
(Bild: ©Zerophoto - stock.adobe.com / Kontron)
Durch TSN (Time Sensitive Networking) und OPC UA (Open Platform Communications – Unified Architecture) beginnen die Schnittstellen zwischen IT (Information Technology) und OT (Operational Technology) zu verschmelzen. Zudem ziehen Internet-Protocol-basierte Technologien in Bereiche der Feldebene ein, in denen dies bislang unerreichbar schien. So entfällt die bisher zeit- und kostenintensive Überbrückung zwischen IT- und OT-Ebene und Prozesse lassen sich zügiger sowie mit weniger Fehlern implementieren.
Die Sammlung von Standards unter dem Label TSN ist als ein Baukasten zu sehen, der Mechanismen für verschiedenste Anwendungen von Automotive über Audio/Video bis hin zu Industrial Automation anbietet. Für den Anwender bedeutet das: Er implementiert nur die für seine Anwendung relevanten und nutzbringenden Features und muss nicht auf die Fertigstellung weiterer Standards warten, die ihm als nicht relevant erscheinen. Stand heute sind die wichtigsten Standards, die industrielle Anwendungen unterstützen entweder bereits ‚published‘ oder werden bis Mitte 2018 veröffentlicht sein.
Für TSN bereit sein
Status der TSN-Standards
IEEE802.1; Qbv Scheduled Traffic; published
IEEE802.1; AS (-rev) Time Synchronization; AS is published, AS(-rev) is Work in Progress,
IEEE802.1; CB Frame Replication and Elimination; Work in Progress, Redundant Transmission for Reliability Standard
IEEE802.1; Qca Path Control and Reservation; published
IEEE802.1; Qbu Frame Preemption; published
IEEE802.1; Qcc SRP Enhancements; Work in Progress
IEEE802.1; Qch Cyclic Queuing and Forwarding; published
IEEE802.1; Qci Filtering and Policing; published
Kontron hat Ende 2017 eine TSN-fähige Standardnetzwerkkarte vorgestellt und wird dafür auf der embedded world ein Starter-Kit mit Steuerungscomputer präsentieren. Mit der Standard-PCI-Express-Netzwerkkarte einschließlich der dazugehörigen Netzwerk- und Switch-Treiber für Linux können Nutzer Industriecomputer mit einem redundanten Ring-, Linien-, Daisy-Chain- oder sternförmigen TSN-Netzwerk verbinden. Die TSN-Netzwerkkarte umfasst einen integrierten Switch für redundante Netzwerke mit zwei oder vier externen GbE-Ports und eine Anbindung an den Host Computer via PCI Express. Zukünftige Erweiterungen der TSN-Spezifikation werden durch Software-Updates im FPGA integriert. Geeignet ist die TSN-Netzwerkkarte für den Einsatz in rauen Industrieumgebungen mit einem Temperaturbereich von -40 bis 85°C. Mit ihr lassen sich beispielsweise die Kontron Box-PCs, 19-Zoll-Server und Workstations der KBox C-Serie, Zinc19 und HPW Produktfamilien für TSN erweitern. Grundsätzlich ist die Karte jedoch herstellerunabhängig und wird auch mit Private Labeling angeboten, sodass Maschinenhersteller, Automatisierer und Systemintegratoren die TSN-Karte unter ihrem Markennamen in eigene Geräte einbauen können. Damit bieten sie ihren Kunden Time-to-market Vorteile für die Integration in TSN-Netze.
TSN-Starterkit vereinfacht Einstieg
Die TSN-Netzwerkkarte gehört zum TSN-Starterkit, das ab März 2018 verfügbar sein wird. Es beinhaltet einen Industriecomputer (KBox C-102) mit der integrierten TSN-Netzwerkkarte sowie die entsprechende Software. Damit können Unternehmen eine nahtlose Verbindung zwischen der Feldebene, OT und IT herstellen. Bereits vorhandene prototypische Implementationen erleichtern die Konfiguration entsprechender TSN-Streams. Für das Monitoring und Debugging eignen sich gängige Tools, solange sie die spezifischen Punkte im TSN abdecken, beispielsweise den Synchronisationsstatus.
Das TSN-Starterkit erreicht Genauigkeiten von unter 100 ns für die Clock Synchronisation zwischen Netzwerkelementen, während die Paket Jitter-Werte typischerweise im Bereich von unter 1 µs liegen. Bei den TSN-Switches die Paketlängenabhängige Latenzzeiten etwa 2,5 µs (64-Byte-Pakete). Mit diesen Eigenschaften sind die Anforderungen vieler Anwendungen auch auf der Feldebene erfüllt. Parallel arbeitet die OPC Foundation an Lösungen, die den neuen OPC-UA pub/sub Standard mit real time Möglichkeiten über TSN erweitern. Hierbei werden die TSN-Switches gegebenfalls im ‚cut through mode‘ für minimale Latency betrieben. Diese Vorgehensweise entspricht auch den hohen Ansprüchen der Steuerungstechnik.
Auf Basis der verfügbaren TSN-Standards sind komplette Industrielösungen bereits marktfähig implementierbar. Für die zentrale Administration größerer Netze wird an entsprechenden Tools (Central Network Controller) gearbeitet. Denn 2018 ist für viele Hersteller das Jahr der Implementation von TSN und entsprechender Interop-Tests.
Damit diese Zeitenwende in Richtung Digitalisierung gelingt, kommen für den Anwender idealerweise die Hardware und vorintegrierte Cloud-Lösung aus einem Haus. Im Verbund mit dem Mutterkonzern S&T bietet Kontron die entsprechenden Services und Beratungsleistungen aus einer Hand an.
embedded world 2018: Halle 1, Stand 478
Time Sensitive Networking
TSN ist eine Erweiterung des bestehenden Ethernet-Standards in Richtung deterministische Datentransfers („Echtzeit-Fähigkeit“) und bietet damit auf der Transportebene den Hauptbaustein für das Verschmelzen von IT und OT. Es ermöglicht konvergente auf Ethernet basierende Netzwerke, auf denen parallel zum ‚normalen‘ IT-Datenverkehr auch zeitsynchronisierte, deterministische Datenströme mit garantierter Latenz und Quality of Service (QoS) transportiert werden können – unabdingbar bei zeitkritischen Maschinensteuerungen und Prozessen. Die IEEE 802.1 TSN Spezifikationen, wie Timing und Synchronisation, Time Aware Traffic Scheduling, Frame Preemption, Seamless Redundancy und Network Configuration, sorgen dafür, dass Datenpakete auf einem Standard-Ethernet-Netzwerk nach Bedarf garantiert zeitgerecht und hoch verfügbar zugestellt werden. Im industriellen Umfeld kann Ethernet TSN durch die garantierte Latenz und QoS mit Zeitsynchronisation proprietäre Feldbussysteme beispielsweise bei der Maschinensteuerung in der Fertigung ergänzen beziehungsweise mittelfristig sogar ersetzen und gleichzeitig nahtlos bis in die IT-Ebene kommunizieren.
Norbert Hauser
(ml)