Hr. Dr. Seewald, wie laufen die Geschäfte bei TRW Automotive?

Dr. Alois Seewald: Sehr gut. Aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklung unserer Produkte und vor allem wegen der internationalen Ausrichtung unserer Entwicklungsstandorte und unserer Fertigung sind wir im globalen Wettbewerb recht erfolgreich. Wir haben 2011 mit einem Umsatz von 16,2 Milliarden US-Dollar unser bestes Jahresergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt, und auch das erste Quartal 2012 war nicht schlecht. Uns ist natürlich klar, dass die Marktbedingungen vor allem in Europa derzeit eine echte Herausforderung darstellen, aber mit unserer geographischen Balance sind wir gut gerüstet. So läuft beispielsweise derzeit das Geschäft in Nordamerika sehr gut, und sowohl in Brasilien als auch in China verzeichnen wir ein Wachstum, das über dem Marktdurchschnitt liegt. Außerdem ist TRW auch im High-End-Segment sehr gut vertreten – und vor allem durch die deutschen OEMs, die nach China exportieren, läuft das Geschäft dort sehr gut.

Dr. Alois Seewald:   Das Fahrzeug wird immer intelligenter, und die Vernetzung des Fahrzeugs nimmt zu, während die Integration aktiver und passiver Sicherheitssysteme steigt.

Dr. Alois Seewald: Das Fahrzeug wird immer intelligenter, und die Vernetzung des Fahrzeugs nimmt zu, während die Integration aktiver und passiver Sicherheitssysteme steigt.Alfred Vollmer

Welche Zukunft sehen Sie für den TRW-Standort Deutschland?

Dr. Alois Seewald: Derzeit haben wir in Deutschland insgesamt
18 Standorte und beschäftigen rund 11.000 Mitarbeiter. TRW war immer schon international aufgestellt mit Entwicklungszentren in Europa, in den Vereinigten Staaten und auch in Asien. Während wir aber in der Vergangenheit eine durch die Firmenhistorie bedingte Verteilung der Entwicklungskompetenzen hatten, arbeiten heute in vielen Bereichen internationale Teams nahtlos zusammen. So können wir in allen Regionen adäquat auf die Erwartungen und Anforderungen unserer Kunden reagieren und deren Fahrzeugentwicklung optimal begleiten.

Da bei vielen unserer Kunden der überwiegende Teil der Fahrzeugentwicklung in Deutschland stattfindet, sind die 7 TRW-Technologiezentren hier auf absehbare Zeit wohl ausgelastet, zumal die Ingenieure in Deutschland nun einmal einen deutschen Ansprechpartner bevorzugen. In Summe tragen die deutschen OEMs über 30 % zum TRW-Umsatz bei, wobei dem Volkswagen-Konzern allein ein Anteil von circa 21 % zukommt.

Außerdem haben unsere Ingenieure in Deutschland sehr viel Know-how aufgebaut, so dass wir in Deutschland wirklich gut positioniert sind. Für den Gesamtkonzern haben wir in Koblenz die Hoheit für den Bereich Bremsen sowie für einen großen Teil der Elektronik für die Fahrerassistenz, und von Düsseldorf aus koordinieren wir die Aktivitäten im Bereich Lenkung. In Alfdorf sitzt das konzernweite Zentrum für Rückhalte- und Airbagsysteme – und zwar sowohl in punkto Entwicklung als auch in punkto neue Produkte.

Die Zukunft der TRW-Fertigungsstandorte in Deutschland hängt dagegen stärker von der Entwicklung des Europäischen Automobilmarktes ab. Obwohl wir die Produktion unserer Kerntechnologien in den wichtigsten Regionen weltweit lokalisiert haben, ist und bleibt Deutschland aufgrund seiner Schlüsselposition für die Automobilindustrie aber ein sehr wichtiger Standort.

Welche generellen Trends sehen Sie im Automotive-Bereich?

Dr. Alois Seewald: Noch vor einiger Zeit war die Elektromobilität in aller Munde, doch die Revolution der Antriebstechnik in Richtung Elektromobilität wird noch etwas auf sich warten lassen. Die Einsparpotentiale beim Verbrauch fossiler Brennstoffe durch Gewichtsreduzierung der Fahrzeuge und Wirkungsgradverbesserungen beim Antrieb mit Verbrennungsmotor sind noch nicht ausgeschöpft. Die EU-Kommission überdenkt zudem gerade die Regelungen für die zukünftigen CO2-Grenzwerte und wird dadurch diese Entwicklung erneut beeinflussen.

Durch Verbesserungen der Sicherheit im Straßenverkehr soll die Anzahl der jährlich zu beklagenden Verkehrstoten nach dem Willen der EU-Kommission bis zum Jahr 2020 halbiert werden, und aktive Sicherheitskriterien sollen in die Euro-NCAP-Bewertung aufgenommen werden – vor allem im Bereich Fußgängerschutz. Auch dies wird dazu beitragen, dass der Elektronikanteil im Fahrzeug zunehmen wird.

Außerdem erkennen wir einen Trend, dass unsere Produkte mehr und mehr in globale Fahrzeug-Plattformen Einzug halten. Diese Fahrzeuge werden dann nicht nur in Deutschland entwickelt und vertrieben, sondern auch in China etc. Die Volumina der einzelnen Plattformen werden somit größer, so dass sich einerseits entsprechende Stückzahleneffekte ergeben, während andererseits die Märkte nicht immer die gleichen Anforderungen haben. Durch Skalierbarkeit und Modularität können wir hier für eine entsprechende Abstufung sorgen.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Mittlerweile stellt selbst in der Premiumklasse das Gewicht ein massives Kriterium dar; auch wenn es nur um 100 g oder noch weniger geht, schauen die OEMs ganz genau hin.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Unser Ziel ist es, mehr Sensoren einzubauen – verbesserte Radarsysteme und hochauflösende Kameras –, gleichzeitig aber die Anzahl elektronischer Steuergeräte zu reduzieren und die Datenfusion zwischen den Sensoren zu verbesse

Sascha Heinrichs-Bartscher: Unser Ziel ist es, mehr Sensoren einzubauen – verbesserte Radarsysteme und hochauflösende Kameras –, gleichzeitig aber die Anzahl elektronischer Steuergeräte zu reduzieren und die Datenfusion zwischen den Sensoren zu verbesseAlfred Vollmer

Außerdem spielt der Energieverbrauch der Elektronik eine sehr wichtige Rolle, weil er sich auf die CO2-Emissionen auswirkt. Vor drei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass die Anforderungen in diesen beiden Bereichen derart hoch werden. Hier gibt es ganz harte Kriterien.

Dr. Alois Seewald:Noch vor fünf Jahren betrug der Elektrik/Elektronikanteil im Auto ungefähr 25 %. Momentan geht dieser Wert in Richtung 29-30 %, so dass die Elektronik fast ein Drittel des Fahrzeugwerts ausmacht. Im Bereich Elektronik ist auch der Trend zu Domänen-Architekturen zu erkennen. Hierdurch soll der steigenden Komplexität bei der Vernetzung und Kommunikation elektronischer Systeme begegnet werden. Im Hinblick auf diese funktionalen Synergien überarbeiten viele OEMs derzeit die E/E-Architekturen neuer Fahrzeuge. Domänen-Architekturen helfen, die große Komplexität zu bewältigen und gleichzeitig ein hohes Maß an Flexibilität zu erzielen, ohne dabei irgendwelche Abstriche in punkto Sicherheit zu machen.

Zusammenfassend stellen wir folgendes fest: Das Fahrzeug wird immer intelligenter, und die Vernetzung des Fahrzeugs nimmt zu, während die Integration aktiver und passiver Sicherheitssysteme steigt. Die Gesetzgebung unterstützt die Einführung entsprechender Systeme.

Welche Trends zeichnen sich im Bereich der Assistenzsysteme ab?

Sascha Heinrichs-Bartscher: In den 15 Jahren, in denen ich mich intensiv mit Fahrerassistenzsystemen beschäftige, haben sich diese Systeme entscheidend verändert – vom absoluten Luxus-Feature zum teilweise schon Standard-Feature. Momentan sehen wir die Euro-NCAP Ratings als einen der treibenden Faktoren, denn um in Zukunft fünf NCAP-Sterne zu erhalten, müssen die OEMs bestimmte Fahrerassistenzsysteme verbauen. Die Bewertungskriterien für die NCAP-Sterne werden permanent strenger, aber nur wenigen Endverbrauchern ist bewusst, dass ein 4-Sterne-Fahrzeug in 2014 ungleich sicherer ist als ein 5-Sterne-Auto von 2011. Hier kommen passive und aktive Sicherheit zusammen – eine Kombination, bei der TRW besonders gut aufgestellt ist.

Sascha Heinrichs-Bartscher und Dr. Alois Seewald (v. r. n. l. im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Redakteur Alfred Vollmer): Fahrerassistenzsysteme entwickeln sich schon seit geraumer Zeit von den Warnsystemen immer stärker in Richtung aktive Unfallverme

Sascha Heinrichs-Bartscher und Dr. Alois Seewald (v. r. n. l. im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Redakteur Alfred Vollmer): Fahrerassistenzsysteme entwickeln sich schon seit geraumer Zeit von den Warnsystemen immer stärker in Richtung aktive UnfallvermeAlfred Vollmer

Wir machen uns aktiv Gedanken darüber, welche Lösung für die Fahrzeughersteller am besten ist: ob er beispielsweise in bessere Airbags investieren sollte oder ob zusätzliche Sensoren beziehungsweise Aktoren den höheren Nutzen bringen. Ein OEM überlegt sich zum Beispiel sehr genau, ob er für den Fußgängerschutz einen Motorhauben-Aufsteller installiert oder eine per Datenfusion realisierte Notbremse implementiert. Hier haben die Fahrzeughersteller eine sehr schwere Aufgabe zu bewältigen, die sie oftmals auch organisatorisch vor neue Aufgaben stellt, weil bisher die Teams aus dem Bereich passive Sicherheit für die NCAP-Sterne verantwortlich waren, während jetzt auch Fahrerassistenzsysteme erforderlich sind. Dabei darf die passive Sicherheit nicht schlechter werden.

Dr. Alois Seewald: Die Integration zwischen aktiver und passiver Safety, wie wir sie bei TRW auf Teamebene haben, gibt es bei den OEMs nicht; bei uns kommunizieren diese Teams permanent und sehr intensiv miteinander. Daher erwarten die Kunden von uns Empfehlungen, welche Projekte sich besonders für eine Umsetzung eignen. Wir sind als Zulieferer einer der wenigen Konzerne, die wirklich die Nase vorn haben. Wir haben das breiteste Angebot im Rahmen der aktiven und passiven Sicherheitssysteme; im Grunde genommen sind wir ein Integrator, denn wir haben das Wissen, die Kompetenz und die Erfahrung für Systeme, die zusammenwirken.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Fahrerassistenzsysteme entwickeln sich schon seit geraumer Zeit von den Warnsystemen immer stärker in Richtung aktive Unfallvermeidung. Ein schönes Beispiel dazu sind die Spurhalteassistenzsysteme. Begonnen haben wir hier vor einigen Jahren mit einem akustischen Warnsignal beim unbeabsichtigten Überfahren einer Fahrbahnrandmarkierung. Heute können wir dank der Integration des Spurhalteassistenzsystems mit der elektrischen Servolenkung das Fahrzeug durch aktive Lenkkorrekturen notfalls auch ohne Zutun des Fahrers in der Spur halten. So gelangt man von Korrekturen und Empfehlungen hin zum teilautonomen Fahren.

Der Fortschritt im Elektronikbereich hilft TRW, Fahrerassistenzsysteme zu entwickeln, die es ermöglichen, dass Fahrzeuge zumindest über einen gewissen Zeitraum hinweg quasi autonom fahren können und so den Fahrer in kritischen Fahrsituationen unterstützen. Unser Ziel ist es, mehr Sensoren einzubauen – verbesserte Radarsysteme und hochauflösende Kameras –, gleichzeitig aber die Anzahl elektronischer Steuergeräte zu reduzieren und die Datenfusion zwischen den Sensoren zu verbessern. In punkto Euro-NCAP geht es darum, für kleines Geld möglichst viele Punkte zu bekommen – und genau an Sensoren und Sensorsystemen dafür arbeiten wir auch.

So leistet beispielsweise unser 24-GHz-Radarsystem viel mehr als die ersten serienmäßig, damals nur in Premium-Fahrzeugen verbauten, Radarsysteme, aber der Preis liegt jetzt um mehr als eine Größenordnung tiefer.

Im Bereich der Fahrsicherheit stehen Funktionen wie die Automatische Notbremsung mit Fußgängererkennung, Notlenkassistent und adaptive Rückhaltesysteme auf unserer Roadmap.

Gerade im Bereich der Sensordatenfusion/Safety-Integration bietet sich eine Bündelung von Funktionen in leistungsfähigeren Steuergeräten an. Daher geht der Trend – beginnend beim Premium-Segment – wieder zu einer geringeren Anzahl von Steuergeräten, die dann aber eine viel höhere Leistungsfähigkeit haben.

Welche Trends zeichnen sich im Bereich der Sicherheitssysteme ab?

Sascha Heinrichs-Bartscher: Viele Sicherheitssysteme sind durch die enormen Fortschritte auf dem Gebiet der Automobilelektronik überhaupt erst möglich geworden. Die Integration der Systeme bringt weitere Vorteile im Hinblick auf die Funktionsumfänge, aber die Komplexität der Systementwicklung nimmt damit auch deutlich zu. Die Fähigkeit eines Zulieferers zur Systemintegration spiegelt sich daher nicht mehr nur in Funktionsumfängen wider sondern zunehmend auch in der Kompetenz auf dem Gebiet der funktionalen Sicherheit. TRW verfügt über jahrzehntelange Erfahrung mit der Entwicklung von sicherheitskritischen elektronisch gesteuerten Systemen. Bereits lange vor der allgemeinen Einführung der Norm ISO 26262 für den Automobilsektor hatte TRW seine Entwicklungsprozesse in einer vergleichbaren Art und Weise strukturiert. Aus diesem Grund sind wir uns auch so sicher, dass wir derartige sicherheitsrelevante Systeme auch gut handhaben können.

Dr. Alois Seewald: TRW ist im Bereich Elektromobilität mit den elektrischen Servolenkungen und dem neuen Bremssystem IBC bereits sehr gut aufgestellt.

Dr. Alois Seewald: TRW ist im Bereich Elektromobilität mit den elektrischen Servolenkungen und dem neuen Bremssystem IBC bereits sehr gut aufgestellt.Alfred Vollmer

Dr. Alois Seewald: In Bezug auf die Applikation von Sicherheitssystemen spielt die Integration in Fahrzeuge der unteren Klassen eine immer größere Rolle. Somit liegt der Fokus auf der Reduktion der Kosten bei annähernd gleichbleibender Performance. Dies ist teilweise mit der Entwicklung neuer Technologien wie zum Beispiel dem 77-79-GHz-Radarsensor AC1000 möglich. Somit erreichen wir eine Durchdringung der unteren Fahrzeugsegmente mit Sicherheitssystemen, die sonst nur der oberen Mittelklasse und oberen Fahrzeugklassen vorbehalten waren.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen OEMs. Manche Fahrzeughersteller kaufen sich lediglich das entsprechende Steuergerät und führen darauf ihre eigenen Algorithmen aus – oft unter Autosar. Dies erfordert einen sehr hohen Entwicklungsaufwand. Andere OEMs investieren nicht so viel in das Engineering und setzen daher bewusst auf einen Systemlieferanten, der ihnen im Rahmen einer Systemintegration die Datenfusion gleich mit den Sensoren mitliefert; auch diese Unternehmen können wir beliefern. So bieten wir beispielsweise eine Safety-Domain-ECU an, in der wir die komplexe Fusion der einzelnen Sensordaten vornehmen und daraus eine gemeinsame Strategie entwickeln, welcher Aktor wann und wie agieren soll.

Welche Systeme werden in Zukunft besonders von Interesse sein?

Sascha Heinrichs-Bartscher: Die Kopplung von Fahrerassistenzsystemen mit der Navigation gibt es zwar schon, aber sie wird viel stärker in den Fokus rücken. So könnten zum Beispiel die aus den Kartendaten bekannten Tempolimits mit den per Kamera erfassten Tempolimits verglichen werden, um damit eine viel größere Datensicherheit zu erzielen.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Bereits lange vor der allgemeinen Einführung der Norm ISO 26262 für den Automobilsektor hatte TRW seine Entwicklungsprozesse in einer vergleichbaren Art und Weise strukturiert.

Sascha Heinrichs-Bartscher: Bereits lange vor der allgemeinen Einführung der Norm ISO 26262 für den Automobilsektor hatte TRW seine Entwicklungsprozesse in einer vergleichbaren Art und Weise strukturiert.Alfred Vollmer

Außerdem überlegen die OEMs, wie weit sie den Eingriffszeitpunkt beispielsweise eines Notbremssystems nach vorne verlegen können, ohne dass es zu inakzeptablen Fehleingriffen kommt. Wichtig ist dabei vor allem die Akzeptanz des Fahrers; er muss erkennen, dass ihm das System wirklich hilft. Eine Geschwindigkeitsabsenkung vor Kurven lässt sich auf Basis der Navigationskarten mit entsprechender Vorausschau gut implementieren, während die Kamera bei weitem nicht so weit in eine Kurve schauen kann. Derartige Systeme werden sicher kommen.

Welchen Beitrag leistet TRW im Bereich Sicherheit?

Dr. Alois Seewald: TRW bietet mit seinem Produktportfolio Systeme der passiven Sicherheit wie Airbags, Gurtstraffer etc. und Produkte der aktiven Sicherheit wie ABS, ESC, Automatische Notbremsfunktion etc. an. Somit trägt TRW mit seinen Kunden einen nicht unerheblichen Beitrag zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr sowohl für die Fahrzeuginsassen als auch für die Fußgänger bei.

Zudem hat TRW schon vor einigen Jahren den Direktionsbereich ‚Cognitive Safety Integration‘ (CSI) eingerichtet. Die Zielsetzung von CSI ist auf der einen Seite, Systeme zur Erhöhung der passiven und der aktiven Fahrzeugsicherheit miteinander zu kombinieren sowie in ihrer Wirkung optimal aufeinander abzustimmen und auf der anderen Seite, diese Systeme in einem möglichst großem Umfang für eine möglichst breite Palette von Marktsegmenten in allen Märkten weltweit verfügbar zu machen. Ein gutes Beispiel sind hier die Entwicklungen auf dem Gebiet der radar- und videobasierten Systeme zur Erfassung des Fahrzeugumfelds, die eine Einführung von Notbremsfunktionen zu durchaus vertretbaren Kosten ermöglichen. Wir lassen uns dabei leiten von dem Motto „Sicherheit steht jedem zu“.

Im Oktober haben Sie Ihr Integrated Brake Control System, das IBC, vorgestellt. Was tut sich rund um die Bremse, wann kommt Brake-by-Wire?

Dr. Alois Seewald: Das IBC ermöglicht die Darstellung des gesamten Funktionsumfangs eines reinen Brake-by-Wire-Systems, aber mit wesentlich geringerem Aufwand zur Erfüllung der sehr hohen Anforderungen an die Ausfallsicherheit des Bremssystems. Vor diesem Hintergrund werden reine Brake-by-Wire-Lösungen auf absehbare Zeit wohl kaum wettbewerbsfähig sein.

Unser IBC ist ein vollintegriertes System vom Typ „By Wire“ und verwendet einen Pedalsimulator sowie einen elektromechanischen Bremskraftverstärker; im Vergleich zu einem herkömmlichen vakuumbasierten Bremssystem spart es aufgrund der Vollintegration bis zu vier Kilogramm Gewicht ein. Das IBC ist als vollständig modulares Design ausgelegt und lässt sich an die Anforderungen der Fahrzeughersteller an Bremsverhalten, Fahrzeuggröße und Funktionalität anpassen. Gerade die Geschwindigkeit, mit der das System den Bremsdruck aufbaut, macht es zu einem idealen System für den Einsatz in automatischen Bremssystemen. Wir gehen davon aus, dass unser IBC für Fahrzeugmodelle im Jahr 2016 serienreif sein wird.

Was tut sich beim Infotainment und bei den elektronischen Bedienfeldern?

Dr. Alois Seewald: Die Fahrzeughersteller stehen derzeit vor dem Zielkonflikt, Smartphone-, Internet- und andere Technologien in das Fahrzeug zu integrieren, aber den Fahrer durch die damit verbundene Informationsflut möglichst wenig von seiner eigentlichen Fahraufgabe abzulenken. Produkte von TRW wie der Touch-Sensor helfen dabei, die Bedienung von Infotainment-Funktionen im Fahrzeug möglichst einfach zu halten und dem Fahrer nur die relevantesten Informationen zuzuspielen.

Der kapazitative Touch-Sensor von TRW erkennt mit Hilfe einer speziellen Software handgeschriebene Zeichen und kann den Input optisch oder akustisch wiedergeben. Mit dem Touchpad können die Fahrzeughersteller daher nicht nur einfache Schalter sondern auch komplexe Bedienelemente im Auto ersetzen. Die intuitive Bedienung ermöglicht beispielsweise einen einfachen und damit sicheren Zugriff des Fahrers auf die Funktionen für Mobiltelefon, Navigationssystem, Radio oder Internetzugang.

Wohin geht die Reise im Bereich der Nutzfahrzeugelektronik?

Dr. Alois Seewald: Im Bereich Fahrerassistenzsysteme haben wir derzeit eine hohe Dynamik auf dem Gebiet der Nutzfahrzeugelektronik. Diese wurde ausgelöst durch die EU-weite verbindliche Einführung von Spurhalteassistenzsystemen und vorausschauenden Notbremssystemen für schwere Nutzfahrzeuge ab 2013/2015.  Ende 2012 werden wir mit der Auslieferung einer skalierbaren Videokamera inklusive Prozessoreinheit und Software an einen führenden europäischen Nutzfahrzeughersteller beginnen.

Letztes Jahr gaben die E/E-Leiter der deutschen OEMs die Ludwigsburger Erklärung ab. In welchen Punkten wünschen Sie sich eine derartige Ludwigsburger Erklärung, mit der wir die Branche im internationalen Umfeld voranbringen können ohne dabei auf Möglichkeiten zur Differenzierung im Rahmen des Wettbewerbs zu verzichten?

Dr. Alois Seewald: Die Ludwigsburger Erklärung beschränkt sich ja auf grundlegende Dinge im Bereich des Bordnetzes und der Datenübertragung im Fahrzeug. Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Fahrzeughersteller auf diesen Gebieten frühzeitig zu einer Einigung gelangen könnten. Unterschiedliche Standards in diesem Bereich bedeuten für uns einen erheblichen Mehraufwand bei der Entwicklung von elektrischen und elektronischen Systemen, den letztendlich kein Fahrzeughersteller allein tragen möchte.

Welche neuen Herausforderungen ergeben sich für TRW durch die Elektromobilität?

TRW ist hier mit den elektrischen Servolenkungen und dem neuen Bremssystem IBC bereits sehr gut aufgestellt. Die elektrischen Servolenkungen werden im Gegensatz zu den konventionellen Hydrauliksystemen völlig unabhängig vom Verbrennungsmotor betrieben und lassen sich daher problemlos mit sämtlichen Antriebskonzepten vom Mild-Hybrid bis zum reinen Elektroantrieb kombinieren. Die neuen Bremssysteme für Hybrid- und Elektrofahrzeuge unterscheiden sich in einigen wichtigen Punkten von der aktuellen Technik. Das Bremssystem ermöglicht ein stufenloses Überblenden zwischen der Bremsleistung des Fahrzeugantriebs im Rekuperationsmodus und der Bremsleistung der Radbremsen. Dieses Überblenden geschieht ohne Einfluss durch die aktuell verfügbare Rekuperationsleistung und ohne Rückwirkung auf die vom Fahrer über die Pedalkraft angeforderte Gesamtbremsleistung. Auf diese Weise kann eine optimale Ausnutzung der maximal verfügbaren Rekuperationsleistung in allen Fahrsituationen gewährleistet werden.

Alfred Vollmer,

Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK führte das Interview

(av)

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