Die deutschen Bahntechnikhersteller erzielten 2011 einen Rekord. Die Auftragseingänge stiegen um 28 % auf 14,5 Milliarden Euro. Das berichtete der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) auf seiner Jahrespressekonferenz im April. „Die Bestellungen für Bahntechnik sind deutlich gestiegen, weil unser größter Kunde, die Deutsche Bahn, lang erwartete Aufträge erteilte“, erklärte Verbandspräsident Dr. Klaus Baur. Diese ließen die Inlandsnachfrage nach heimischer Bahntechnik um nahezu 116 % steigen.

Die Auslandsnachfrage der exportorientierten Bahnindustrie in Deutschland zeigte dagegen im vergangenen Jahr Schwächen. Baur führt den Rückgang um 22 % auf eine abnehmende Dynamik der Weltwirtschaft zurück, die auch Bahntechnikhersteller zu spüren bekommen hätten. So ging die Nachfrage nach Schienenfahrzeugen und Komponenten im Ausland um 30 % auf 3,5 Milliarden Euro zurück. Stärker nachgefragt als im Vorjahr waren im Ausland hingegen Infrastrukturausrüstungen, und zwar um rund 22 % mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Der Umsatz der Branche verringerte sich im vergangenen Jahr um über 6 % auf 10,2 Milliarden Euro. Während das Inlandsgeschäft mit 5,2 Milliarden Euro leicht um 2 % stieg, sank das des Auslands um fast 14 % auf 5 Milliarden Euro. Die Exportquote der Branche liegt nun bei 49 %. Der Umsatz mit Schienenfahrzeugen ging 2011 gegenüber dem Vorjahr um 11 % zurück. Etwas besser verliefen die Geschäfte mit Infrastrukturausrüstungen. Sie legten um über 7 % zu. „Beim rückläufigen Umsatz macht sich insbesondere der krisenbedingte Nachfrageeinbruch des Jahres 2009 bemerkbar“, erklärte Baur. Dennoch erwartet der VDB-Präsident grundsätzlich eine weitere positive Entwicklung des Geschäfts mit Bahntechnik.

Leichtbau und Energieeffizienz

In den letzten zehn Jahren haben sich die Anforderungen an Schienenfahrzeuge stark gewandelt. Angetrieben wird diese Entwicklung von den steigenden Energiekosten, der zunehmenden Bedeutung der Lebenszykluskosten eines Fahrzeugs gegenüber den Anschaffungskosten, den hohen Anforderungen an die Sicherheit zukünftiger Fahrzeuge, der Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern und den steigenden Ansprüchen der Fahrgäste an den Komfort der Fahrzeuge. Diesen Problemen stellten sich die Schienenverkehrsforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Projekt Next Generation Train (NGT) arbeiten Wissenschaftler aus neun DLR-Instituten interdisziplinär an den Fragen, wie schnell, sicher, komfortabel und umweltverträglich die Hochgeschwindigkeits-Züge der nächsten Generation sein müssen. Als Hauptziel sollen die Züge 25 % schneller sein, ohne die bestehenden Sicherheitsstandards zu verletzen. Zugleich sollen sie nur halb so viel Energie verbrauchen wie die aktuellen Hochgeschwindigkeits-Züge. Auch Die Schallemissionen sollen geringer werden und der Reisekomfort hinsichtlich Kabinendruck, Klima, Vibration und Akustik gesteigert werden. Modularisierung und intelligente Systemintegration, ähnlich dem Straßenfahrzeugbau, sollen den Bau von Schienenfahrzeugen zudem günstiger machen. Die DLR-Wissenschaftler entwickelten Leichtbaustrategien für den Wagenkasten, die crashbedingt besonders gefährdeten Triebzugnasen sowie für die Innenausstattung der Züge. Leichtbaustrukturen und Fügetechnik spielen unter anderem bei der maximalen Achslast, bei den Energieeinsparungen sowie beim Beschleunigen und Bremsen eine Rolle. So verfügen beispielsweise Sandwichstrukturen mit einem Honigwabenkern und glasfaserverstärkten Deckschichten über die gleiche Biegesteifigkeit wie Massivbauteile – beispielsweise aus Aluminium –, sind aber viel leichter. Bei der Innenausstattung von Zügen der nächsten Generation müsste also viel weniger Masse und damit Gewicht verarbeitet werden – was wiederum den Energiebedarf senkt.

Aerodynamik als Schlüsselfaktor

Der aerodynamischen Auslegung kommt eine Schlüsselfunktion zu. Der Zug muss nicht nur bei Seitenwind stabil und auf dem Gleis bleiben, auch die im Betrieb von ihm ausgehende Wirkung auf die Umwelt und auf die direkte Umgebung sowie der vom Fahrgast wahrgenommene Fahrkomfort und damit die Fahrzeugakzeptanz werden maßgeblich durch aerodynamische Eigenschaften bestimmt. So beeinflussen die Luftverdrängung im Tunnel und die Seitenwindstabilität beispielsweise die Form der Zugnase wesentlich. In einem Windkanal zeigen DLR-Wissenschaftler, wie ein Zugmodell im Maßstab von 1:100 schräg mit Luft angeströmt wird. So lässt sich eine Seitenwindsituation simulieren. Eine Laser-Lichtschnitt-anlage und Rauch machen die auftretenden Strömungsstrukturen sichtbar. Um belastbare Aussagen zu sicherheitsrelevanten Fragen wie dem Verhalten bei Seitenwind erhalten zu können, bauen die Forscher im Rahmen dieses Projekts neue Versuchsanlagen zur Untersuchung von speziellen Fragen zur Aerodynamik bei Seitenwind, Tunnelaerodynamik, Hoch-Reynoldszahl-Aerodynamik und Aeroakustik.

Die DLR-Wissenschaftler simulieren außerdem verschiedene Fahrzeugkonfigurationen, bewerten die Ein- und Aussteigezeiten und modellieren Bewegungen einzelner Personen im Zuginneren bei unterschiedlicher Anordnung von Sitzplätzen, Treppen oder Türen. Auf Basis der Umsteigequoten der Fahrgäste im Fernverkehr und unter Berücksichtigung technischer Rahmenbedingungen wollen sie so das beste Konzept für einen störungsfreien Fahrgastfluss und zügigen Fahrgastwechsel ermitteln.

Energiekonzepte simulieren

Moderne Schienenfahrzeuge müssen gerade wegen der großen Fahrzeugmasse hohe Anforderungen hinsichtlich der Energieeffizienz erfüllen. Eine zusätzliches Problem bei dieselbetriebenen Schienenfahrzeugen besteht darin, gleichzeitig Kohlendioxid- und Schadstoffemissionen zu verringern. Zukünftige Schadstoffgrenzwerte lassen sich nur durch Abgasnachbehandlungssysteme einhalten, durch die in der Regel die Motorleistung sinkt. Durch die Nutzung von Bremsenergie mithilfe von Energiespeichern lassen sich hier Leistungsreserven erschließen. So lassen sich hohe Fahrleistungen auch mit schwächeren Motoren erreichen. Um neue Energiekonzepte zu bewerten, erstellt der DLR multiphysikalische Modelle von Schienenfahrzeugen und deren Komponenten. Die zur Verfügung stehenden Prüfstände ermöglichen auch die -Validierung neu entwickelter Komponentenmodelle. Eine Simulation vergleicht exemplarisch den Energiefluss eines konventionellen dieselelektrischen Regionalfahrzeugs mit dem eines Fahrzeugs, dessen Bremsenergiespeicher die geringere Dieselmotor-Leistung kompensiert. Durch die Visualisierung der Energieflüsse lassen sich Unterschiede in der Betriebsweise beider Systeme veranschaulichen. Obwohl die Dieselleistung beim hybridisierten Fahrzeug kleiner ist als beim konventionellen Fahrzeug, lassen sich dieselben Fahrleistungen erreichen. Dabei benötigt das hybridisierte Fahrzeug weniger Kraftstoff. Das verringert die Schadstoffemission gegenüber dem konventionellen Fahrzeug.

Für die Zulassungsfähigkeit eines Zugkonzepts ist es außerdem wichtig, dass die Rad-Schiene-Kräfte bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Zudem bieten mechatronische Systeme zur aktiven Spurführung und Fahrwerksregelung ein großes Potenzial, um Sicherheit und Komfort von Schienenfahrzeugen zu verbessern. Neben Laufstabilität, Verschleiß- und Lärmreduktion muss das mechatronische Fahrwerk für den NGT auch in der unteren Ebene eines Doppelstockfahrzeugs einen komfortablen, ebenen Durchgang für die Fahrgäste ermöglichen. Zentrale Komponenten des Fahrwerks sind die geregelt angetriebenen Einzelräder und der zugehörige Radträger, der radial in einen Gleisbogen eingelenkt werden kann. Die Einzelradmotoren sind gleichzeitig Antriebsaggregate und Aktuatoren, die den beiden Einzelrädern eines Radträgers verschiedene Drehmomente aufprägen können. So lässt sich das Fahrwerk im Spurkanal ausrichten und in Bögen einlenken. Das macht den Radlauf leiser und mindert den Verschleiß.

Melanie Feldmann

: Redakteurin der IEE

(mf)

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