Dr. Otmar Scharrer von ZF ist sich sicher: „Wir glauben, dass dies das Themomanagement der Zukunft ist.“

Dr. Otmar Scharrer demonstriert TherMaS und ist sich sicher: „Wir glauben, dass dies das Themomanagement der Zukunft ist.“ (Bild: Alfred Vollmer)

ZF hat auf seinem Global Technology Day ein ganzheitliches kompaktes Thermomanagement-System vorgestellt, das in Zusammenhang mit einem neuen, besonders kompakten Antrieb bei kalten Temperaturen um den Gefrierpunkt die Reichweite im Realbetrieb um bis zu einem Drittel im Vergleich zu heute gängiger Technik erhöhen soll.

In  einem Konzeptfahrzeug hat ZF sein erstes selbst entwickeltes zentrales Thermomanagementsystem für E-Fahrzeuge, genannt TherMaS, integriert. TherMaS steuert mit einer zentralen Einheit und entsprechender Software alle thermischen Vorgänge für Antrieb, Batterie und Fahrgastraum. „Das neue Design senkt Platzbedarf und Gewicht deutlich gegenüber bisherigen Ansätzen für Kühlung und Heizung von E-Pkw“, hebt Dr. Otmar Scharrer, Entwicklungsleiter für elektrische Antriebssysteme bei ZF, im Gespräch mit all-electronics.de hervor. Aufgrund einer propanbasierten 800-V-Wärmepumpe sei zudem „deutlich weniger Energie“ notwendig. Weil es kompakt und einfach aufgebaut ist, lässt es sich leicht in Fahrzeuge integrieren.

TherMaS im Detail

Das TherMaS-Konzept verfügt erstmals über drei ausgewiesene Kreisläufe: Im Zentrum befindet sich der sehr kleine Kältemittelkreislauf. Dieser ist vorbefüllt sowie hermetisch geschlossen und deshalb wartungsfrei. Zudem besitzt das Konzept keine Schnittstellen zu anderen Fahrzeugbereichen wie dem Innenraum. ZF nutzt das fluorfreie, natürliche Kältemittel Propan (R290). Obwohl nur die Hälfte des bisherigen Kältemittelvolumens eingesetzt wird, steigt die Kühlleistung um den Faktor 2 im Vergleich zu heute gängigen Kältemitteln. Der zentrale Kältemittelkreislauf bedient bei Bedarf zwei separat steuerbare Kühlkreisläufe, in denen wie üblich frostgeschütztes Wasser fließt: Der erste ist auf die vergleichsweise hohen Temperaturen der E-Maschine ausgelegt, der zweite temperiert die Leistungs- und Ladeelektronik. Die Steuerungssoftware regelt die bedarfsgerechte Kühlleistung.

Mit diesem Thermomanagement steigt Dr. Scharrer zufolge die Reichweite des Konzeptfahrzeugs „im anspruchsvollen Winterbetrieb um bis zu einem Drittel“, und die deutlich bessere Kühlperformance ermögliche eine höhere Dauerleistung der E-Maschine. Daher ist sich Dr. Scharrer über eines sicher: „Wir glauben, dass dies das Themomanagement der Zukunft ist.“

TherMaS ist ein besonders kompaktes Thermomanagement-System, das mit Propan arbeitet.
TherMaS ist ein besonders kompaktes Thermomanagement-System, das mit Propan arbeitet. (Bild: Alfred Vollmer)

Die Vorteile von Propan als Kältemittel

Das Temperieren eines Fahrzeugs kann im Winter einen signifikanten Anteil des Leistungsbedarfs ausmachen, der insbesondere beim Aufheizen zwischen drei bis sechs Kilowatt liegen kann. Angenehme Kühle im Sommer und Wärme im Winter sind ein großer Komfortfaktor für die Insassen. Auch für die Performance des E-Motors, der Leistungselektronik und der Batterie ist die richtige Temperatur ein wesentlicher Faktor.

Allerdings steht dem Einbau von TherMaS-Systemen in Serienfahrzeuge derzeit noch eine große Hürde im Weg, denn Propan (R290) ist derzeit noch nicht als Kältemittel in Kraftfahrzeugen freigegeben. Der Wirkungsgrad (bei Wärmepumpen COP genannt) von Propan ist bei -20 °C viel höher als beim derzeit gängigen Kältemittel R1234yf. Bei -20 °C erreicht R290 noch ein COP von 2,5, während R1234yf nur bis -10 °C sinnvoll einsetzbar ist. So ist ZF mit dem auf Propan basierenden TherMaS-System nach Angaben von Dr. Scharrer in der Lage, die Batterie auch an wirklich kalten Tagen zu wärmen und so die Reichweite um mehr als 50 km zu erhöhen.

Propan (R290) bietet gegenüber R1234yf diverse Vorteile als Kältemittel; ein Kommentar

Alfred Vollmer (Chefredakteur all-electronics.de und AUTOMOBIL-ELEKTRONIK): „Beim Benzin gehen wir das Brandrisiko bewusst ein, aber beim Propan nicht. Beim R1234yf gehen wir das hohe Risiko einer Flusssäureverätzung bewusst ein, beim Propan besteht dieses Risiko gar nicht. Und darum verstehe ich nicht, warum R290 (Propan) nicht als Kühlmittel im Fahrzeug zugelassen ist, R1234yf aber sehr wohl.“
Alfred Vollmer (Chefredakteur all-electronics.de und AUTOMOBIL-ELEKTRONIK): „Beim Benzin gehen wir das Brandrisiko bewusst ein, aber beim Propan nicht. Beim R1234yf gehen wir das hohe Risiko einer Flusssäureverätzung bewusst ein, beim Propan besteht dieses Risiko gar nicht. Und darum verstehe ich nicht, warum R290 (Propan) nicht als Kühlmittel im Fahrzeug zugelassen ist, R1234yf aber sehr wohl.“ (Bild: Hüthig)

Die besseren thermischen Eigenschaften und den höheren Wirkungsgrad von Propan kennen wir (jeweils im Vergleich zu R1234yf). Warum das brennbare Propan im Fahrzeug nicht zugelassen ist, während R1234yf seine Zulassung behält, erschließt sich mir trotz erfolgreich abgeschlossenem Ingenieursstudium nicht. Ja, Propan brennt wirklich gut, aber das ebenfalls für den Einsatz in Fahrzeugen zugelassene Benzin, brennt auch gut und ist in den aktuellen Verbrennerfahrzeugen in ganz erheblich höherer Menge im Tank als Treibstoff vorhanden als die kleine Menge Propan in einer Wärmepumpe/Klimaanlage. Propan kennen wir von den Propangaskochern und Kühlschränken, die vielfach in Wohnmobilen etc. eingebaut und in immer größerer Anzahl mit großen Speicherbehältern (Gasflaschen) auf den Straßen unterwegs sind. Wenn Propan verbrennt, dann werden Wasser und CO2 frei – sonst nichts. In Haushalts- und Gewerbekühlgeräten hat sich Propan bereits seit vielen Jahren als klimafreundliche Alternative zu FCKW als Kältemittel etabliert.

R1234yf ist ebenfalls brennbar, aber auch giftig, denn wenn R1234yf verbrennt, dann entstehen unter anderem Carbonylflourid (CF2O, laut Süddeutscher Zeitung ein Abkömmling des Kampfstoffs Phosgen) sowie erhebliche Mengen Flusssäure, also in Wasser gelöstes Wasserstofffluorid (HF, eine sehr starke Mineralsäure). Das Fluorid der Flusssäure ist hochreaktiv und in der Lage, die Haut auch ohne Verletzungen sehr schnell zu durchdringen. Flusssäureverätzungen sind äußerst tückisch, weil sich die tiefliegenden Gewebeschäden erst nach weit über 30 Minuten oder sogar mehreren Stunden durch Schmerzen bemerkbar machen. Bei großflächigeren Verätzungen (etwa ab Handtellergröße) kommt dann primär die toxische Wirkung hinzu, denn Fluorid löst eine Ausfällung des körpereigenen Kalziums aus, was zu einem sehr schnellen Konzentrationsabfall des Kalziums in den Körperflüssigkeiten führt. Allerdings ist das Element Kalzium für viele Körperfunktionen lebenswichtig; die bekannteste und wohl wichtigste ist die Beteiligung des Kalziums an der Erregungsleitung am Herzen. Deshalb kann eine Flusssäurevergiftung zu schweren Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen.

In der Halbleiterherstellung kommt Flusssäure in großen Mengen zum Einsatz, weil es ein exzellenter Ätzer für Siliziumdioxid ist. Mitarbeiter, auch in der Forschung und Entwicklung von Halbleiterprozessen (Ätzen bei der Strukturierung und in der Nassreinigung), die immer wieder mit HF in „Berührung“ kommen, erhalten regelmäßig eine zusätzliche HF-Schulung. Entsprechend groß ist auch der Respekt vor der Säure, so dass zumindest hier die Sicherheitsvorschriften wirklich penibel eingehalten werden. Labore sind daher immer mit Kalziumgluconat ausgestattet, das heutzutage meist in Gel-Form vorliegt, damit es nicht von der Haut herunterfließt. Verätzungen werden mit Wasser behandelt, um die Säure zu verdünnen. Anschließend wird das Gel dick aufgetragen sowie immer der Notarzt gerufen. Das Kalziumgluconat sorgt dafür, dass weniger vom körpereigenen Kalzium ausgefällt wird.

Beim Benzin gehen wir das Brandrisiko bewusst ein, aber beim Propan nicht. Beim R1234yf gehen wir das hohe Risiko einer Flusssäureverätzung bewusst ein, beim Propan besteht dieses Risiko gar nicht. Und darum verstehe ich nicht, warum R290 (Propan) nicht als Kühlmittel im Fahrzeug zugelassen ist, R1234yf aber sehr wohl.

Alfred Vollmer

 

PS: Vielen Dank an meine Teamkollegin Dr. Nicole Ahner für die Inputs rund um HF!

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