Bislang legen die meisten Hersteller von FTS ihre Fahrzeugantriebe in Eigenregie aus. Marktübliche Standardantriebe in Asynchron- oder in Gleichstromtechnik werden entsprechend den Applikationsanforderungen mit der Leistungselektronik und den Feedback-Systemen kombiniert. Die individuelle Auslegung kostet Zeit, führt selten zu kompakten Lösungen mit hoher Leistungsdichte und Energieeffizienz. Oft können auch keine branchenspezifischen Merkmale, wie redundante Gebersysteme zur Drehzahlüberwachung, Betriebsbremsen oder integrierte Sicherheitstechnik berücksichtigt werden. Effektiver geht die Auslegung mithilfe des Traktionsantriebssystems TAS der Firma Wittenstein. Es ermöglicht, die komplette Antriebseinheit als integrationsfreundliche Baugruppe zu beziehen. Diese besteht pro Fahrzeugachse aus zwei Servoantrieben mit dezentralen Antriebsverstärkern. Statt immer wieder neue Antriebslösungen konzipieren oder anpassen zu müssen, steht die Systemlösung in vier Leistungsklassen beziehungsweise Baugrößen zur Verfügung. Dennoch lassen sich die Antriebssysteme applikationsspezifisch auslegen, zum Beispiel hinsichtlich der Untersetzung, bei der Ausführung der Motorgeber, den Kommunikationsschnittstellen oder den verschiedenen Bremsenvarianten. Die Produktfamilie ist wahlweise für 24 V DC oder 48 V DC verfügbar und bietet vier Baugrößen mit leistungsabhängig unterschiedlichen Radgrößen und Getriebebauformen.
Bei den Antrieben handelt es sich um integrierte Motor-Getriebe-Einheiten, die direkt in die Vulkollan-Räder derFirma Räder-Vogel integriert sind. Als Differenzialantriebe konzipiert, erfolgt die Lenkung des Fahrzeugs über die Drehzahldifferenz der beiden Antriebe einer Achse. Der Vorteil: Die Last pro Antrieb halbiert sich, die Baugröße reduziert sich. In Summe ermöglichen diese Eigenschaften im Gegensatz zu schwenkbaren Einzelradantrieben eine kompakte und flache Bauform der Antriebseinheit. Dies ist vor allem dort von Vorteil, wo die Fahrzeuge die aufzunehmende Last unterfahren müssen, etwa in der Krankenhauslogistik zum Transport von Containern oder in der Papierindustrie zum Aufnehmen der tonnenschweren Papiercoils. Ebenso kommen die Antriebe in Fahrzeugen für Automotive-Anwendungen in der Fließ- oder Taktmontage zum Einsatz. DS Automation hat damit die FTS in der Fließmontage bei John Deere realisiert.
Baukasten mit vielen Freiheitsgraden
Standardmäßig in die Antriebe integriert sind ein Temperatursensor, ein Resolver als Feedback-System und eine Haltebremse. Optional sind ein zusätzlicher Geber zur Drehzahlüberwachung, ein sicherheitszertifizierter Encoder sowie eine Federdruckbremse. Die Elektronik des TAS unterstützt Feldbusschnittstellen wie CANopen, Ethercat oder Profinet sowie ein RS232-Interface. Sicherheitstechnisch unterstützen alle Antriebseinheiten die Überwachungsfunktion Safe Torque Off (STO).
In den verwendeten Servoantrieben der Produktfamilie TPM+ verschmelzen Motor und schrägverzahntes, spielarmes Planetengetriebe zu kupplungslosen Antriebseinheiten. Deren Kennzeichen sind ein hohes Drehmoment sowie hohe Kipp- und Verdrehsteifigkeit. Kurze Baulängen, Laufruhe und Motor-Downsizing für einen geringen Energieverbrauch sorgen als Technologiepaket für Produktivität und Zuverlässigkeit im Dauereinsatz. Gerade der Energieverbrauch ist bei FTS ein wichtiges Merkmal, um einerseits möglichst lange Fahrzyklen ohne Nachladung der Akkumulatoren zu ermöglichen. Andererseits kommen kompakt bauende Lösungen dem Design zu Gute.
Der dezentrale Antriebsverstärker Simco Drive als zweite Komponente einer TAS-Lösung ist auf die sinuskommutierten Servomotoren abgestimmt. Seine hochauflösende Stromregelung mit bis zu 16 Bit und unter 8 µs Reglertakt bilden die Grundlage für eine präzise Drehmomentregelung und Dynamik im Stromregelkreis – wichtige Voraussetzungen für den Einsatz eines Antriebs in FTS. Für die Feldbusintegration kann auf Verstärkerausführungen mit CANopen-, Ethercat oder Profinet zurückgegriffen werden. Mit STO steht zudem die Option integrierter Safety-Funktionen nach IEC 61508 zur Verfügung. Dank Schutzart IP65 oder wahlweise IP20 können die Antriebsverstärker in direkter Nähe der Antriebe montiert werden. Dadurch kann die gesamte antriebstechnische Lösung flexibel in die Struktur unterschiedlicher FTS integriert werden.
Auslegungs-Software zeigt Spielräume auf
Bei der Auslegung der TAS-Varianten und auch bei der Gestaltung individueller Antriebslösungen unterstützt die Auslegungs-Software Cymex. Sie ermöglicht eine Dimensionierung und Beurteilung von kompletten Antriebslösungen aus Motor-Getriebe-Einheit und Leistungselektronik. Bei der individuellen Konfiguration berücksichtigt das Tool Normen und Richtlinien, die für FTS relevant sind, darunter die VDI-Richtlinie 2510 Fahrerlose Transportsysteme oder DIN EN 1525 ‚Sicherheit von Flurförderzeugen – Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme‘. Ebenso zeigt die Software durch die Berechnung erweiterter Auslegungsräume die Potenziale zum Downsizing des Antriebsstrangs auf. Dies trägt zu einer hohen Wirtschaftlichkeit der mechatronischen Antriebslösungen bei.
SPS IPC Drives 2014
Halle 4, Stand 221
Elena Eberhardt
(sk)