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Das ‚Black Channel‘-Prinzip entkoppelt die Datenübertragung vom Protokoll des verwendeten Bussystems. Noch variieren die Datenformate. OPC UA soll aber auch in der Sicherheitstechnik bald Abhilfe schaffen. (Bild: Sigmatek)

Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • Modularisierung verlangt dezentrale Safety-Funktionen
  • Ohne ‚Hot-Swop-Funktionalität‘ gibt es keine flexible Fertigung
  • Smart Factory Konzepte treiben die Entwicklung
  • Trotz vieler Controller nur ein Engineeringprojekt sorgt für Beherrschbarkeit
  • Flexible Fertigung braucht wireless Safety für FTS und mobile HMI

Herkömmliche, starre Sicherheitskonzepte stellen eine bedeutende Hürde auf dem Weg zur viel diskutierten Industrie 4.0-Produktion dar. Das betrifft zwei Aspekte der Sicherheitstechnik, die stets als Gesamtheit zu behandeln sind, in diesem Kontext jedoch eine isolierte Betrachtung verdienen. Zum einen besteht nach wie vor die Forderung nach durchdachten Schutzvorrichtungen. Angesichts zunehmender Modularität und steigender Funktionsintegration findet ein Übergang statt, weg von Schutzzäunen hin zur Ausrüstung von Einzelmaschinen und Anlagenteilen mit Türkontakten, Lichtgittern und ähnlichen Schutzeinrichtungen.

Der zweite Aspekt betrifft die Logik, die mittels sicherheitsgerichteter Auswertung der Sensorik und Ansteuerung sicherer Aktoren die Anlage in einen für den Menschen gefahrlosen Zustand bringt. Sie erfährt somit eine Aufwertung und wird zu einem substantiellen Teil der gesamten Steuerungsintelligenz. Um die neuen Herausforderungen der Smart Factories zu lösen, gilt es für Maschinenhersteller und Automatisierer, diese beiden Kompetenzfelder zu verschmelzen.

Modulare und ortsveränderliche Anlagen

In Einzelfällen hat das bewährte Sicherheitsrelais durchaus noch seine Berechtigung. Aber: Je komplexer Maschinen und Anlagen werden, desto zweckmäßiger sind Sicherheitssteuerungs-Konzepte mit Datentransport über Ethernet. Dies vereinfacht die Verkabelung, da die sicherheitsgerichteten Signale über größere Entfernungen den vorhandenen Systembus mit benutzen. Zudem entfällt die doppelte Verdrahtung der Sicherheits-Sensorik, da die funktionsgerichtete Steuereinheit aktuelle Zustandsinformationen gleichzeitig über den gemeinsamen Bus erhält und nutzen kann. Diese Vorteile zeigen sich vor allem an Maschinen, die über zahlreiche Optionen verfügen und modular aufgebaut sind.

Hinsichtlich der Anpassung des Steuerverhaltens und für die Visualisierung öffnen sich damit neue Wege. Das gilt auch für die Zustandsübermittlung an übergeordnete ERP- und MES-Systeme. Selbst das Stichwort Cloud fällt bereits im Zusammenhang mit Sicherheitssteuerungen.

Nicht zuletzt aus diesem Grund rücken hart verdrahtete Lösungen in den Hintergrund und busintegrierte, programmierbare Sicherheitssysteme bestimmen die Richtung.

Innovationstreiber Miniaturisierung

Wurden programmier- und konfigurierbare Steuerungen lange Zeit mit vergleichsweise hohen Investitionen und aufwändiger Programmierung in Verbindung gebracht, hat sich dieses Bild dramatisch verändert: Kostengünstige und gleichermaßen leistungsfähige Sicherheitssteuerungen dominieren den Markt. Mit ihrem geringen Platzbedarf haben sie selbst bei einfachen Anwendungen die klassischen Relais-Schaltungen abgelöst. Mit TÜV-zertifizierten Funktionsbausteinen sind Software-Anwendungen in Minuten umgesetzt und gleichzeitig normgerecht dokumentiert. Auf diese Weise erstellte Automatisierungssysteme erfüllen die aktuellen Sicherheitsnormen SIL CL 3 nach IEC 62061 bzw. Performance Level PL e, Kat. 3 und 4 gemäß EN ISO 13849-1/-2.

Das Safety-System S-DIAS ist ein Beispiel für eine moderne Sicherheitslösung. Den Kern des modularen Safety-Systems bildet der Safety-Controller. Er überwacht und steuert die Applikation und stellt das Businterface zu den sicheren E/A-Modulen bereit, darunter finden sich auch Baugruppen für die Auswertung von Absolut- und Inkrementalgebern. Antriebsverstärker mit sicherheitsgerichteten Funktionen komplettieren das System. Die Kommunikation erfolgt über den lokalen Systembus und bei dezentralem Aufbau der Anlage über das Echtzeit-Ethernet-System Varan oder Standard-Ethernet. Dabei sind unterschiedliche Topologien und Aufbauvarianten möglich. Sämtliche Safety-Module sind 12,5 mm schlank, das sichere Relais-Ausgangsmodul mit doppelter Breite ausgenommen.

Abstract connected dots on bright blue background. Technology concept Sigmatek

Controller und I/O-Module des S-DIAS Safety-Systems unterstützen mit ihrer schlanken Bauform den Aufbau von Sicherheitslösungen für modulare Maschinen und Anlagen. Sigmatek

Modularität auch im Safety-Engineering

Die flexible Konfiguration komplexer Maschinen setzt ein steigendes Maß an Modularität voraus. Die Konsequenz: Jede der dezentralen Einheiten benötigt eine eigenständige Sicherheitssteuerung, die im Verbund arbeitet und relevante Informationen sicher mit den anderen Safety-Controllern austauscht. Bei solch modularen Architekturen kommt der einfachen Programmierbarkeit des Gesamtsystems eine Schlüsselrolle zu, da mit einer wachsenden Komplexität auf unterschiedlichen Gebieten zu rechnen ist. Zum gestiegenen Applikationsaufwand aufgrund der oft hohen Anzahl an Sensoren und Aktoren kommen etwa Funktionen zur Unterstützung von Wartungs- und Reinigungsarbeiten hinzu. Zudem braucht es sichere halb- und vollautomatische Betriebsmodi für den Einrichtungsbetrieb.

Bei der Realisierung dieser Funktionen helfen Entwicklungswerkzeuge, die den Anwender vor Fehlern bewahren und den Aufwand für Ausbildung und Programmierung reduzieren. Stellen solche Tools außerdem geprüfte logische Sicherheitsfunktionen bereit, vereinfacht das die Dokumentation und die Inbetriebnahme umfangreicher Sicherheitsanwendungen ganz erheblich. Der grafische Editor des Safety Designers bringt eine an PLCopen angelehnte Bibliothek mit mehr als 20 zertifizierten Safety-Funktionsblöcken mit. Analog zu Referenzmarken für Ein- und Ausgänge werden Bausteine für Emergency Stop, Two Hand Control oder Guard Locking per Drag&Drop aus dem Projektbaum gezogen und in logischen Einheiten, sogenannten Netzwerken organisiert. Trotz der durch die separate Abnahme von sicherheitsrelevanten Steuerungskomponenten nötigen funktionalen Trennung ist der Safety Designer nahtlos in die objektorientierte Entwicklungsumgebung Lasal integriert.

Wie die bedarfsgerechte Rekonfiguration funktioniert, lesen Sie auf Seite 2.

Mobile Panel

Wireless, Multitouch und Safety kombiniert

Das wireless Handbediengerät HGW 1033 zieht in punkto Bedienkomfort alle Register. Zum einen eliminiert die wireless Datenübertragung die bislang obligatorischen Verbindungskabel. Zum anderen verfügt das mobile Panel über ein industrietaugliches  Multitouchdisplay (10,1“, PCT).
Das HMI hat bereits Safetyfunktionen wie Zustimmtaster, Schlüsselschalter und eine aktiv leuchtende Not-Halt-Taste an Bord. Inaktiv erscheint die Taste grau, ein rot leuchtender Pilzknopf signalisiert, dass das HGW 1033 korrekt ins System eingebunden und die Safety-Elemente funktionsbereit sind. Mit dem kabellosen HMI kann der Maschinenbediener seinen Standort an der Maschine flexibel wählen und zudem mehrere Maschinen, Roboter oder Anlageneinheiten mit nur einem Panel bedienen. Dazu ist im Panel-Gehäuse eine sichere 7-Segmentanzeige zur Erkennung der angewählten Maschine integriert. Wie die funktionsgerichteten Daten werden auch die Safety-Daten per WLAN übertragen – allerdings nach dem Black-Channel-Prinzip.
Für die nötige Rechenleistung sorgt ein Dualcore-EDGE2-Technology-Prozessor. Das integrierte Akku-Pack gewährleistet zwei Stunden Dauereinsatz ohne Nachladen gewährleistet. Externe Power-Bänke können bei Bedarf über die USB-C-Schnittstelle des Panels angeschlossen werden. In Vollausstattung wiegt das mobile Panel 1,5 kg inklusive Safety-Elementen und Akku-Pack. An der Griffeinheit auf der Rückseite sind Magnetfüße angebracht, wodurch das HMI auch ohne Halterung an einem Maschinenteil platziert werden kann – ein praktisches Feature. Optional kann das Panel mit einem RFID-Reader beispielsweise zur Freigabe von Berechtigungslevel ausgestattet werden.

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Mit grafischen Programmiertools wie dem Lasal Safety Designer werden im modernen Maschinenbau fehlerfreie Applikationen minutenschnell umgesetzt - inklusive der normgerechten Dokumentation. Sigmatek

Rekonfiguration während des Betriebs

Die Umsetzung der vielschichtigen Anforderungen von Industrie 4.0 verlangt von sicherheitstechnischen Systemen jedoch mehr: Die bedarfsgerechte Rekonfiguration modularer Maschinen innerhalb einer Zelle ist eine der Schlüsselforderungen, die gelöst sein will. Das Problem: Klassische Systeme für die Maschinensicherheit interpretieren eine nicht-ansprechbare Komponente als Schutzverletzung und reagieren darauf mit ‚Fail-Safe‘. Im Sinne von Industrie 4.0 ist eine flexible Rekonfiguration von Maschinen und Anlagen während des Betriebs aber unabdingbar.

In der aktuellen Bibliothek des Safety-Designers stehen eigens für diese Anwendungsszenarien entwickelte Funktionsbausteine zur Verfügung. Sie erlauben das An- und Abmelden optionaler Einheiten ohne Betriebsunterbrechung – TÜV-zertifiziert und praxiserprobt.

Mobile Teilsysteme mit WLAN

Das Prinzip der dynamischen Geräteanmeldung findet zudem in Anlagen mit batteriebetriebenen Einheiten seine Anwendung. Dazu zählt beispielsweise die stark wachsende Fraktion der fahrerlosen Transportsysteme (FTS). Die Ortsveränderlichkeit liegt in der Natur derartiger Systeme und verlangt zwingend eine drahtlose Kommunikation. Bei der Übertragung sicherheitsrelevanter Informationen per WLAN sind wiederum wichtige Eventualitäten zu berücksichtigen, beispielsweise die Responsezeiten oder die Robustheit gegen Ausfälle einzelner Fahrzeuge beziehungsweise Shuttles: Wenn ein einzelnes Gerät außerhalb der Funkreichweite strandet, darf dies keinesfalls zum Stillstand der gesamten Anlage führen. Schon heute lösen solche Systeme die in vielen Produktionsanlagen fix installierten Fördersysteme ab. Sie bieten adaptiven Produktionslinien die Möglichkeit, die Materialflüsse dynamisch zu ändern.

Sichere HMIs in der Hand

Im Kontext mit optionalen und mobilen Teilsystemen erfahren tragbare wireless HMI-Lösungen zunehmend an Bedeutung. Wird eine Maschine oder Anlage über mobile Panels gesteuert, kommt jedoch unweigerlich die Forderung nach integrierten Safety-Funktionen auf den Plan. Denn es ist nie auszuschließen, dass sich ein Maschinenführer mit dem HMI in der Hand außer Reichweite der nächstgelegenen, fest an der Maschine installierten Sicherheitseinrichtung bewegt.

Deshalb hat Sigmatek die aus den Safety-Controllern stammende Technologie auf ein Handbediengerät übertragen und mit Not-Halt-Taste, Zustimmtaste und Schlüsselschalter für die sicherheitstechnische Verwendung über WLAN ausgerüstet.

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Mobile HMI-Lösungen gewinnen an Bedeutung: wireless Multitouch-Handbediengerät HGW 1033 mit integrierten Safety-Funktionen über WLAN. Sigmatek

Bremsklotz Kompatibilität

Im Zusammenhang mit Smart Factories scheint der Wechsel auf busbasierte, programmierbare Sicherheitssteuerungen unumgänglich. Moderne Maschinen arbeiten kaum noch isoliert, sondern mit anderen Einrichtungen wie Robotern und Handhabungsgeräten zusammen. Sicherheitstechnisch betrachtet bilden sie somit eine Einheit. Allerdings stellt die Vielfalt der Bussysteme eine Hürde bei der Umsetzung integrierter Sicherheitssteuerungen.

Zwar nutzen busintegrierte Sicherheitssteuerungen für die Datenübertragung in der Regel das ‚Black Channel‘-Prinzip und sind dadurch vom Protokoll des verwendeten Bussystems unabhängig; jedoch sind ihre Datenformate unterschiedlich. Deshalb war es für lange Zeit gängige Praxis, die Signale unterschiedlicher Maschinen und Geräte über herkömmliche Sicherheitskontakte zu verbinden. Das schränkt jedoch den Informationsaustausch als wesentliche Voraussetzung für Industrie 4.0 erheblich ein.

Im Bereich der funktionsgerichteten Steuerungssysteme ist OPC UA (Unified Architecture) dabei, den Informationsaustausch über digitale Netzwerke nachhaltig zu ändern. Erstmals in der Geschichte der industriellen Automatisierung gibt es einen unabhängigen Protokoll-Standard, den eine breite Herstellerbasis in den unterschiedlichsten Marktsegmenten unterstützt. Derzeit vorrangig in der Steuerungsebene eingesetzt, gilt OPC UA in der Automatisierungswelt unbestritten als Treiber für die rapide fortschreitende Nutzung der industriellen Cloud-Kommunikation. Dass die moderne Sicherheitstechnik ebenfalls diesen Weg einschlagen wird, ist bereits erkennbar. So hat etwa das europäische Komitee der Hersteller von Kunststoff-

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Wer die Fertigung flexibilisieren will, kommt an mobilen HMIs nicht vorbei. Franz Aschl, Sigmatek Redaktion IEE

und Gummimaschinen mit den Euromap-Empfehlungen 78 und 79 die elektrische Schnittstelle zwischen Spritzgießmaschinen und externen Sicherheitseinrichtungen sowie ein herstellerübergreifendes Interface zwischen Spritzgießmaschinen und Robotern definiert. OPC UA spielt dabei eine wichtige Rolle und das gilt in Fachkreisen als bedeutsamer Schritt. Dies könnte eine solide Grundlage für einen unabhängigen, modernen Kommunikationsstandard für zusammenarbeitende sichere Einheiten darstellen.

Für funktionsgerichtete Steuerungen hat man bei SIGMATEK die OPC UA Server- und Client-Funktionen sehr früh implementiert. Den Safety-Controllern eröffnet das zusätzliche Einsatzbereiche, da sie neben der standalone-Verwendung in Automatisierungslösungen integrierbar sind. Mit den funktionsgerichteten CPUs werden Informationen nach demselben Prinzip wie zwischen Safety-Controllern ausgetauscht. Der sichere Datentransport erfolgt entweder über das Echtzeit-Ethernet Varan oder mithilfe des Black Channel Prinzips über jede andere Ethernet-Ausprägung.

Der Zug fährt und Maschinenbauer springen auf

Im Sinne der Nutzensteigerung für Hersteller, Betreiber und Anwender schließt ein ganzheitliches Denken von Prozessen für die intelligente Fabrik zwingend die Anlagen- und Maschinensicherheit ein. Maschinen und Anlagen mit der geforderten funktionalen Sicherheit zu versehen, bleibt auch künftig in der Verantwortung der Maschinenhersteller. Was ebenfalls bleiben wird, ist der eisige Wettbewerb im Maschinenbau – lokal wie global. Maschinen- und Anlagenbauer, die es verstehen, die gesetzlichen Anforderungen unter Anwendung moderner Safety-Systeme in Kundennutzen zu übertragen, sichern nicht nur ihr wirtschaftliches Überleben: Sie springen auf einen Zug auf, der sie technologisch wie geschäftlich mit immenser Geschwindigkeit weiterbringen kann. Dieser Safety-Zug nimmt, befeuert von den wachsenden Anforderungen der Smart Factories, immer mehr Fahrt auf. (sk)


SPS IPC Drives 2017 Halle 7, Stand 270

Franz Aschl

ist Innovationsmanager bei Sigmatek in Lamprechtshausen.

(sk)

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