Polygonal hand using tablet

(Bild: Fotolia Peshkova)

Die heute verbauten Touchscreens haben nicht mehr viel mit Elektromechanik zu tun. Im Betrieb sind Solid-State-Lösungen, die auf PCT (Projected Capacitive Touch) basieren und keinen tatsächlichen mechanischen Input benötigen. Die Unterschiede liegen sowohl im Design als auch in der technischen Handhabung. So sind Solid-State-Lösungen deutlich robuster als elektromechanische Displays. Jedoch entstehen bei der PCT-Technik neue Fehler wie beispielsweise der Ghost-Touch, bei dem der Algorithmus des Displays zu einer Aufforderung kommt wie die Jungfrau zum Kinde – ohne Berührung. Die größte Herausforderung bei modernen Touch-Systemen ist daher zu detektieren, ob tatsächlich eine Bedienungsabsicht vorliegt, und, wenn ja, unmittelbar an den Bediener zurückzumelden, dass der Befehl erkannt wurde.

Bis vor nicht allzu langer Zeit waren Touchscreens mechanisch. Ein Bediener drückte auf das Display. Der mechanische Widerstand war damit gleichzeitig die Rückmeldung dafür, dass der Befehl beim Gerät angekommen ist. Die Detektion erfolgte dabei meist kapazitiv oder resistiv, also entweder durch die Veränderung eines Abstands einer Kapazität oder – vereinfacht gesagt – durch Zusammendrücken der Kontakte. Andere Systeme arbeiteten mit Kraftsensoren in den Ecken von meist größeren Scheiben oder Schutzgläser, deren Berührungen damit detektiert wurden. Wieder andere nutzten Infrarotgitter, die eine Gitterlichtschranke vor dem Display aufspannten, die durch entsprechende Unterbrechung den Befehl erkannte. Bei fast allen älteren Generationen der Touch-Systeme lag zur Bedienung jedoch immer eine Kraft oder zumindest eine Wegdetektion zugrunde. Es war aus mechanischen Gründen immer gewährleistet, dass ein beabsichtigter elektrischer Impuls elektronisch aufbereitet wurde. Eine Aktion hatte eine direkte Reaktion zur Folge.

Non-Touch-Displays

Displays

Bild 1: Das Funktionsprinzip eines PCT-Touchdisplays. Wammes

Bei aktuellen Display-Generationen, gerade bei PCT, existiert dieser direkte Zusammenhang nicht mehr. Über deren Oberfläche ist eine Matrix beziehungsweise ein Raster von kleinen Sendern verteilt, die ständig elektrische Felder erzeugen (Bild 1). In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sind Empfänger, die jene Signale direkt auswerten. Der permanente Informationsfluss ist sozusagen der Ruhezustand dieser Touch-Systeme. Damit ist die Touch-Aufforderung von der Elektromechanik entkoppelt: Nicht ein mechanischer Vorgang, sondern die Störung dieser Kommunikation löst eine Detektion aus. So gesehen muss auf neuen Touch-Systemen nicht mehr wirklich getoucht werden. Künstliche Intelligenz analysiert die Störungen anhand definierter Parameter, beispielsweise ob eine bestimmte Mindestfläche beziehungsweise -anzahl von Sendern beeinflusst wird.

Dadurch ergeben sich merkliche Vorteile. So muss das verwendete Material nicht mehr mechanisch deformierbar sein. Folglich können stabilere Materialien verwendet werden, die andere Eigenschaften, Anmutungen oder höhere Transparenzen haben. Die Oberfläche kann analog beliebig strukturiert, konturiert, sogar gekrümmt oder gewölbt sein. Darüber hinaus ermöglicht diese Technik eine Funktion, die davor nur enorm aufwendig umzusetzen war: Multi-Touch, also das gleichzeitige Detektieren unterschiedlicher Befehle an mehreren Stellen. Allerdings muss der Algorithmus lernfähig sein und benötigt dafür entsprechende Verarbeitungsressourcen.

Neue Fehlervarianten

Mit Solid-State-Lösungen kommt allerdings auch eine neue Fehlervariante, der sogenannte Ghost-Touch. Dabei geht der Algorithmus irrtümlich von Aufforderungen aus, die es so nie gegeben hat. Da die Störung des Ruhezustandes des Touch-Sensors dadurch entsteht, dass in irgendeiner Form Sendeleistung abgezogen oder der Empfänger behindert wird, ist zunächst noch nicht bekannt, ob eine tatsächliche Absicht vorliegt – sprich, ob ein Finger beziehungsweise ein Bediener diese Störung ausgelöst hat oder etwas anderes.

Störungen können zum Beispiel auch durch Regentropfen, einen Schlüsselbund oder den Verbau im Fahrzeug erzeugt werden. Ist das Gehäuse beispielsweise teils aus Kunststoff und Metall und damit unterschiedlich leitfähig, verändert sich in den Einflussbereichen des elektrisch leitfähigen Materials die Ausbreitung der elektrischen Felder. Die gesamte Matrix der Eingabefläche ist nicht mehr homogen. Die neuen Eigenschaften müssen kalibriert und statisch sowie dynamisch berücksichtigt werden. Gleiches gilt für zusätzliche externe oder interne elektromagnetische Felder wie zum Beispiel WLAN, Bluetooth, Funkfernbedienungen oder EMV. Auch ein instabiles oder ungeschicktes Massekonzept bei der Verkabelung des Systems kann durch dynamische Veränderung von elektrischen Potenzialen Fehlinterpretationen und damit Ghost-Touches begünstigen oder generieren.

Dies gilt besonders bei unterschiedlich beschichteten Displays. Sowohl die selbst generierten elektrischen Felder sowie die externen Störer unterliegen den gleichen Gesetzen. Daher wirkt sich hier auch die unterschiedliche Dielektrizitätskonstante der jeweiligen Materialien beziehungsweise deren Kombinationen zwischen dem beeinflussenden Finger oder Hilfsmittel und Sender beziehungsweise Empfänger aus. Da es sich hier grundsätzlich um Wechselfelder handelt, sind auch alle Einflüsse frequenzabhängig. Das bedeutet, die Komplexität der möglichen Einflüsse ist wesentlich größer als bei bisherigen elektromechanischen Systemen. Auch die Art der Einflüsse ist nicht mit bisherigen Systemen zu vergleichen. Deswegen ist es unabdingbar eine neue Lernkurve zu durchfahren – und zu meistern.

Komplexe Kalibrierung erforderlich

Ob gewollt oder nicht, mit den neuen PCT-Touch-Systemen muss sich jeder, der diese neuen Touch-Displays eindesignt, mit der Software respektive Firmware und deren Möglichkeiten und Grenzen für das ausgewählte Touch-System samt dessen Integration sehr intensiv auseinandersetzen. Die Kalibrierung des Algorithmus beispielsweise auf eine zusätzliche Schutzscheibe erweist sich in der Praxis dabei als nicht so leicht, da diese nur theoretisch eine einfache Konstante ist. In Realität gelingt eine exakt gleiche Aufbringung, zum Beispiel beim Optical Bonding, nur selten. Ferner wird diese Schicht irgendwann beeinträchtigt, zerkratzt, abgerieben, brüchig, verschmutzt oder degradiert und provoziert in diesem Segment unter Umständen andere Befehle. Das heißt, der Algorithmus muss auch hier lernen, dass sich im Laufe der Zeit das Standardmuster in irgendeiner Form verändert hat und dass der jetzige Ist-Zustand die neue Referenz ist.

Schließlich geht bei der Entkopplung von der Mechanik ein nicht unerheblicher Verlust an Bedienungssicherheit verloren: Bedienern fehlt die Rückkopplung, also die direkte, taktile Meldung, dass sie einen Kontakt hergestellt und damit einen Befehl ausgelöst haben. Daher muss eine Rückmeldung vom System künstlich hergestellt werden und möglichst schnell, idealerweise in Echtzeit, erfolgen. Es nützt nichts, einen dringenden Befehl einzugeben und bei ausbleibender Reaktion die Eingabe mehrfach zu wiederholen. Sonst kann die Aufforderung am Ende sogar noch falsch interpretiert oder eine kritische Situation nicht rechtzeitig gestoppt werden.

Klaus Wammes

Geschäftsführer Wammes & Partner GmbH

(ku)

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