Um einen mechanisch oder elektronisch kommutierten Gleichstrom-Motor für eine Antriebsaufgabe optimal auszuwählen, sind die Regeln für normale Drehzahlbereiche zwischen maximalem Wirkungsgrad und maximaler Leistung an sich ausreichend beschrieben. Insbesondere für die Steuerung und Positionierung, bei Servo- und Torquemotoren, oder sonstige Antriebsaufgaben sind aber zunehmend Direktantriebe für kleine Drehzahlen und hohe Drehmomente im Einsatz. Hier führen die bekannten Regeln zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Beim Entwickeln eines modifizierten Wirkprinzips für Gleichstrom-Maschinen stellt sich die Frage, anhand welcher technischer Effizienzkriterien ein objektiver Vergleich mit Wirkprinzipien von Gleichstrom-Motoren möglich ist. Um immer die richtige Auswahl zu treffen, wird ein maschinenbezogener Gütefaktor als Effizienzkriterium hergeleitet. Dabei zeigt sich, dass damit nicht nur die energetische Güte konkreter Baumuster quantifiziert werden kann, sondern nach geeigneter Normierung auch ein allgemeingültiger Vergleich unterschiedlicher Wirkprinzipien möglich ist.

Ein hoher Wirkungsgrad ist nicht alles

Die Effizienz von Antriebsmotoren wird bekanntlich mit deren Wirkungsgrad als Quotient aus abgegebener mechanischer und aufgenommener elektrischer Leistung beschrieben. Dies ist für den Langzeitbetrieb bei wenig veränderlichen Lasten korrekt und sinnvoll. Der Wirkungsgrad als Betriebsgröße kann aber generell nur für einen vorgegebenen Arbeitspunkt innerhalb der Drehzahl-Drehmoment-Charakteristik angegeben werden. Die Ergebnisse sind also von der elektrischen und der mechanischen Anpassung des Antriebs an diesen Arbeitspunkt abhängig. Der in technischen Katalogen angegebene maximale Wirkungsgrad eines Motors ist dabei eine eher theoretische Größe, die nur bei überdimensionierter Antriebsleistung, hoher Drehzahl und kleiner Last weit unterhalb des Leistungsmaximums erreicht werden kann. Auch ist er von weniger relevanten Größen, wie der Lagerreibung, abhängig. Die verbreitete Ansicht, die Auswahl eines Motors mit höherem maximalen Wirkungsgrad führt automatisch zu einem höheren Wirkungsgrad in der konkreten Anwendung, ist grundsätzlich falsch.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass aus objektiven physikalischen Gründen mit größeren Motoren höhere Wirkungsgrade erzielt werden können, als mit kleineren. Ein Vergleich oder eine optimale Auswahl könnte allein deshalb nur unter einschränkenden Bedingungen, zum Beispiel bei Beachtung von Volumen, Masse oder Kosten, erfolgen.

Hohe Drehzahl, kleine Drehmomente

Um eine möglichst hohe mechanische Leistung bei kleinem Bauvolumen zu erzielen, werden hohe Motordrehzahlen bei kleinen Drehmomenten angestrebt, die für viele Anwendungen mithilfe von Untersetzungsgetrieben auf höhere Drehmomente und kleinere Drehzahlen transformiert werden müssen. Weil Getriebe zusätzliche Kosten, Geräusche, Verschleiß, Zahnflankenspiel und weitere Nachteile mit sich bringen, werden zunehmend Direktantriebe eingesetzt – auch dann, wenn der erreichte Gesamtwirkungsgrad ungünstiger ist als mit Getriebe. Die Arbeitsbereiche sind durch hohe Drehmomente bei kleinen Drehzahlen gekennzeichnet. Bei diesem Betrieb weit außerhalb des Leistungsmaximums – bis hin zur Null-Drehzahl – gibt eine Wirkungsgrad-Betrachtung wenig Aufschluss für einen Vergleich oder eine optimale Auswahl.

Gesucht wird also ein Gütefaktor als Indikator für die Effizienz eines Gleichstrom-Motors, der folgenden Aufgabenstellungen gerecht werden soll:

  • Auswahl eines Baumusters für eine konkrete Anwendungsaufgabe, zum Beispiel anhand von Katalogwerten;
  • Objektiver Vergleich zwischen verschiedenen Grundkonstruktionen oder Wirkprinzipien, unabhängig von der Baugröße oder dem Arbeitspunkt;
  • Optimierungskriterium für die Bestimmung von Entwurfsregeln für neue Motoren.

Effizienz und Leistungsverluste

In Bild 1 ist die Verlustkette bei der Umwandlung elektrischer in mechanische Antriebs-Energie mit einem Gleichstrom-Motor schematisch dargestellt. Der obere Teil zeigt dessen elektrisches Ersatzschaltbild, das aus einem idealisierten widerstandsfreien Motor und dessen ohmschen Verlusten besteht. Die Klemmenleistung P1 berechnet sich nach

P1 = Ia * Ua = Ia2 * Ra + Ia * Ea, (1)

wobei Ia den Ankerstrom, Ua die Ankerspannung, Ra den Ankerwiderstand und Ea die Gegen-EMK des Ankers bezeichnen. Übergangswiderstände, insbesondere die des Kommutators, werden hier der Einfachheit halber dem Ankerwiderstand hinzugerechnet. Die Summanden im rechten Teil der Gleichung geben die ohmsche Verlustleistung und die innere Leistung an. Die innere Leistung ist der elektromagnetischen Leistung gleichzusetzen, so dass gilt

PEM = 2p * n * MEM = Ia * Ea. (2)

Hier sind n die Drehzahl MEM und das elektromagnetische Drehmoment.

Das elektromagnetische Drehmoment teilt sich in das nutzbare Wellenmoment Mw, die Reibungsmomente MR und die magnetischen Verlustmomente MV auf:

MEM = MW + MR + MV. (3)

Mit dem Wellenmoment berechnet sich schließlich die abgegebene mechanische Leistung zu

P2 = 2p * n * MW (4)

und geht in die Berechnung des Wirkungsgrads nach

ηη = P2/P1 (5)

ein. Die drehzahlunabhängigen Reibungsmomente MR sind zwischen Motoren unterschiedlicher Technologien und Hersteller weitgehend ähnlich, können also aus vergleichenden Effizienzbetrachtungen ausgeschlossen werden. Für Betrachtungen im Betriebsbereich hoher Abtriebs-Drehmomente sind sie ohnehin vernachlässigbar.

Magnetische Verluste MV sind drehzahlabhängig, für langsam laufende Maschinen also unbedeutend. Besonders für hochpolige Torquemotoren ist aber zu beachten, dass anstelle der Drehzahl eigentlich die Polfrequenz gemeint ist.

Für normale Drehzahlen wird der Anteil magnetischer Verluste an den Gesamtverlusten in traditionellen Maschinen immerhin auf ca. 23 % beziffert. Ursachen für magnetische Verluste sind Hysterese-, Wirbelstrom- und Polsteg-Verluste. Maschinen mit reinen Luftspulen, die keine Eisenteile im Magnetfeld bewegen, weisen praktisch keine magnetischen Verluste auf. Auch bei eisengebundenen Luftspulen-Konstruktionen, bei denen der magnetische Rückschluss mit der Luftspule mechanisch gekoppelt ist, sind die magnetischen Verluste deutlich kleiner als in traditionellen Maschinen.

Nachfolgend werden ausschließlich ohmsche Verluste weiter betrachtet, da sie traditionell mit wenigstens zwei Dritteln der Hauptanteil aller Verluste sind. Bei langsam laufenden Maschinen oder bei Luftspulen-Maschinen werden nahezu alle Verluste elektrisch verursacht. Für den elektrischen Wirkungsgrad eines Gleichstrom-Motors gilt die Gleichung (2)

ηη = (2p * n * MEM)/(Ia2 * Ra + Ea * Ia) = 1/[(1a2 * Ra)/(2p * n * MEM) + 1]. (6)

Das spezifische Drehmoment

Bei kleinen Drehzahlen, wie sie bei Positionierbewegungen auftreten, ist die mechanische Leistung gemäß (5) klein. Für ein Haltemoment im Stillstand wird keine mechanische Leistung mehr abgegeben, der Wirkungsgrad sinkt also auf Null, obwohl weiter elektrische Leistung umgesetzt wird.

Aus dieser Erkenntnis entstand die Idee, anstelle des Verhältnisses von mechanischer zu elektrischer Leistung die Abhängigkeit des Drehmoments von der elektrischen Leistungsaufnahme zu bewerten. So gibt der Quotient

MEM/Ia2 * Ra

ein drehzahlunabhängiges Verhältnis aus Drehmoment und elektrischer Verlustleistung an, ist aber dennoch vom Arbeitspunkt abhängig, denn die Leistung im Divisor steigt quadratisch zum Strom, somit also auch zum Drehmoment. Um eine leistungsabhängige Größe unter Beachtung eines proportionalen Verlaufs in das Verhältnis zum Drehmoment zu setzen, wird deshalb die elektrische Leistung nicht direkt, sondern mit deren Quadratwurzel verwendet. So entsteht der Quotient

μM = MEM/IaÖRa , (7)

der jetzt als ‚spezifisches Drehmoment‘ oder einfach als ‚Gütefaktor‘ eingeführt wird. Bestehend aus der Drehmomentkonstante und dem ohmschen Widerstand ist diese Größe im normalen Betriebsbereich eine Maschinenkonstante. Deren Maßeinheit ist ÖW * s Mit der Gleichung

PR = (MEMM)2 (8)

ist daraus direkt die ohmsche Verlustleistung in Abhängigkeit vom Drehmoment bestimmbar. Für das Haltemoment MH bei n=0 gilt wegen Ea=0

P1 = (MHM)2. (9)

Auf analoge Weise kann über die Drehzahlkonstante mit

μn = nÖRa/Ea (10)

auch eine ‘spezifische Drehzahl‘ eingeführt werden. Hiermit ist dann die Kurzschlussleistung im Generatorbetrieb mit

PKS = (n/μn)2 (11)

zu berechnen. Es lässt sich aber über die Gleichheit von innerer Leistung und elektromagnetischer Leistung zeigen, dass beide spezifischen Größen über 2pμMμn=1 ineinander umgerechnet werden können. Für Motoren werde deshalb im Weiteren nur das spezifische Drehmoment benutzt, während die spezifische Drehzahl für die Betrachtung von Generatoren interessant erscheint.

Ein wichtiger Aspekt des Gütefaktors soll anhand folgender Modellvorstellung erläutert werden: Ein vorhandener Motor wird als zweites Exemplar baugleich kopiert, jedoch mit doppelter Windungszahl und halbem Drahtquerschnitt gewickelt, was den verfügbaren Wickelquerschnitt in gleicher Weise ausnutzt. Der ohmsche Widerstand vervierfacht sich dadurch, während bei gleichem Strom das doppelte Drehmoment erzeugt wird. Das resultierende spezifische Drehmoment ist laut Gleichung (7) in beiden Fällen gleich groß, also unabhängig von den Wicklungsdaten, solange der verfügbare Wickelquerschnitt gleichermaßen genutzt wird.

Das spezifische Drehmoment erweist sich also als eine universelle Größe, die zwar von den konstruktiven und magnetischen Eigenschaften des Motors, nicht jedoch von seiner Wicklungsauslegung abhängig ist. Je höher es ist, desto höher ist die Effizienz des Motors.

Aus den Gleichungen (6) und (8) folgt eine direkte Abhängigkeit des elektrischen Wirkungsgrades nach

ηel = 1/MEM/[(2π * n) * (1/μM2) + 1 . (12)

Man beachte, dass der Quotient MEM/2pn  eine rein anwendungstechnisch bedingte Größe ist, also keinen Bezug zum Motor aufweist. Mit diesem Quotienten wird die Beziehung zwischen arbeitspunktabhängigem Wirkungsgrad und arbeitspunktunabhängigem spezifischem Drehmoment hergestellt.

Somit verbleibt für n≠0 eine direkte Abhängigkeit des Wirkungsgrads vom spezifischen Drehmoment nach

lim μM →∞ ηel = 1 ,  lim μM →0 ∞ ηel = 0.

Das spezifische Drehmoment ist also ein Gütefaktor, der die Effizienz des Motors, unabhängig von dessen Arbeitspunkt, ausdrückt. Wird dessen Größe für zwei Motoren miteinander verglichen, so ist der effizientere von beiden anhand des höheren Gütefaktors zu erkennen. Diesen effizienteren Motor optimal zu betreiben, erfordert anschließend noch eine optimale elektrische Anpassung von Betriebsspannung, Wicklungsdaten und vorgesehenem elektromechanischem Arbeitspunkt aneinander. 

Dr. Ulrich Clauss

: Geschäftsführer der Dr. Clauss Bild- und Datentechnik GmbH in Zwoenitz.

(hw)

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