Zu Beginn wies Dr. Milke darauf hin, dass mittlerweile 35.000 Fahrzeuge des Typs Chevrolet Volt gebaut wurden, die aber in Statistiken über Elektrofahrzeuge nicht immer auftauchen. Allein in Europa warteten derzeit 6.000 potenzielle Ampera-Fahrer auf ihr bestelltes Auto. Mit folgenden Worten ging er auf die Erwartungen der Kunden an Elektroautos ein: „Die einzigen Menschen, die Veränderungen wünschen, sind Babys in nassen Windeln.“ Exakt aus diesem Grund sei „eigentlich keiner mit einer Reichweite von weniger als 300 km zufrieden; die meisten rufen nach 600 km“, während der Mehrpreis maximal 5000 € betragen dürfe und das Laden nach 30 min beendet sein müsse. Den zusätzlichen Kick in Form von Fahrspaß und hohem Drehmoment ab Leerlauf möchten die Kunden aber sehr wohl.
Solide Planung
Als seriöse Planungsgrundlage könne man heute annehmen, dass die Lebensdauer der Batterien bis zum Jahr 2040 um circa 50 % steigen wird, während Gewicht und Preis im gleichen Zeitraum um 50 % sinken. Sein Fazit daraus: „Die Batterien bleiben teuer, schwer und groß.“ Hinzu kommt der unterschiedlich hohe Energiefluss beim Tanken beziehungsweise Laden.
Während ein Dieselfahrzeug (60 l Tankinhalt, 7 l/100 km) mit einer Tankzeit von 1 Stunde eine Reichweite von 25.700 km erziele, komme ein E-Fahrzeug (20 kWh/100 km) auf gerade einmal auf eine Reichweite von 20 km (bei 3,7 kW) beziehungsweise 500 km (bei 100 kW DC-Schnelladung) pro Stunde Ladezeit. Diese Diskrepanz zeige, „dass hier kein Grund dazu besteht, zu warten, dass dieses Problem sich von alleine löst.“ Sein Fazit für EVs: „Laden heißt erst einmal Parken“, und deshalb erfolge das Laden primär, wenn man Zeit dazu habe: zuhause und am Arbeitsplatz.
Opel Ampera: der erste E-REV
Da es sich beim Ampera weder um ein BEV noch um ein PHEV handelt, führt Dr. Milke als Ergänzung die Bezeichnung E-REV, EV mit Range-Extender, ein: Das Chassis des Ampera beruht auf der globalen Kompaktplattform des Konzerns, die sich in Großserie befindet. Dr. Milke erklärte diverse Fahrmodi mit dem Primär-Elektromotor, mit dem bei hohen Geschwindigkeiten manchmal als Zusatz-Elektromotor genutzten Generator und wie der Verbrennungsmotor teilweise den Generator treibt, aber dabei gleichzeitig einen Teil seiner Leistung über einen mechanischen Kraftschluss direkt auf die Achse wirken lässt: „Es geht hier um die Wirkungsgradoptimierung der Maschinen“, führt Dr. Milke aus. „Dieser Wirkungsgradoptimierung unterliegt die Kraftflusssteuerung, die festlegt, wie viel Energie über den mechanischen Kraftschluss läuft und wie viel Energie in Form von elektrischer Energie aus dem Generator herausgelangt.“
900 Fahrer des Chevrolet Volt, dem amerikanischen Pendant zum Opel Ampera, legen pro Monat etwa 350.000 km zurück und beteiligen sich an einer Datenerhebung per Onstar, die unter www.voltstats.net einsehbar ist. Trotz der größeren Entfernungen in den USA legten diese Fahrer mehr als 75 % der Distanzen rein elektrisch mit Energie aus der Steckdose zurück, so dass sich ein mittlerer Benzinverbrauch von zirka 1,5 l/100 km ergebe.
Hinter den Kulissen
„Wenn man sich einen neuen Thema widmet, muss man auch die eine oder andere neue Methode entwickeln“, erklärt Dr. Milke. Aus diesem Grund führten die Entwickler des Ampera nicht nur Crashtests sondern auch Brandversuche durch. Die Herausforderung beim Brandschutz ergibt sich beim Ampera dadurch, dass er nicht nur eine Lithiumbatterie enthält sondern auch 60 l Benzin. „In Zusammenarbeit mit der Feuerwehr haben wir gelernt, dass große Wassermengen die beste Löschwirkung zeigen“, berichtet Dr. Milke aus der Praxis. „Der Brand der Batterie ist wesentlich unspektakulärer als man sich das vorstellt; die große Explosion bleibt aus.“ Außerdem versenkten die Entwickler sowohl ganze Fahrzeuge als auch unverkleidete komplette Batterien in Wasserbassins, um zu überprüfen, ob die Schutzmechanismen greifen. Dr. Milkes Fazit: „Das Ergebnis ist ein Auto mit fünf Euro-NCAP-Sternen.“
Probleme am Rande
Zwar sind die haushaltsüblichen 220-V-Schukosteckdosen für 16 A ausgelegt, aber in den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Spitzenströme. „Auf einmal haben wir eine Belastung im Netz, die es vorher nicht gab“, berichtet Dr. Milke aus der Praxis. „Wenn ich heute schon mit 10 A oder 16 A lade und dann noch zusätzlich Leistung abfordere, dann ist das Netz darauf nicht vorbereitet und typischerweise auch die Hausinstallation nicht.“ Weil beispielsweise auch nicht einmal die Schukosteckdose europaweit einheitlich ist, „haben wir uns als OEM auf einmal in der Pflicht gesehen, elektroautospezifische Adapter gemäß IEC 63196 gemeinsam mit der Tier-1-Welt neu zu entwickeln, weil sie nirgendwo zu kaufen waren.“ Hinzu kommt ein weiteres Problem: „Da erstaunlich viele Kunden im Bereich eines IT-Netzes wohnen, bei dem der Trafo-Sternpunkt nicht geerdet ist, mussten wir kurzfristig darauf reagieren und unsere Diagnose robuster machen – und das in Europa, wo es heißt, das Netz sei stabil. Wir finden Probleme, die früher gar nicht existierten, so dass auch niemand eine Antwort dafür parat hat.“
Auch kleinere Problemchen sprach Dr. Milke an: „Wenn man ein neues Konzept entwickelt, ergeben sich auf einmal neue Themen und neue Begrifflichkeiten. Es gibt einen Betriebsmodus im Ampera namens Hold-Charge-Mode, aber wie nennt man diesen Modus auf Deutsch und in 25 Sprachen?“ Der Hold-Charge-Mode ermöglicht es bei Annäherung an einen Innenstadtbereich, in dem nur rein elektrisches Fahren gestattet ist, mit Unterstützung des Verbrennungsmotors an die Stadtgrenze zu fahren, um dann im innerstädtischen Bereich rein elektrisch unterwegs zu sein.
Angepasste Wünsche
Dr. Milke ist sich sicher: „Die Kundenanforderungen werden sich adaptieren, so wie Handys vor fünf Jahren so klein wie möglich werden und eine sehr lange Akkulaufzeit haben mussten. Heutzutage sind die Handys groß wie nie, und es stört niemanden, dass sie nach kurzer Zeit bereits leer sind … Wir sind von diesem System (Range-Extender, die Redaktion) überzeugt, erkennen das Potenzial in diesem System und sind gerade dabei, die nächste Generation zu entwickeln.“
Alfred Vollmer
(av)