsmonitor oder per Vorverarbeitung direkt im Slave. Dann sind Abschaltzeiten von 5 ms machbar.

Gibt es Anfragen anderer Unternehmen, die sichere Querkommunikation zu lizenzieren, oder Überlegungen, das Protokoll offenzulegen, um das eigene Gerätespektrum zu ergänzen?

Eine Offenlegung planen wir nicht. Der Vorteil unserer, zugegeben proprietären, Lösung ist, dass wir sie auf unsere Gateways zuschneiden konnten. Da wir für die Querkommunikation die integrierte Ethernet-Diagnoseschnittstelle beziehungsweise -Feldbusschnittstelle unserer Geräte nutzen, ist keine weitere Hardware notwendig und es entstehen auch keine zusätzlichen Kosten. Was offene Protokolle betrifft, unterstützen wir fast alle, beispielsweise Profisafe. Aktuell arbeiten wir gerade an einer Implementierung von CIP Safety.

Das klingt so, als wäre die sichere Querkommunikation über ein Firmware-Update nachrüstbar?

Im Prinzip stimmt das. Für die sichere Querkommunikation ist keine spezielle Hardware erforderlich.

Stichwort Kosten: Bei ihrem Safety Basis Monitor rechnet sich ein Wechsel zu AS-i Safety bereits bei wenigen I/Os. Haben Sie auch analysiert, wo die Grenze für ihre Gateways mit sicherer Querkommunikation liegen und wo ein Wechsel zu einer Safety-PLC angebracht wäre?

Funktional betrachtet ist es meistens dann sinnvoll, auf eine Safety-PLC umzusteigen, wenn in einer Anlage komplexe sichere Antriebe mit Profisafe vorkommen. Dann ist eh eine sichere Steuerung notwendig, die auch den Rest des Safety-Programms abarbeiten kann. Generell müssen die sicheren Signale in der Peripherie eingesammelt werden – im Idealfall über ein Profisafe-Gateway von Bihl+Wiedemann. Dann profitieren Anwender weiterhin von den Vorteilen der AS-i Technologie wie z.B. einfacher Verkabelung und Installation. Damit entfallen auch Remote E/A-Stationen und Schaltschränke, die wieder parallel zu verdrahten wären. Anwender können die Feldmodule direkt an das gelbe Kabel anschließen. Deshalb macht es Sinn, auch in einer Profisafe-Anlage für die unterste Feldebene AS-i Safety einzusetzen – insbesondere in Kombination mit Standard AS-i Komponenten.

Welche Applikationen wurden mit der sicheren Querkommunikation bereits realisiert?

Wir haben in verschiedenen Branchen Applikationen realisiert. Die Bandbreite reicht von zwei Gateways bis hin zu 30 Gateways, die über die sichere Querkommunikation kommunizieren. In einem besonderen Fall haben wir sogar eine Lösung mit 70 Gateways – aufgeteilt auf vier Manager – umgesetzt. Auch das funktioniert einwandfrei.

Motion Control mit Safety kommt in vielen Bereichen immer öfter zum Einsatz. Braucht Bihl+Wiedemann dann nicht auch eine Safety-PLC, um dieses Marktpotenzial zu erschließen? Das Know-how dazu ist doch vorhanden.

Richtig. Aber wo fängt eine Safety-PLC an? Woran macht man das fest? An der Anzahl der E/As, an intelligenten Funktionen oder Muting-Bausteinen? Funktional betrachtet erfüllt unser Safety Monitor heute schon sehr gut das, was Safety-PLCs können. Unser Sicherheitsmonitor ist unsere Safety-PLC, die wir ständig weiter entwickeln, so dass gar keine übergeordnete Safety-PLC benötigt wird.

Und das ist aus Ihrer Sicht heute schon erreicht?

Am Ziel sind wir nie. Wir sind mit unseren Ohren ganz nah am Kunden und orientieren uns bei Weiterentwicklungen an deren Rückmeldungen und Erfahrungswerten. Mit der sicheren Querkommunikation sind wir dem Ganzen aber schon einen sehr großen Schritt näher gekommen.

In den letzten Jahren hat sich Bihl+Wiedemann als Spezialist für Sicherheitstechnik positioniert und in diesem Bereich einige technologische Neuerungen präsentiert. Und jetzt präsentieren Sie als Messeneuheit Standard-Slaves. Wie passt das zusammen?

Von der Historie her hat die Firma mit intelligenten AS-i Komponenten begonnen – zunächst mit Mastern und Gateways, später mit den intelligenten Slaves und Analogmodulen. Die Kompetenz zur Entwicklung von Standard-Slaves war daher schon vorhanden. Wieso wir es bisher noch nicht offensiv angegangen sind, lag daran, dass gewisse Mindest-Stückzahlen notwendig sind, um Standard-Slaves auch zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können. Voraussetzung dafür sind wiederum entsprechende Kapazitäten in der Produktion. Diese haben wir 2011 mit dem Aufbau einer weiteren SMD-Bestückungslinie geschaffen. Damit sind wir gut aufgestellt, um das Thema Standard-Slaves in IP20 und in IP67 jetzt auch umzusetzen.

Mit welchen Standard-Modulen gehen Sie an den Start?

Wir haben bereits ein relativ umfangreiches Portfolio mit verschiedenen Konfigurationen: IP20-Slaves mit vier beziehungsweise acht digitalen Eingängen oder Ausgängen und IP67-Slaves in den Varianten 4E/4A, 8E, 8A, 4A. Da wir schon immer kundenspezifisch entwickelt haben, wird es mit Sicherheit nicht dabei bleiben. Es gibt immer wieder Kunden, die eine spezielle Anforderung haben, zum Beispiel ein 4E-Modul in IP67, das besonders hohe Ströme für die Versorgung der Sensoren zur Verfügung stellt. Solche Spezialitäten wandern normalerweise auch ins Produktportfolio.

Was macht Sie so sicher, mit den Standard-Modulen gegen die Konkurrenz bestehen zu können?

Wir haben uns bei den E/A-Modulen ein paar kleine, aber sehr nützliche Extras einfallen lassen, mit denen wir uns vom Wettbewerb abheben. Beispielsweise verfügen unsere IP67-Module über zweifarbige LEDs, die mit der einen Farbe den Zustand eines Eingangs, mit der anderen einen Fehler anzeigen. In den Modulunterteilen gibt es 2×2-Anschlüsse für das Flachbandkabel, jeweils für das gelbe AS-i-Kabel und das schwarze AUX-Kabel für die Stromversorgung. Das hat bei der Verkabelung Vorteile, wenn das Maschinendesign einen Abzweig verlangt oder noch ein Modul nachträglich eingefügt werden muss. Anwender brauchen bei unseren Modulen dazu keinen zusätzlichen Bus-Abgriff: sie können direkt in unserem Modul abzweigen. Zusammen mit den ebenfalls schon serienmäßig integrierten Endkappen für den elektrischen Abschluss des AS-i Kabels vereinfacht das den Anschluss der Geräte für den Anwender ganz erheblich. Und neben all den nützlichen Extras sieht die Installation mit unseren Modulen in der Anlage einfach besser aus.

Stefan Kuppinger

Chefredakteur IEE

(sk)

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