Bei Halbleiter-Bausteinen war die klassische Rechtfertigung des „kleiner, schneller, preisgünstiger“ beziehungsweise höhere Leistung, mehr Zuverlässigkeit für mehr als 50 Jahre die treibende Kraft. Heutige Digitalschaltungen in Automotive-Anwendungen mit kritischen Timing-Anforderungen benötigen mehr denn je MEMS-Oszillatoren (Micro Electrical Mechanical Systems).
Anforderungen des Kfz-Einsatzes
Autos von heute benötigen präzise Zeitangaben für ADAS-Systeme (Advanced Driver Assistance Systems), die eingebaute Kameras, Ultraschall-Sensoren, Lidar und Radar sowie Infotainment, Fahrzeug-interne Netze und mehr enthalten. Obwohl MEMS-Oszillatoren schon seit mehr als zehn Jahren hergestellt und in Automotive-Anwendungen zum Einsatz kommen, benötigen die neuen ADAS-Einsatzfelder für autonome, selbstfahrende Fahrzeuge einen noch größeren Funktionsumfang und stellen höhere Anforderungen an Zeit-synchronisierende Geräte.
Eck-Daten
In den vergangenen 20 Jahren ist Zuverlässigkeit für Autohersteller wichtiger denn je geworden. Auf einer Leiterplatte bieten ICs die höchste Zuverlässigkeit. Andere Komponenten wie Quartz-Oszillatoren können da nicht mithalten. Im Gegensatz dazu steigt die Zuverlässigkeit von Oszillatoren mit MEMS-Oszillatoren auf das Niveau von ICs, was entscheidende Vorteile für Kfz-Anwender bietet. Eine Lösung mit MEMS-Oszillatoren ist für Automotive-Zulieferer daher eine attraktive Alternative. Die höhere Frequenzstabilität, der geringere Platzbedarf, die Temperatur-, Stoß- und Vibrationsfestigkeit von MEMS-Oszillatoren liefern überzeugende Argumente für einen Umstieg von Quartz- auf MEMS-Oszillatoren.
Zuverlässigkeit ist ein zentrales Kriterium für Autohersteller und die Lieferanten ihrer elektronischen Systeme. Quartz-Oszillatoren werden mechanisch aus Kristallmaterial geschnitten und abgeschliffen, um die richtige Frequenz zu erzielen und anschließend in hermetisch versiegelte Gehäuse verkapselt. Wegen ihrer dünnen Kristallstrukturen sind diese Bausteine empfindlich gegenüber Vibrationsschäden und außerdem auf eine feste Frequenz beschränkt. Die Reinheitsanforderungen in der Fertigung für diese Bausteine sind nicht besonders hoch.
Die Herstellung von MEMS-Oszillatoren erfolgt in einem IC-Fertigungsbetrieb unter hohen Reinheitsbedingungen. Damit können MEMS-Oszillatoren eine zwanzigmal höhere Zuverlässigkeit, um den Faktor 500 bessere Stabilität gegen Stoßbelastungen und eine fünfmal bessere Vibrationsbeständigkeit bieten als herkömmliche Quartz-Oszillatorbausteine.
Konstruktionsbedingt sind MEMS-Oszillatoren sehr klein und robust. Kristalle haben eine endliche Größe und ihr Preis steigt mit zunehmender Miniaturisierung. In den ersten Automotive-Anwendungen, bei denen es sehr strenge Platzbegrenzungen gab, war es notwendig, einige der Kameras in den Fahrzeugen aufgrund der Größe der Quartzbausteine nachzurüsten. Hier bietet sich der Einsatz von MEMS-Bausteinen als natürliche Lösung an. Viele neue Kfz-Anwendungen wie etwa ADAS erfordern sogar noch kleinere Gehäuse, und damit wird die Größe eines MEMS-Oszillators zu einem zusätzlichen treibenden Faktor, um Quartz-Oszillatoren zu ersetzen.
Frequenzstabilität bei hohen Temperaturen
Ein weiterer Aspekt der MEMS-Oszillatoren ist ihre Fähigkeit, ihre Frequenzstabilität auch bei sehr hohen Temperaturen beizubehalten. Quartz-Bausteine besitzen ein stark nichtlineares Temperaturverhalten und haben in diesem Bereich mehr Schwierigkeiten. Heute verfügbare MEMS-Oszillatoren erfüllen die Temperaturklasse 1 (40 bis +125 °C Umgebungstemperatur entsprechend AEC-Q100). MEMS-Oszillatoren der nächsten Generation eignen sich auch für noch höhere Temperaturen, sodass sie sich auch in Bereichen des Fahrzeugs einsetzen lassen, in denen Temperaturklasse 0 (-40 bis +150 °C) erforderlich ist (siehe Tabelle 1).
Im Automotive-Einsatz können hohe Temperaturen aufgrund der Umgebungstemperaturen am Installationsort und/oder der geforderten Platzierung des Oszillators auf der gedruckten Leiterplatte auftreten. Ein höheres Maß an Konnektivität in Fahrzeugen erfordert auch ICs mit höherem Leistungsbedarf. Die Verlustwärme dieser ICs steigert die lokale Umgebungstemperatur für die in ihrer Nähe angeordneten Komponenten. Für gute Systemstabilität ist es ratsam, den Quarzoszillator in der Nähe des zugehörigen ICs zu platzieren. Hier war lediglich Temperaturklasse 3 notwendig, aber diese Anforderungen sind aktuell starken Änderungen ausgesetzt.
Steigende Wärmebelastung
Mikroprozessoren in Infotainment-Systemen geben erhebliche Mengen an Wärme ab, und obwohl die meisten Komponenten im Fahrzeuginneren für Temperaturklasse 2 (bis 105 °C) spezifiziert sind, müssen Taktgeneratoren in physikalischer Nähe von Prozessoren die Temperaturklasse 1 (bis 125 °C) unterstützen. Hier ist ein MEMS-Oszillator die beste Lösung, da diese leistungsfähigen Prozessoren den Quarzkristall problemlos so aufheizen können, dass er genug Temperatur- und Frequenzverschiebung aufweist, um außerhalb des benötigten Frequenzbereichs zu arbeiten. Eine Möglichkeit, weiterhin einen Quarzoszillator zu nutzen besteht darin, ihn weiter entfernt vom Prozessor anzubringen. Dies wirkt sich jedoch negativ auf den Flächenbedarf auf der Leiterplatte aus. Eine weitere Lösung ist ein Quarzoszillator mit höherer Stabilität (-50 bis +125 °C), der allerdings teurer ist – möglicherweise um den Faktor drei oder mehr.
Im Gegensatz dazu besitzt ein MEMS-Oszillator eine aktive Temperaturkompensationschaltung. Die MEMS-Oszillatorschaltung kann bis zu 30 Mal pro Sekunde eine Echtzeit-Korrektur bei Temperaturveränderungen ausführen, wobei sie die Temperatur erfasst und eine Nachregelung zur Wahrung einer konstanten Ausgangsfrequenz vornimmt. Dies ermöglicht eine äußerst hohe Temperaturstabilität (bis hinab zu ±20 ppm) für Hochtemperatur-Anwendungen, und kann gegenüber den Kosten eines hochstabilen Quartz-Oszillators Kostensenkungen ermöglichen. Mit steigender Rechenleistung für GPU- und CPU-ICs und ihren zugeordneten Powermanagement-ICs, geraten herkömmliche Quarzoszillatoren zunehmend an ihre Grenzen oder sind überfordert.
MEMS-Oszillatortechnik
Grundlage eines MEMS-Oszillators ist ein MEMS-Resonator. Dabei handelt es sich um eine aus dem Silizium herausgeätzte Struktur, die sehr präzise mechanische Vibrationen erzeugt und damit eine genaue Frequenz liefert. Bild 1 zeigt das Free-Free-Beam-Short-Support-Resonator-Design (FFS). Das Substrat ist an vier Ankerpositionen kontaktiert, der Schwingarm ist oberhalb davon angeordnet und vom Rest der Struktur durch eine enge Lücke getrennt, sodass der Resonator frei schwingen kann.
Die Elektrode unterhalb des FFS-Resonatorarms bildet einen elektrostatischen Messwandler. Befinden sich Arm und Elektrode auf unterschiedlichen Spannungspotenzialen, dann bildet sich eine Kraft zwischen den beiden. Da sich die Spaltbreite des Messwandlers unter der Vorspannung verändert, verhält sich die Struktur wie eine mit der Zeit variierende Kapazität, die einen auf der Resonanzfrequenz schwingenden Ausgangsstrom erzeugt. Um hohe Gütefaktoren zu erzielen, versiegelt der Hersteller den MEMS-Resonator unter Vakuum in einem Verkapselungs- und Versiegelungsprozess mit adhäsivem Bonding. Das dabei erstellte Wafer-Level-Package lässt sich in den unterschiedlichsten Kunststoff-Spritzguss IC-Gehäusen einsetzen. Bild 2 zeigt, wie der Resonator im Inneren des verkapselten MEMS-Dies auf einem CMOS-ASIC gestapelt ist. Der MEMS-Baustein ist per Wire-Bonding mit dem ASIC-Die verbunden.
Im ASIC sorgen ein auf dem Chip integrierter einmal-programmierbarer OTP-Speicher (One-Time Programmable) sowie ein Kreuzschienenschalter für Produkt-Flexibilität. Die PLL- und Teilerwerte zur Einstellung der Ausgangsfrequenz sind in diesem Speicher zusammen mit Einstellungen zur Temperatur-Kalibrierung, der Auswahl eines Ausgangs-Protokolls, der Steuerung für Anstiegs-/Abfallzeiten, der Pull-Up/Down-Werte für die Enable-Pins und weiteren Werten abgelegt.
Das MEMS-ASIC lässt sich um viele weitere Funktionen ergänzen. Durch die Definition mehrerer Ausgänge sind platzsparende Funktionen möglich, die sich nicht mit einem Quarzkristall realisieren lassen. Ein weiteres Beispiel ist eine Spreizspektrums-Funktion zur Verringerung oder Vermeidung von elektromagnetischen Störungen (EMI). Solche Störungen können auch durch die Anstiegs- und Abfallzeiten des Taktausgangs entstehen. Dank der Programmierbarkeit des ASICs im MEMS-Oszillator lassen sich derartige Probleme durch eine Änderung der Takt-Anstiegs- und Abfallszeiten bei der Fertigstellung des Designs schnell lösen.
MEMS-Timinglösungen
Die kürzlich eingeführten Bausteine DSA11x1 und DSA11x5 sind MEMS-Oszillatoren und Taktgeneratoren für den Automotive-Einsatz. Die AEC-Q100 qualifizierten Bausteine besitzen eine Frequenzstabilität von ±20 ppm über einen Temperaturbereich von -40 bis +125 °C und sind für Anwendungen der AEC-Klassen 1, 2 und 3 ausgelegt. Mit einem Phasen-Jitter von weniger als 1 ps (typisch) arbeiten diese MEMS-Oszillatoren in einem Frequenzbereich von 2,3 bis 170 MHz. Die AEC-qualifizierten Bausteine sind erhältlich in Gehäusen mit kleinen Industriestandard-Abmessungen von 2,5 mm × 2,0 mm, 3,2 mm × 2,5 mm und 5,0 mm × 3,2 mm; alle sind 0,85 mm dick. Der DSA1105/25 bietet die gleichen Funktionen wie der DSA1101/21, hat aber zur Verringerung elektromagnetischen Störungen längere Anstiegs- und Abfallzeiten (Bild 3).
Mit weiterer Schaltungstechnik erzeugt der Temperatursensor im MEMS-Oszillator eine digitale Darstellung der Die-Temperatur, die an den PLL weitergeleitet wird, um natürliche Variationen der absoluten Frequenz des Resonators sowie seinen Temperaturkoeffizienten zu korrigieren. Bild 4 zeigt ein Beispiel der mit dieser Technik erreichbaren Temperaturstabilität.
Oszillatoren mit mehreren Ausgängen
Beim AEC-Q100-qualifizierten MEMS-Oszillator DSA2311 der Temperaturklasse 1 handelt es sich um ein Bauelement mit zwei Ausgängen. Der in einem 2,5 × 2,0 mm² großen Gehäuse erhältliche Baustein (Bild 5) kann zwei Quarze oder Oszillatoren auf einer Platine ersetzen (Bild 6). Die zwei simultan arbeitenden CMOS-Ausgänge des Bausteins liefern Frequenzen im Bereich von 2,3 MHz bis 170 MHz. Dies spart Platz auf der Leiterplatte, senkt Einkaufs-, Lagerhaltungs- und Bestückungskosten, und ermöglicht letztendlich eine noch höhere Integration.
Der Zweifach-MEMS-Oszillator ersetzt zwei Quartz-Kristalle durch ein einziges Bauteil, was eine Senkung der Stücklistenkosten ermöglicht. Ein Infotainment-System besteht prinzipiell aus einem Motherboard und vielen Prozessoren, wobei jeder eine Referenzfrequenz benötigt. In diesem Fall kann der MEMS-Oszillator mit zwei Ausgängen mehrere Taktgeneratoren ersetzen. Da Platz auf der Leiterplatte wertvoll und knapp ist, bietet dieser MEMS-Oszillator dem Entwickler neue Möglichkeiten und kann viele Probleme lösen. Bild 7 zeigt den gemeinsamen Einsatz eines DSA2311 und weiterer Microchip-Bausteine in einer Automotive-Schaltung.
Faktor Zeit entscheidet
Bei jeder Design-Änderung ist Design-In-Support entscheidend. Mit dem Online-Werkzeug Clockworks-Configurator von Microchip können Entwickler problemlos den richtigen MEMS-Oszillator für ihre Anwendung auf Basis des Temperaturbereichs auswählen und kundenspezifisch anpassen und zudem kostenlose Muster bestellen. Selbst die beiden Ausgangsfrequenzen des DSA2311-Dual-Output-Taktgenerators lassen sich mit dem Tool kundenspezifisch anpassen.
Während Kunden Muster aus dem Konfigurator innerhalb von 2-5 Tagen erhalten, können Entwickler mit dem Timeflash 2 Field Programming Kit unbeschriebene, feldprogrammierbare Oszillatoren auf eine kundenspezifische Frequenz programmieren und so in wenigen Sekunden eine Design-Verifikation durchführen. Steckt der Anwender das Kit direkt an den USB-Port seines PCs an, so kann er die Flash-Programmierung direkt an seinem eigenen Rechner durchführen. Das Kit erlaubt Messungen der Frequenzgenauigkeit, des Stromverbrauchs, des Betriebsstroms und der Stabilität normaler Oszillatoren.
Song Li
(na)