Die Hinwendung zur Robodrive-Technik kommt nicht von ungefähr: Die Motorsteuerung sei von Anfang an ein Thema bei TQ gewesen, erklärt Wolfgang Heinz-Fischer, Marketingleiter der TQ-Gruppe: „Einer unserer Geschäftsführer hat sogar seine Diplomarbeit in diesem Bereich gemacht“, berichtet er weiter. „Mit unserem neuen Geschäftsbereich erweitern wir unsere Expertise nun auch in den Bereich der Motoren hinein“, ist er zuversichtlich.
Die Robodrive-Technik, entwickelt von Forschern am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), vereint hohe Drehmomententwicklung und Leistungsdichte bezogen auf Gewicht und Bauraum. Auch Größen wie Gleichlauf, Dynamik und thermische Anbindung sind an den besonders hohen Anforderungen der Robotik ausgerichtet.
Erfolgreiche Robotertechnik
Bereits seit dem Jahr 2006 produziert der Elektronikfertigungsdienstleister TQ diese Antriebe für den DLR. Die ausgesprochen interdisziplinäre Kernkompetenz des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik liegt im virtuellen Entwurf und der Realisierung mechatronischer Systeme und Roboter. Kernbereiche neben der Luft- und Raumfahrt sind überdies die Industrierobotik, Fahrzeugtechnik und Chirurgie, auch für terrestrische Anwendungen. Unter Mechatronik, erklärt Prof. Hirzinger, Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik des DLR, verstehe man im DLR die Schaffung intelligenter Mechanismen durch höchstmögliche Integration von Maschinenbau (mit Optik), Elektronik und Informationstechnik/Informatik in Verbindung mit der ganzheitlichen rechnergestützten Entwurfsoptimierung und 3D-Simulation. So wundert es nicht, dass das DLR-Institut heute die weltweit größte Erfahrung mit der Fernsteuerung beziehungsweise Fernprogrammierung von Robotern im Erdorbit hat.
Mit der Weltraumtechnik von heute sollen Alltagstechniken von Morgen möglich werden: So entwickelt das DLR-Institut eine neuartige Robotergeneration, die sich durch – an die menschliche Kinematik angelehnte – Extrem-Leichtbau-Arme sowie mehrfingrige, vielgliedrige künstliche Hände, also manipulative Geschicklichkeit, auszeichnet und sowohl bei Bedarf weitgehend autonom arbeitet, als sich auch jederzeit einfach fernsteuern und fernprogrammieren lässt. Drei Generationen von Leichtbauroboter-Systemen wurden in den letzten Jahren entwickelt beziehungsweise konzipiert. Sie sind drehmomentgeregelt und kinematisch redundant, das heißt, sie haben sieben Freiheitsgrade wie der menschliche Arm. Mit dem jetzt erreichten Gewicht von etwa 13 kg, einer Traglast in ähnlicher Größenordnung bei Armlängen über 1 m, und einer typischen Leistungsaufnahme unter 150 W nähern sie sich den Grenzen des heute technisch Machbaren.
Ein entscheidender Meilenstein gelang mit der Entwicklung eines speziell für die Leichtbau-Robotik konzipierten Motors über Methoden der ganzheitlichen Concurrent-Engineering-Modellbildung und -simulation. Dieser sogenannte Multipol-Innenläufermotor Robodrive zeichnet sich unter anderem durch etwa 50 Prozent Gewichtsreduktion und eine um ebenfalls 50 Prozent reduzierte Verlustleistung gegenüber vergleichbaren Hochleistungsservomotoren aus. Der häufigste Einsatzbereich der Robodrive-Motoren ist die Robotik. Durch die extreme Leichtbauweise besitzt dieser Roboter ein Gewicht-Nutzlast-Verhältnis von 1:1 und ist wegen der integrierten Sensorik zudem für die direkte Interaktion mit dem Menschen geeignet (Bild 1).
Bekanntestes Beispiel hierfür ist der agile Robotor Justin: Dabei handelt es sich um einen zweiarmigen „humanoiden“ Robot-Oberkörper, der zwei Arme, zwei Hände, Brust und Kopf mit 3D-Sensorik hat. Er verkörpert eine neuartige Generation Roboter, die mit dem Menschen interagieren, auf Berührungen feinfühlig reagieren und geschickt zweihändig Objekte manipulieren.
Neben der Robotik profitieren vielfältige weitere Anwendungen von den Eigenschaften der Robodrive-Technologie: In Positionieraufgaben, bei denen der Gesamtwirkungsgrad stets null ist, werden kürzere Zykluszeiten bei niedrigeren Wicklungstemperaturen erzielt. Bei einer steigenden Zahl netzunabhängiger Anwendungen verlängern sich Akku-Einsatzzeiten durch minimierte Verluste der Motoren. Im Automotive-Bereich können kompaktere Elektroantriebe vielfältige Aufgaben übernehmen. In der Halbleiter-Industrie und in optischen Anwendungen ermöglichen hochpräzise Regelungen aufgrund der optimierten Bandbreite Genauigkeiten im Bereich unter einem tausendstel Grad. Im medizinischen Anwendungsfall werden kleinste Instrumente elektrisch angetrieben und bei Implantaten niedrigere, körperverträgliche Temperaturen erreicht. In Werkzeugmaschinen werden auf engstem Bauraum Leistungsdichten erzeugt, für die bisher hydraulische Antriebe notwendig waren.
Enge Zusammenarbeit mit dem DLR
Ein entscheidender Schritt für den Erfolg der Leichtbau-Roboterarme war die Entwicklung des Multipol-Innenläufermotors Robodrive, benannt nach der gleichnamigen Firma, einer Ausgründung aus dem DLR im Jahr 2005. Das Start-up mit Detlef Schneider (ebenfalls Geschäftsführer von TQ Systems) und Manfred Schedl als Geschäftsführer konzentriert sich auf die Lösung mechatronischer Antriebsprobleme. Bei Robodrive handelt es sich um eine sehr effiziente Motortechnologie für niedrigdrehende Servoantriebe, die nun bei TQ-Systems hergestellt wird. Erfolgte früher die Entwicklung und Vertrieb durch Robodrive, so ist nun alles unter TQ vereint.
Die in acht Baugrößen (Außendurchmesser von 25 mm bis 115 mm) und mit einer Drehmoment-Bandbreite von 0,024 Nm bis 11,0 Nm bei einer Leistung von 55 W bis 1 kW verfügbaren Servoantriebe in gleich bleibend hoher Qualität zu fertigen, gepaart mit lückenloser Rückverfolgbarkeit, ist für den Elektronikfertigungsdienstleister keine allzu große Herausforderung: Auf einer Nutzfläche von 7500 m² breiten sich die SMD-Produktion mit vier Bestückungslinien, die Komplettgeräte-Montage, die Lagerstätten der Produktionsbereiche sowie der Warenein- und -ausgang aus. Insgesamt kann der EMS mit dem Werk in Wetter auf sieben Bestücklinien zurückgreifen und fertigt auf ihnen jährlich etwa 2,75 Millionen Baugruppen.
Die Produktvielfalt beläuft sich dabei auf etwa 3000 verschiedene Baugruppen pro Jahr, wobei sich die Losgröße bis hin zu industrieller Serienfertigung von bis zu 100.000 Stück je Projekt und Jahr belaufen kann. Das dabei verarbeitete Bauelemente-Spektrum reicht von modernsten und kundenspezifischen Bauformen über ICs mit Baugrößen bis 0201 bis hin zur Fine-Pitch-Bestückung bis 0,4 mm Rastermaß (im Serieneinsatz), μBGA bis Rastermaß 0,35 mm. Auch eine enge Bestückung stellt kein Problem dar, vermag das Unternehmen bis zu einem Mindestabstand zwischen den Bauteilen von 0,3 mm zu realisieren.
Der neue TQ-Bereich Antriebstechnik stellt mithilfe der Robodrive-Technik nun den Anwendern einen breiten Lösungsbaukasten und spezifisches Know-how zur Lösung der Integrationsaufgabe zur Verfügung: „Wir machen bislang 15 Prozent unseres Umsatzes mit Eigenprodukten und 85 Prozent mit Dienstleistungen – unser Ziel ist es aber, auf rund 50:50 zu kommen“, erklärt Heinz-Fischer. „Wir rechnen damit, dass unser neuer Geschäftsbereich in drei Jahren bereits so groß ist, wie es unser Embedded-Geschäft heute ist.“ Der Begriff „Embedded Drives“ beschreibt dabei die entstehende enge Verbindung zwischen dem Gesamtsystem und der Antriebskomponente.
(mrc)