Die Gestaltung eines mobilen Human Machine Interface (HMI) birgt zahlreiche Probleme für die User-Interface-Designer. Zum einen ist der verfügbare Bildschirmfläche im Vergleich zu stationären Systemen geringer. Zum anderen ist auch die stärkere Varianz der Umgebungsfaktoren ein weiterer zentraler Unterschied. Unter Umständen kann dasselbe Interface innerhalb einer Fabrikhalle oder im Freien, bei Tag oder in der Nacht zum Einsatz kommen. Folglich variieren Umgebungseinflüsse, wie die Lichteinstrahlung oder Spiegelungen, und müssen bei der Gestaltung mobiler HMIs daher besondere Beachtung finden.
Das auf HMIs und Bedienerfreundlichkeit spezialisierte Unternehmen Ergosign unterstützte Faymonville, einen Anbieter von Spezialtrailern, bei der Gestaltung eines neuen User Interfaces (UI) für die mobile Steuerungseinheit eines selbstfahrenden Schwerlasttransportmoduls. Diese Steuerungseinheit verfügt über einen 10″-Touchscreen (1.024 mal 768 Pixel), mehrere Gehäusetasten sowie einen Joystick zur Lenkung des Trailers. Neben der konzeptionellen Gestaltung des UI galt das Hauptaugenmerk dem visuellen Design des Interfaces für den Touchscreen.
Der Spezialtrailer kommt fast ausschließlich außerhalb geschlossener Gebäude am Tag und in der Nacht zum Einsatz. Außerdem wird er auch in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung und einer Außentemperatur von bis zu -40 °C genutzt. Starke Sonneneinstrahlung kann die Lesbarkeit der wichtigen Druckanzeigen der Ladeflächen beeinträchtigen, sodass der Fahrzeugführer die Überschreitung eines kritischen Wertes nicht bemerkt. Deswegen könnte die Ladung kippen und beschädigt werden. Um Sach- und Personenschäden zu vermeiden, ist es entscheidend, dass alle Werte gut lesbar dargestellt sind.
Auch die Bekleidung der Benutzer kann bei der Gestaltung mobiler HMIs von Bedeutung sein. Nicht selten tragen die Bediener gerade im industriellen Kontext oder bei niedriger Umgebungstemperatur Handschuhe – wie dies auch beim Personal des Trailers der Fall ist. Als Konsequenz müssen die Trefferflächen des Touch Interfaces so gestaltet sein, dass eine sichere und gleichermaßen effiziente Bedienung auch mit Handschuhen möglich ist. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, erarbeiteten die Entwickler drei verschiedene UI-Designs für die Steuerung des Spezialtrailers.
Bedienen am Tage
Da die Fernsteuerung vermehrt am Tage bei normaler Sonneneinstrahlung zum Einsatz kommt, betrachteten die Entwickler diese wichtige UI-Variante zuerst. Dabei wurden vier Gestaltungsleitsätze fokussiert: Aufgabenangemessenheit, Lesbarkeit, Doppelte Kodierung von Informationen und ausreichende Größe der Trefferflächen.
Beim Thema Aufgabenangemessenheit geht es darum, mit dem Design des HMIs die wichtigsten Funktionen hervorzuheben und zu unterstützen. Da der verfügbare Bildschirmplatz bei mobilen UIs eingeschränkt ist, muss die Fokussierung auf den zentralen Anwendungsfall deutlicher sein als bei klassischen Desktop-Applikationen. In diesem Beispiel wird der Touchscreen des Panels primär zur Anzeige und Überwachung des Trailers genutzt – hinsichtlich Druckniveau, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung. Der Fokus liegt dabei auf der stetigen Kontrolle der aktuellen Druckverteilung der Ladung. Mithilfe von vier Druckpunkten muss der Fahrzeugführer kontrollieren, ob die Fracht gleichmäßig aufliegt oder nach einer Seite zu kippen droht. Daher werden die Niveaus dieser Druckpunkte mit einem Balkendiagramm zentral im Hauptteil des Screens dargestellt.
Gute Lesbarkeit, heißt hoher Kontrast
Eine grundsätzliche Voraussetzung für die gute Lesbarkeit bei mobilen HMIs ist stets ein ausreichender Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrundfarben. Die Arbeitsgemeinschaft World Wide Web Consortium (W3C), die sich um die Standardisierung der Technik des World Wide Web kümmert, empfiehlt Kontrastwerte für unterschiedliche Konformitätsstufen. Um den Minimalanforderungen (Level AA) gerecht zu werden, sollte das Kontrastverhältnis 5:1 betragen. Die erweiterte Konformitätsstufe (Level AAA) wird mit einem Kontrastverhältnis von 7:1 erfüllt. Aus diesem Grund wählten die Entwickler ein Kontrastverhältnis von 7:1 für zentrale Informationen, wie Navigationselemente, Tools und Messwerte. Das sorgt auch bei wechselnden Lichtbedingungen für eine gute Lesbarkeit der wichtigsten Screen-Elemente. Für ergänzende Informationen, wie die Skalenwerte, kommt dagegen ein Kontrastverhältnis von mindestens 5:1 zum Einsatz, da diese dezenter dargestellt werden sollten, um nicht mit den primären Informationen zu konkurrieren.
Informationen einheitlich kodieren
Damit die Inhalte auch im Freien bei wechselnden Lichtbedingungen gut lesbar bleiben, ist es entscheidend, dass der Bediener farblich kodierte Informationen auch bei suboptimaler Farbdarstellung sofort erkennt. Kritische Grenzwerte im Balkendiagramm werden deswegen nicht nur durch rote Farbe hervorgehoben, sondern auch durch die Formgebung des entsprechenden Balkens.
Bei der Steuereinheit des Trailers ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Fahrzeugführer meist Handschuhe trägt. Um dennoch eine sichere Steuerung zu ermöglichen und gleichzeitig versehentliches Tippen zu vermeiden, müssen die Trefferflächen über eine ausreichende Größe verfügen. So gilt im industriellen Umfeld eine Fläche von 15 mal 25 mm pro Button, beziehungsweise 20 mal 20 mm bei quadratischen Buttons als Mindestgröße.
In dunkler Nacht und bei brennender Wüstensonne unterwegs
Da der Fahrzeugführer den Trailer stets genau im Auge behalten muss, darf ihn ein hell leuchtendes User Interface nicht blenden. Aus diesem Grund ist das UI der Steuerungseinheit im Nacht-Modus invertiert und zeigt helle Elemente auf dunklem Hintergrund. Für eine solche Kombination wird ein Kontrastverhältnis von 3:1 bis 5:1 empfohlen. Diese Invertierung nutzen zum Beispiel auch Navigationsgeräte für Nacht- und Tunnelfahrten. Die Farbwahl für die Kennzeichnung der kritischen Schwellenwerte bleibt im Nacht-Modus dagegen unverändert, damit die gleichen Farben immer für die gleichen Informationen stehen.
Um auch bei starker Sonneneinstrahlung eine gute Lesbarkeit zu erreichen, wählten die Entwickler für alle Elemente des Wüsten-UIs das maximal mögliche Kontrastverhältnis von 21:1 und verzichteten komplett auf Farben. Selektionen, beispielsweise in der Hauptnavigation, werden durch Invertierung kenntlich gemacht (weißer Vorder- und schwarzer Hintergrund). Das Überschreiten kritischer Schwellenwerte, zum Beispiel im zentralen Balkendiagramm, wird durch eine unterschiedliche Formgebung angezeigt.
Zwischen den UI-Varianten wechseln: Automatisch oder nicht
Da sich die Umgebungssituation im Laufe einer Schicht ändern kann, muss es möglich sein, zwischen den verschiedenen UI-Varianten zu wechseln. Beispielsweise könnte ein Transport am Tag mit durchschnittlicher Sonneneinstrahlung beginnen und bis in die Nacht bei Dunkelheit andauern. Für den Wechsel zwischen den verschiedenen Screen-Varianten gibt es zwei Möglichkeiten: Automatisches Umschalten mithilfe eines integrierten Helligkeitssensors oder manuelles Umschalten durch den Anwender über zusätzliche Display-Einstellungen.
Auch wenn das automatische Umschalten praktisch zu sein scheint, können damit Nachteile einhergehen, zum Beispiel ein erhöhter Energieverbrauch. Im Fall des Trailers haben sich die Entwickler dazu entschlossen, dem Anwender beide Möglichkeiten anzubieten. Er kann entweder manuell im Display-Menü die entsprechende UI-Variante selektieren oder eine automatische Umstellung mittels des Helligkeitssensors wählen.
Neben der Berücksichtigung dieser und allgemeiner Empfehlungen für mobiles UI-Design ist es unerlässlich, das Design auf dem jeweiligen Endgerät in der entsprechenden Umgebung iterativ zu testen. Denn es sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, die die Darstellung des UI-Designs beeinflussen können – beispielsweise die Display-Technologie. Die fortlaufende Weiterentwicklung der Display- und Touch-Technologien wird es zunehmend einfacher machen, sichere und effiziente mobile HMIs zu gestalten. So hat die Firma Tactus Technologies einen taktilen Touchscreen mit transparenten physischen Buttons entwickelt, die hervortreten, sobald sie benötigt werden. Das so entstehende taktile Feedback reduziert nicht nur das Risiko von Fehleingaben, sondern vereinfacht gleichzeitig auch die Eingabe mit Handschuhen. Display-Technologien, wie Electronic Ink, verringern gleichzeitig Reflektionen und sorgen auch bei direktem Sonnenlicht für gute Lesbarkeit. Dennoch ist eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen Umweltfaktoren bei der Gestaltung mobiler HMI unabdingbar, um sichere und effizient bedienbare Interfaces zu gestalten.
Technik im Detail
Lesetipps zum Thema HMI-Design
Bücher:
- ‚The Mobile Frontier – A Guide for Designing Mobile Experiences‘ von Rachel Hinman, ISBN 1-933820-55-1
- ‚Kleine ergonomische Datensammlung‘ von Wolfgang Langen und Armin Windel, ISBN 978-3824909957
- ‚Designing Mobile Interfaces‘ von Steven Hoober, ISBN 978-1-4493-9463-9
Normen und Richtlinien:
- ‚Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung‘, ISO 9241-110:2006
- ‚Nutzergerechte Gestaltung von Bediensystemen für Maschinen‘, VDI/VDE-Richtlinie 3850
Web
Martina Krugmann
Jan Groenefeld
(mf)