Für Fahrzeuge wird es immer wichtiger, über die vor ihnen liegende Strecke Bescheid zu wissen. Dabei reichen die heutigen Verkehrsmeldungen und digitalen Straßenkarten längst nicht mehr aus – wichtig sind vielmehr exakte Informationen über Streckeneigenschaften wie Steigungen oder Kurvenradien, temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen und andere Verkehrszeichen, Änderungen der Spurführung durch Baumaßnahmen und ähnliches mehr.
„Das Internet wird nicht nur das Infotainmentangebot im Fahrzeug erweitern, es wird das Fahrzeug direkt verbessern. Das Prinzip dahinter: Je besser die Informationsbasis, desto sicherer, effizienter und komfortabler das Fahrzeug“, weiß Ralf Lenninger, Leiter Strategie, Systementwicklung und Innovation in der Division Interior von Continental. „Zukünftig werden Fahrzeuge in einem Internet of Cars hochgenaue, -aktuelle und -zuverlässige Informationen über das Straßennetz sammeln und für alle Verkehrsteilnehmer unmittelbar nutzbar machen.“
Eckdaten
Mit dem von Continental entwickelten E-Horizon lassen sich viele Fahrzeuganwendungen aufwerten und effizienter machen. ADAS-Geschwingkeitsregelungen arbeiten genauer, und effizientere Fahrstrategien bei Lkws sowie bei Hybridfahrzeugen sparen Kraftstoff. Jedes Fahrzeug kann Streckeninformationen aus der Cloud beziehen, aber auch selbst erfasste Daten hochladen und damit zur Schwarmintelligenz beitragen.
Verbesserungspotenzial bieten bereits heute erhältliche Assistenzsysteme wie Abstandsregeltempomaten oder die Effizienzoptimierung von konventionellen und elektrifizierten Antrieben bis hin zur schrittweisen Annäherung ans automatisierte Fahren. So könnte der E-Horizon zukünftig beispielsweise eine Aussage darüber treffen, ob die kommende Strecke hoch- oder sogar vollautomatisiert zu befahren ist, oder ob der Fahrer die Fahraufgabe nur teilautomatisiert abgeben kann und die Verantwortung bei ihm bleiben muss.
Die Arbeitsweise von E-Horizon
Die Funktionsfähigkeit des dynamischen E-Horizon und beispielhafte Anwendungen testet Continental gegenwärtig mit neuen Demofahrzeugen. Die Fahrzeuge sind per Mobilfunk an die Backend-Plattform von Continental angebunden, die den Datenaustausch in beide Richtungen ermöglicht. Die Systeme an Bord erhalten auf diesem Weg ständig aktualisierte Strecken- und Umgebungsdaten wie topografische Zusatzinformationen oder temporäre Geschwindigkeitslimits.
Gleichzeitig können die vernetzten Fahrzeuge auch Informationen der eigenen Sensoren und Bordsysteme in die Cloud zurückmelden. So tragen sie ihrerseits zur ständigen Verbesserung und Aktualisierung des Kartenmaterials und der darauf aufbauenden Zusatzinformationen bei. Mit diesem Schwarmprinzip entsteht die Basis für zahlreiche intelligente Anwendungen.
Über die Kameras detektieren Fahrzeuge variable Geschwindigkeitsbegrenzungen oder temporär eingerichtete Verkehrszeichen und melden diese ins Backend. Die gemeldeten Informationen werden dort geprüft und aggregiert. Wenn die Zuverlässigkeit einer Information etwa durch Meldung aus mehreren Fahrzeugen bestätigt wurde, kann das System damit die Karte im Backend aktualisieren und an alle vernetzten Fahrzeuge in der betroffenen Region ausstrahlen. Vom Grundprinzip her basieren die Kartenupdates, die zum Beispiel für Assistenzfunktionen der nächsten Generation zum Einsatz kommen können, auf Kacheln. Das heißt, dass das System die lokal im Fahrzeug gespeicherte hochauflösende Straßenkarte bei Bedarf durch Ausschnitte einer im Backend gespeicherten und dort laufend aktualisierten HD-Karte ergänzt. Dabei überträgt das System immer nur den Kartenausschnitt, der für den aktuellen Aufenthaltsort des Fahrzeugs gerade relevant ist. So lässt sich der per Mobilfunk transportierte Datenverkehr gering halten, während das Fahrzeug gleichzeitig immer über die aktuellsten Kartendaten verfügt.
Vielfältige Anwendungen profitieren von der Vernetzung
„Mit dem dynamischen E-Horizon bietet Continental eine Lösung, mit der Fahrzeughersteller ihre Angebote für Assistenzsysteme sowie künftige Antriebstechnologien und Verkehrskonzepte perfektionieren können“, sagt Lenninger. „Dabei gewährleistet das leistungsfähige Backend-System, dass alle Nutzer dieser Technologie von den aktuellen und immer detailreicheren Streckendaten profitieren, während sie gleichzeitig aktiv zur Verbesserung der Genauigkeit und Datenqualität dieser Informationen beitragen.“
Die Daten aus dem eHorizon ermöglichen oder verbessern zahlreiche Funktionen im Fahrzeug. So nutzen Lkws bereits seit 2012 den statischen E-Horizon von Continental. Sie stellen ihre Motorleistung auf das Höhenprofil der Strecke ein. Einer Schätzung von Continental zufolge spart jeder E-Horizon-LKW bereits mit dieser Information durchschnittlich 1500 Liter Diesel pro Jahr. Auch für Hybridfahrzeuge, angefangen beim 48-V System, kann der E-Horizon entscheidende Informationen liefern, um den Antriebsmix aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb optimaler und effizienter zu nutzen.
Rein elektrische Fahrzeuge können die Informationen des E-Horizon nutzen, um ihre Reichweite vorausschauend und genau zu berechnen. Fahrzeuge mit Abstandsregeltempomat können dank E-Horizon ihre Geschwindigkeit selbstständig nicht nur an vorausfahrende Fahrzeuge sondern auch an aktuelle Tempolimits oder Kurvenradien anpassen, sodass der Fahrer nur noch lenken muss.
Jens Wallmann
(jwa)